Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Attila“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 2 (1885), Seite 3132
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Attila. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 2, Seite 31–32. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Attila (Version vom 26.04.2023)

[31] Attila, kurzer, mit Schnüren besetzter Husarenrock.

Attila (Etzel, genannt Godegisel, „Gottes Geißel“), König der Hunnen, Sohn Mundzuks, folgte 433 n. Chr. mit seinem Bruder Bleda seinem Oheim Rugilas als Häuptling der Hunnen und ermordete 445 Bleda, worauf er durch Eroberungszüge sein Reich zu einem Weltreich vergrößerte. Von kurzer, gedrungener Gestalt, dunkler Gesichtsfarbe, mit tief liegenden, kleinen Augen, flacher Nase und spärlichen Barthaaren, machte er doch durch seinen stolzen Schritt und seine strengen Mienen einen imponierenden Eindruck. Trotz seiner Wildheit zeigte er Würde, Ernst und Gerechtigkeitssinn und erschien nicht bloß seinem Volk, sondern auch den fremden Völkern als ein gewaltiger Herrscher, dem sie sich bereitwillig unterordneten. So bildete A. einen gewaltigen Völkerbund, dem die Ostgoten, Gepiden, Thüringer, Heruler, Turvilinger, Rugier, Chasaren u. a. angehörten. Seine Residenz lag in Oberungarn unweit Tokay. Am meisten bedrohte A. zunächst Ostrom. Er erzwang vom Kaiser Theodosius II. die Erhöhung des Tributs von 350 auf 700 Pfd. Gold, brachte denselben durch Drohungen schließlich auf das Zehnfache und unterwarf das jenseitige Ufer der untern Donau. Er verwüstete Mösien, Thrakien, Illyricum und dehnte seine Streifzüge bis in die Nähe von Konstantinopel aus. Ostrom erkaufte 447 den Frieden um 2100 Pfd. Gold jährlichen Tribut, zahlte rückständige 6000 Pfd. und räumte das Süddonauland den Hunnen ein. Zwar wurde nach des Theodosius Tode durch die Kaiserin Pulcheria und ihren Gemahl Marcian der Tribut verweigert, aber A. sah sich eben durch die Zurückweisung seiner Werbung um Honoria, die Schwester des weströmischen Kaisers Valentinian III., und durch das Bündnis Westroms mit dem Westgotenkönig Theoderich I. veranlaßt, sich nach Westen zu wenden (450). Mit 500,000 Kriegern durchzog A. unter Mord und Brand Deutschland bis zum Rhein. Bei der Mündung des Neckar setzte er über den Rhein, zerstörte eine Reihe von Städten, wie Trier, Metz, Arras u. a., und bedrohte Orléans, als Aëtius, der Feldherr des Kaisers Valentinian, und der Westgotenkönig Theoderich der Stadt zu Hilfe kamen, worauf A. die Belagerung aufhob und in der weiten Katalaunischen Ebene bei Troyes Stellung nahm. Hier standen (im Herbst 451) die Krieger von der Wolga bis zum Atlantischen Ozean einander gegenüber, und hier kam es zu der riesigen und mörderischen Völkerschlacht. Das Vordringen der Hunnen wurde durch [32] Theoderich und nach dessen Fall durch seinen Sohn Thorismund aufgehalten, worauf A. sich in seine Wagenburg zurückzog, wo Aëtius ihn nicht weiter angriff. Über 200,000 Krieger waren auf beiden Seiten gefallen, und die Sage ließ die Erschlagenen noch in den Lüften fortkämpfen. Attilas Kraft war aber durch diesen Kampf so geschwächt, daß er nicht weiter vordrang, sondern nach dem Rhein und Deutschland zurückkehrte. Aber schon 452 unternahm er eine neue Kriegsfahrt, über die unbewachten Ostalpen drang er in Italien ein. Nachdem er Aquileja zerstört hatte, fielen Altinum, Concordia, Padua, Mailand und viele andre Städte, und bereits schienen Rom und ganz Italien dem Feind preisgegeben, als A. plötzlich in seinem Siegeslauf innehielt und sich zu Unterhandlungen bereit finden ließ; im Namen des Kaisers erkaufte Papst Leo I. um hohe Geldsummen den Frieden, der A. wegen Seuchen und Mangels in seinem Heer erwünscht war. A. starb 453 bald nach seiner Rückkehr nach Pannonien, nachdem er seine Hochzeit mit der Burgunderin Ildeco gefeiert, in der Nacht darauf, entweder am Schlag oder von der Hand der Ildeco, welche dadurch den Untergang ihres von A. vernichteten Volks rächte. Mit Attilas Tod erlosch die Macht des hunnischen Weltreichs; gegen seinen Sohn Ellak erkämpften die germanischen und skythischen Völker ihre Selbständigkeit durch eine Schlacht am Fluß Netad in Pannonien (s. Hunnen). Vgl. Gibbon, Leben des A. (deutsch, Lüneb. 1797); Klemm, A., nach Geschichte, Sage und Legende (Leipz. 1827); Thierry, A. und seine Nachfolger (deutsch, das. 1874).