Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Aspern“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 946947
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Aspern. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 946–947. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Aspern (Version vom 04.11.2021)

[946] Aspern, niederösterreich. Dorf, Wien gegenüber, auf dem linken Donauufer, dicht an einem schmalen Arm der Donau gelegen, während das Dorf Eßling etwa 1200 Schritt vom Fluß entfernt ist. Beide Dörfer sind nur ½ Stunde voneinander entfernt: östlich und nördlich von diesen breitet sich das Marchfeld aus, das im W. vom Bisamberg begrenzt wird. Bei diesem stand seit 16. Mai 1809 die Armee des Erzherzogs Karl, welcher nach den unglücklichen Kämpfen bei Regensburg sich auf dem Umweg über Böhmen wieder nach der Donau zurückgezogen hatte, entschlossen, den strategisch wichtigen Punkt, wo sich die Straßen nach Böhmen, Mähren und Ungarn vereinigen, gegen Napoleon zu verteidigen. Die Franzosen waren 13. Mai in Wien eingerückt und standen, etwa 90,000 Mann stark, auf dem rechten Ufer der Donau, welche sie zu überschreiten entschlossen waren. Zum Übergangspunkt wählte Napoleon diejenige Stelle, wo, etwa eine Meile unterhalb Wien, die Insel Lobau von zwei Armen der Donau, deren nördlicher der schmälere ist, umschlossen wird. Am Mittag des 20. Mai begannen die Franzosen den Übergang über den nördlichen Flußarm und besetzten die Dörfer A. und Eßling; sie hatten bis zum Nachmittag des 21. etwa 30,000 Mann auf das linke Donauufer geschafft und zwar so, daß Masséna bei A., Lannes bei Eßling und zwischen beiden die Reiterei unter Napoleon selbst standen, als Erzherzog Karl mit seiner ganzen Armee (75,000 Mann) zum Angriff auf die Franzosen schritt, um sie über die Donau zurückzuwerfen, die Brücken zu zerstören und die Ufer des Flusses mit zahlreicher Artillerie zu besetzen. Erst nach stundenlangem Kampf in den Straßen und in den Häusern, und nachdem der französische Reiterangriff an der Kaltblütigkeit der österreichischen Infanterie gescheitert war, gelang es dem Erzherzog Karl, die Franzosen aus A. hinauszudrängen; alle Versuche derselben, das Dorf wieder zu nehmen, mißlangen. Dagegen scheiterten die Angriffe der Österreicher auf Eßling, in dessen Besitz die Franzosen blieben. In der Nacht ließ Napoleon, nachdem die von den Österreichern zerstörte Hauptbrücke wiederhergestellt war, den größten Teil seines Heers auf das linke Donauufer [947] übersetzen und begann am Morgen des 22. Mai von neuem den Kampf. Er hatte zum mindesten 60,000 Mann, Erzherzog Karl, nach Abzug seiner Verluste, jedenfalls nicht mehr. Es handelte sich wieder um den Besitz der beiden Dörfer; die Österreicher suchten Eßling, die Franzosen A. zu erobern. Napoleon führte, während sein rechter Flügel Eßling verteidigte, sein linker in A. eindrang, seinen Hauptstoß im Zentrum. Die gewaltigen Angriffskolonnen des Marschalls Lannes drangen hier vor und drohten das österreichische Zentrum zu durchbrechen. Der Erzherzog stellte sich, die Fahne in der Hand, selbst an

Kärtchen zur Schlacht bei Aspern (21. Mai 1809).

die Spitze der wankenden Bataillone, ließ die Grenadiere aus ihrer Reservestellung vorrücken, und nun wurden die Franzosen zurückgedrängt. Eßling zu erobern, gelang aber auch jetzt nicht; hier hielten sich die Franzosen mit der größten Hartnäckigkeit; doch wurden sie aus A. wieder hinausgetrieben und ihr Zentrum einem heftigen Artilleriefeuer ausgesetzt, welches auch dem Marschall Lannes das Leben kostete. Napoleon konnte sich auf dem linken Donauufer nicht mehr halten und ließ den Rückzug nach der Insel Lobau in der Nacht durch Masséna anordnen, der ihn mit größter Kaltblütigkeit und Ausdauer so leitete, daß dem Feind wenige Trophäen zurückgelassen wurden. Die Verluste der Österreicher betrugen 24,000, die der Franzosen gegen 30,000 Mann. Nach seinem Bülletin wollte Napoleon den Feind völlig zurückgeschlagen, die Schlacht mitten im Sieg freiwillig abgebrochen und erst am 23. den Rückzug befohlen haben. Aber die Wahrheit drang doch durch und rief in Paris unruhige Bewegung, in Tirol und Norddeutschland neue Hoffnungen und den Glauben an Preußens Beitritt hervor. Den Sieg auszunutzen, rasch an das rechte Ufer überzugehen und die erschöpften Franzosen, bevor sie Verstärkungen erhielten, zu vernichten, wagte Erzherzog Karl bei der Erschöpfung der Truppen und dem Mangel an Munition nicht. Er blieb im Marchfeld stehen und begnügte sich mit dem Ruhm, den Nimbus der Unüberwindlichkeit Napoleons gewaltig erschüttert zu haben.