Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Asklepios“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 942943
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Asklepios. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 942–943. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Asklepios (Version vom 02.11.2021)

[942] Asklepios (lat. Äsculapius), bei den alten Griechen der Gott der Heilkunde, Sohn des Apollon und der Koronis, der Tochter des Lapithen Phlegyas, zu Lakeria oder Trikka in Thessalien, nach andern zu Epidauros in Argolis oder in Messenien geboren. Als über den Geburtsort des Gottes Streit entstand, entschied das Orakel für die Epidaurier, aber für die Mutterschaft der Thessalierin Koronis. Apollon rettete das Kind in der Stunde seiner Geburt und brachte es zum Centauren Cheiron, welcher es auferzog und besonders in der Heilkunde unterrichtete. Nach Apollodor soll A. von Athene das aus den Adern der Gorgo geflossene Blut erhalten und teils zum Verderben, teils zum Wiedererwecken der Menschen, z. B. des Hippolytos, Kapaneus, Tyndareos, Hymenäos, Glaukos, angewendet haben. Hyginos dagegen hat eine Erzählung von einer Schlange, welche A. ein wiederbelebendes Kraut kennen lehrte. Da aber Zeus fürchtete, die Menschen möchten durch A. dem Tod entzogen werden, erschlug er ihn mit dem Blitz. Homer gedenkt an einigen Stellen des A. als eines trefflichen Arztes, dessen Söhne Machaon und Podaleirios die Ärzte des griechischen Heers sind. Daher haben einige den A. für eine geschichtliche Person halten wollen, wogegen andre seinem Dienst einen phönikischen oder einen kolchischen Ursprung geben. Neben ihm erscheint oft die Göttin der Gesundheit, Hygieia. Der Heilgott hatte berühmte Tempel (Asklepieia), so zu Epidauros in Argolis, auf der Insel Kos, zu Pergamon in Kleinasien, zu Sikyon, Messene, Athen, Knidos, Smyrna, auf der Tiberinsel zu Rom (jetzt San Bartolommeo) etc. Diese Tempel standen in hohem Ansehen und waren, als mit Heilanstalten verbunden, gewöhnlich in heiligen Hainen, in der Nähe von Heilquellen oder auf hohen Bergen errichtet. Den Priesterdienst in denselben versah zunächst das Geschlecht der Asklepiaden (s. d.). Nicht selten wurden in den Tempeln auch Schlangen gehalten, wie ja die Schlange als stehendes Symbol des Gottes erscheint, was an die altorientalische Bedeutung der Schlange als des Symbols der Verjüngung erinnert. Da der Gott besonders auch im Traum Heilung wirken sollte, so fanden in seinen Tempeln die sogen. Inkubationen (Traumorakel) statt, wobei, während die Kranken schliefen, A. oder eine andre Gottheit erschien und das Heilmittel nannte. Die Geheilten verließen aber den Tempel nicht, ohne dem Gott ein Opfer (namentlich einen Hahn) dargebracht und im Tempel eine Votivtafel aufgehängt zu haben mit Angabe des Übels und des Heilmittels. Eine große Zahl derselben haben die neuesten Ausgrabungen des Tempels zu Epidauros zu Tage gefördert. Unter den Festen des A. war das berühmteste zu Epidauros, wobei Wettkämpfe und feierliche Umzüge stattfanden (s. Asklepieen). In Rom fand der Dienst des A. oder Äsculapius 291 v. Chr. Eingang, als eine Pest in der Stadt wütete. Der Gott

Asklepios (Paris, Louvre).

wurde damals auf Befehl der Sibyllinischen Bücher in Gestalt einer Schlange von Epidauros geholt und erhielt den oben erwähnten Tempel auf der Tiberinsel. Auch in Antium war ein berühmter Tempel desselben. Der Kultus des A. war einer der letzten, welche sich dem Christentum gegenüber hielten. – A. gehört zu den von der alten Kunst am häufigsten dargestellten Gottheiten. Hochberühmt waren die Goldelfenbeinbilder des Kalamis, Alkamenes, Kolotes und Thrasymedes, die Marmorstatue des Skopas, die Erzstatue des Phyromachos. Der gewöhnliche Idealtypus zeigt den Gott bärtig, im Gesichtsausdruck ähnlich dem Zeus, nur milder und jugendlicher; die unbärtige Auffassung (Kalamis, Skopas) ist seltener. Die erhaltenen Statuen zeigen ihn meist stehend, im langen, die Brust frei lassenden Mantel, gestützt auf einen [943] keulenartigen, von der Schlange umwundenen Stab, häufig auch gruppiert mit Hygieia. Votivreliefs, die beide vereint mit Machaon, Podaleirios etc. darstellen, sind in Menge im Bezirk des Asklepiosheiligtums zu Athen gefunden worden. Vielleicht den schönsten Kopf (auch als Zeus erklärt), aus Melos stammend, enthält das Britische Museum, eine großartig angelegte Statue das Louvre in Paris (s. Abbildung).