Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Aramäische Sprachen“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 739
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Aramäische Sprachen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 739. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Aram%C3%A4ische_Sprachen (Version vom 06.01.2023)

[739] Aramäische Sprachen, ein Zweig der semitischen Sprachfamilie, der nebst dem Hebräisch-Phönikischen und dem Assyrisch-Babylonischen die nördliche Gruppe derselben bildete. Gewöhnlich unterscheidet man zwischen Ostaramäisch oder Chaldäisch und Westaramäisch oder Syrisch, wobei ersteres die von den Hebräern seit der babylonischen Gefangenschaft anstatt des Hebräischen gesprochene, aus Chaldäa mitgebrachte Sprache ist, welche zur Zeit der Makkabäer zur Schriftsprache erhoben wurde und auch nach der Zerstörung Jerusalems bis ins 10. Jahrh. die Schriftsprache der Juden blieb, während man unter Syrisch die Sprache der christlichen Syrer versteht, die, zuerst in palmyrenischen Inschriften im 1. Jahrh. n. Chr. auftretend, die Sprache der sehr bedeutenden christlichen Litteratur der Syrer wurde, aber seit dem Eindringen des Islam in Syrien immer mehr vor dem Arabischen zurücktrat und jetzt nahezu erloschen ist. Außerdem wird auch der eigentümliche alte Dialekt der Mandäer oder Sabier, einer am untern Euphrat und Tigris wohnenden Religionssekte, wie er in den aus dem 4.–5. Jahrh. stammenden Religionsschriften derselben vorliegt, zum Aramäischen gerechnet; dem Mandäischen wird auch das nicht mehr erhaltene Nabatäische beigezählt. Die Entdeckung der Keilinschriften und andre neuere Forschungen haben es indessen wahrscheinlich gemacht, daß das Aramäische ursprünglich die Sprache der semitischen Bergvölker war, sich später von Karchemisch (jetzt Dscherablus) am untern Euphrat aus als Handelssprache über ganz Vorderasien verbreitete und schon vom 8. Jahrh. ab sowohl in Chaldäa als in Syrien die herrschende Sprache war. Später muß es sich auch über ganz Persien verbreitet haben, wodurch das Pehlewi oder Mittelpersische seinen starken Prozentsatz aramäischer Bestandteile erhielt. Chaldäisch und Syrisch sind hiernach von Haus aus identisch. Während jedoch die verschiedenen Formen des Aramäischen (einer derselben, der damaligen Landessprache Palästinas, bedienten sich auch Jesus Christus und seine Jünger) nur wenig untereinander differieren, weichen sie von den übrigen semitischen Sprachen sowohl in den Lautverhältnissen als in ihrem grammatischen Bau sehr bedeutend ab. Eine Grammatik des Biblisch-Aramäischen schrieb Kautzsch (Leipz. 1884). Vgl. Chaldäische Sprache und Syrische Sprache.