Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Apis“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 680681
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Apis. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 680–681. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Apis (Version vom 12.09.2022)

[680] Apis, Biene.

Apis, der von den Ägyptern verehrte Stier (hap), angeblich von einer jungfräulichen, durch einen Lichtstrahl befruchteten Kuh geboren. Er war nach den griechischen Angaben schwarz, hatte auf der Stirn ein weißes Dreieck, auf dem Rücken das Abbild eines Adlers, am Schweif zweierlei Haare, unter der Zunge einen käferartigen Knoten (scarabaeus) und an der rechten Seite einen weißen Fleck, ähnlich dem Mond, wenn er zu wachsen anfängt. Die ägyptischen Darstellungen zeigen in der That auf der Stirn ein Dreieck, an der Seite schwarze Flecke und auf der Brust manchmal einen Halbmond; auf dem Kopf tragen seine Bildnisse den Diskos mit der Uräusschlange. Sobald ein A. starb, sah man sich nach einem neuen um. War er gefunden, so wurde ihm am Ort seiner Geburt ein nach Osten gelegenes Haus errichtet, in welchem er vier Monate lang mit Milch genährt ward. Mit dem Neumond erfolgte seine Abführung nach Nikopolis; von hier gelangte er nach 40 Tagen auf einer geweihten Gondel in einem vergoldeten Zimmer nach Memphis, wo ihm beim Heiligtum des Phtha eine Wohnung mit zwei kostbaren Gemächern erbaut wurde. Das Tier genoß hier sorgfältigster Pflege, ruhte auf Teppichen, hatte einen Hof zu seiner Bewegung, einen Harem von ausgesuchten Kühen und eine Quelle, aus der allein ihm Wasser gereicht werden durfte. Jeder Mann konnte den A. in seiner Wohnung zu Memphis sehen. Beweise seiner Gottheit gab er durch Orakel, die von dem Wechsel seiner beiden Gemächer sowie von der Annahme oder Nichtannahme von Speise aus der Hand des Fragenden ausgingen. Eine besondere Art derselben waren die durch Kinder bei Aufzügen oder auf ihrem Spielplatz vor dem Tempel des A. gegebenen. Wer den A. befragte, betete vor ihm, hielt sich dann die Ohren zu und begab sich auf den Spielplatz der Kinder. Das erste, was er hier hörte, war der Spruch des A. Bei festlicher Versammlung wurden ihm Opfer dargebracht und zwar nur Tiere seines Geschlechts, besonders durchaus rote Ochsen, deren Reinheit vorher streng geprüft war. Die größte ihm veranstaltete Feier war sein Geburtsfest (beim Steigen des Nils): bei Memphis wurde eine goldene und eine silberne Schale in den Nil gesenkt, der A. mit großer Begleitung umhergeführt, und sieben Tage lang wechselten Aufzüge mit Opfern und Tänzen. Nach 25 Jahren ward er um die Zeit seines Geburtsfestes getötet und in einen heiligen Brunnen gesenkt, der keinem [681] Uneingeweihten verraten werden durfte. Starb das Tier früher, so ward es einbalsamiert, in einen kostbaren Sarg verschlossen und öffentlich im Tempel des Serapis auf dem memphitischen Totenfeld beigesetzt; 24 solcher Särge aus Granit oder Kalkstein sind noch erhalten. Auf dem Totenfeld bei Sakkâra, südlich von Kairo, hat Mariette die Gräber von 65 Apisstieren entdeckt, das ägyptische Serapeum (vgl. „Bulletin archéologique de l’Athénaeum français“ 1856, Nr. 5 bis 7; Mariette, Le Sérapéum de Memphis, Par. 1882). Allgemeine Trauer herrschte, bis der neue Gott gefunden war. Die dem A. heilige Zeit waren die zwischen dem Sommersolstitium und dem Aufgang des Hundsgestirns liegenden 29 Tage, wo der Nil stieg. Die 25jährige Lebensdauer des A. soll die 25jährige astronomische Periode bezeichnen, an deren Ende Sonne und Mond wieder denselben Stand gegeneinander hatten. Den Persern war der Apisdienst ein Greuel; Griechen und Römer dagegen vermochten sich auch mit diesem Kultus zu befreunden. Übrigens wurde nach dem ausdrücklichen Zeugnis der Alten in A. eigentlich Osiris (s. d.) verehrt, dessen Seele in dem Stier wohnen und nach dem Tode desselben in den Nachfolger übergehen sollte; daher auch der Name Osorapi, d. h. Osiris-Apis (s. Serapis).