MKL1888:Anteil- und Gewährverwaltung

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Anteil- und Gewährverwaltung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 18 (Supplement, 1891), Seite 2526
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Anteil- und Gewährverwaltung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 18, Seite 25–26. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Anteil-_und_Gew%C3%A4hrverwaltung (Version vom 17.03.2023)

[25] Anteil- und Gewährverwaltung, Übergangsform von der Verwaltung zur Verpachtung, welche dem Besitzer einen durchschnittlichen Normalertrag von seinem Besitz sichert und dem Verwalter durch dessen Beteiligung am Unternehmergewinn die Eigenschaft eines selbständigen Betriebsleiters verleiht. Von der Reinertragstantième unterscheidet sich die A. u. G. dadurch, daß jene nur eine Entlohnungsform ist, welche die Freiheit der Wirtschaftsführung in keiner Weise berührt, von der Verpachtung dadurch, daß der Gutsbesitzer erheblichern Einfluß auf sein Grundeigentum behält, während der Beamte ohne größeres eignes Betriebskapital zum landwirtschaftlichen Unternehmer wird. Beide sind Verwaltungsformen, deren Ausbildung zur Zeit noch in der Entwickelung begriffen ist, und welche je nach den örtlichen Umständen mannigfaltige Abänderungen zulassen, so zwar, daß sich dieselben entweder mehr der Verwaltung oder mehr der Verpachtung nähern. Bei der Anteilverwaltung wird dem Anteilverwalter das Gutsobjekt mit Inbegriff des toten und lebenden Inventars mit der Verpflichtung überlassen, den durchschnittlichen Normalreinertrag als Zins für das Grund- und Betriebskapital (entsprechend dem festgesetzten Pachtschilling bei der Verpachtung mit Überlieferungen) an den Gutsbesitzer abzuführen. Für seine Thätigkeit erhält der Anteilverwalter neben einem mäßigen fixen Gehalt von dem Mehrertrag, welcher dem über die Kapitalsverzinsung hinausgehenden [26] Unternehmergewinn entspricht, die Hälfte oder auch z. B. von den ersten 10,000 Mk. über den Normalertrag 50 Proz. und für weitere Mehrerträge nur 25 Proz. ausbezahlt, während der Rest zur Schaffung eines Reservefonds Verwendung findet, welcher zur Begleichung von Mindererträgen in Anspruch genommen wird, indem der Anteilverwalter dem Normalertrag gegenüber keine Garantie übernimmt und aus dieser Ursache auch für einen etwanigen Unternehmerverlust nicht aufzukommen hat. Wenn der Reservefonds den Wert des halben oder ganzen Jahresnormalertrags erreicht hat, so tritt derselbe an Stelle der Kaution zur Sicherstellung des Normalreinertrags bei der Gewährverwaltung, womit der Übergang zu dieser gegeben ist.

Bei der Gewährverwaltung garantiert der Gewährverwalter dem Gutsherrn mit Kaution den Eingang des Normalreinertrages oder die durchschnittliche Verzinsung des Grund- und Betriebskapitals, welches auch hier, wie bei der Anteilverwaltung, von dem Gutsbesitzer beschafft wird. Der Unternehmergewinn fällt dann (neben einer baren Besoldung für die Verwaltung des Kapitals oder auch ohne diese) ganz oder bei ungenügender Kaution zur Deckung gegen das damit verbundene größere Risiko zu 75 Proz. oder weniger dem Gewährverwalter zu, welcher dagegen für jeden Unternehmerverlust aus der Kaution oder aus eignem Vermögen Ersatz zu bieten hat.

Bei der A. u. G. stellt somit der Besitzer das Grund- und Betriebskapital; die eventuelle Kaution hat nur den Zweck, den Normalertrag, nicht aber das Gutsobjekt sicherzustellen, weshalb denn auch dem Besitzer oder dessen Vertreter die Kassa und Buchführung auf Grund von Anweisung der Empfänge und Ausgaben von seiten des Anteil- und Gewährverwalters sowie die Kontrolle über alle Naturalvorräte und die Werterhaltung der Gutssubstanz zusteht, zum Unterschied von der Verpachtung, bei welcher die Kontrolle sich nur auf die Einhaltung der Bedingungen des Pachtkontrakts erstreckt. Der Anteil- und Gewährverwalter erhält dagegen vollständige Freiheit, solche Betriebsorganisationen einzuführen, welche ihm zur Erreichung der höchsten Rente am passendsten dünken, die Konjunkturen im Kauf und Verkauf ohne Einholung einer gutsherrlichen Genehmigung ausnutzen zu können, und das Recht, das erforderliche Hilfspersonal nach eignem Ermessen aufnehmen und entlassen zu können. Am Schluß des Rechnungsjahrs wird nach der Eingangs- und Ausgangsinventur, der Abschreibung der vereinbarten Amortisationen und der Rechnungsgebarung der bilanzmäßige Erfolg oder Verlust des abgelaufenen Wirtschaftsjahrs ermittelt und auf Grund deren der Anteil des Verwalters am Unternehmergewinn oder der von diesem zu leistende Ersatz berechnet. Dem kapitalschwachen Landwirt wird mit der A. u. G. die Möglichkeit geboten, eine Unternehmung auf eigne Rechnung und Gefahr zu übernehmen, während für den Gutsherrn gegenüber der Verpachtung die Möglichkeit gegeben ist, an der Steigerung des Reinertrags teilzunehmen und dabei über sein Eigentum mehr Herr zu bleiben. Nachteile sind die Schwierigkeit der Aufstellung eines zutreffenden Normalertragsanschlags und der Umstand, daß die Wirkung von Unterbilanzen, besonders am Beginn einer A. u. G., in allen Konsequenzen an der Hand thatsächlicher Verhältnisse noch nicht genügend geklärt und erprobt worden ist. Vgl. Krafft, Die Betriebslehre (5. Aufl., Berl. 1891); Hecke, Die landwirtschaftlichen Erträge und die Tantièmen (Wien 1890); Diebl, Die zeitgemäße Gestaltung der Gutswirtschaft und des Beamtenstandes (Brünn 1884).