Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Angōra“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 579
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Angōra. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 579. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ang%C5%8Dra (Version vom 14.04.2021)

[579] Angōra (Engürieh), Hauptstadt des gleichnamigen türk. Wilajets im innern Kleinasien, am Engürisu, einem Zufluß des Sakaria, und am Fuß eines steilen Felskegels, auf dem stufenförmig die mit dreifacher Verteidigungslinie umgebene Citadelle liegt. Die Stadt selbst ist von einer fast ganz aus alten Bautrümmern zusammengesetzten Mauer umgeben, hat meist enge und unregelmäßige Straßen, über 80 große Moscheen und 17–18 Chane, erinnert aber in ihrem sozialen Treiben, ähnlich wie Smyrna, an den europäischen Westen. Die Zahl der Bewohner wird auf 40–45,000 angegeben (25,000 Türken, 12,000 katholische Armenier, 3000 Griechen und 500 Juden). Der Handel befindet sich ganz in den Händen der Armenier und bringt besonders Kämelwolle (von den Angoraziegen) und feine Kamelotts (Gewebe daraus), Gelbbeeren (Rhamnus tinctorius), die in der Umgegend massenhaft angebaut werden, Krapp, Mastix etc. zur Ausfuhr. – A. ist das alte Ankyra, eine der blühendsten vorderasiatischen Städte des Altertums, die Hauptstadt der galatischen Tektosagen, die später von Augustus zur Hauptstadt von Galatien erhoben und als Mittelpunkt der großen Heerstraße von Byzantium nach Syrien der Hauptstapelplatz des Karawanenhandels ward. Aus Dankbarkeit erbauten die Bewohner dem römischen Kaiser und der Dea Roma einen herrlichen Tempel (das in seinen Trümmern noch vorhandene Augusteum), auf dessen Unterbau die von Augustus selbst verfaßte Übersicht seiner Thaten eingegraben war. Von diesem sogen. Monumentum oder Marmor Ancyranum sind seit 1553 bedeutende Fragmente abgeschrieben und von verschiedenen Gelehrten (am besten von Mommsen in „Res gestae divi Augusti“, 2. Aufl., Berl. 1883) erklärt worden. Einen Gesamtabklatsch nach Wegreißung mehrerer die Inschrift zum Teil verdeckender Häuser nahm 1882 im Auftrag der Berliner Akademie K. Humann. Nach der Einführung des Christentums war A. der Sitz eines Metropoliten und als solcher der Versammlungsort zweier Konzile (315 und 358). Im J. 621 wurde A. von den Arabern erobert, kam dann wieder in die Gewalt der byzantinischen Kaiser und ward endlich 1360 von Murad I. dem Türkenreich einverleibt. In der Nähe fand 20. Juli 1402 der große Sieg Timurs über die Türken unter Bajesid I. statt, wodurch letzterer Thron und Freiheit verlor.