Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Anerkennung“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 562
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Anerkennung. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 562. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Anerkennung (Version vom 01.11.2021)

[562] Anerkennung (Anerkenntnis), die bejahende Erklärung über die Wirklichkeit, Wahrheit und Identität einer Person oder Sache oder eines Verhältnisses, vorzüglich insofern die eigne Mitwirkung dabei in Frage gestellt ist; z. B. A. eines Kindes, einer Urkunde, Unterschrift etc., besonders auch das Zugeständnis eines fremden Rechts oder faktischen Zustandes. Im Privatrecht versteht man namentlich darunter die A. eines Anspruchs, also ein Schuldbekenntnis, und man spricht von einem besondern Anerkennungsvertrag, wenn die A. dem Gegner gegenüber zu dem Zweck erfolgt, damit dieser dieselbe dem Anerkennenden gegenüber geltend machen und gebrauchen könne. So wird z. B. die Abrechnung und die A. der dabei sich herausstellenden Schuld in der modernen Gerichtspraxis vielfach als ein Verpflichtungs- und Klagegrund behandelt. Die A. eines Rechtsverhältnisses kann auch zum Gegenstand einer rechtlichen Klage und eines Rechtsstreites gemacht werden. Die deutsche Zivilprozeßordnung statuiert dies ausdrücklich, indem sie (§ 231) bestimmt, daß auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf A. einer Urkunde oder auf Feststellung der Unechtheit derselben Klage erhoben werden kann, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. (Vgl. Bähr, Die A. als Verpflichtungsgrund, 2. Aufl., Götting. 1867.) Im Völkerrecht ist die A. namentlich dann von Wichtigkeit, wenn es sich um ein bestrittenes Recht einer Nation, einer Schuldforderung u. dgl. handelt, weil hier im Streit bei dem Mangel eines entscheidenden richterlichen Urteils und völliger Klarheit des bestimmten Rechts die Motive der Ehre und die öffentlichen Interessen und Rücksichten nie so sehr vor erfolgter A. für die Erfüllung der Verbindlichkeit wirken, als nachdem diese ausgesprochen ist. Von noch höherer Bedeutung aber erscheint die A. dann, wenn es sich entweder um die völkerrechtliche Existenz oder Souveränität des Staats überhaupt oder um die völkerrechtliche Geltung seiner Verfassung und Regierung handelt. Die A. ist hier allerdings weder Grund noch Bedingung der Souveränität des anerkannten Staats, denn der Staat soll bereits als eine souveräne Persönlichkeit dastehen, bevor er auf A. Anspruch macht. Der positive Inhalt der A. besteht vielmehr darin, daß man den anzuerkennenden Staat als eine konstituierte völkerrechtliche Persönlichkeit betrachtet, und daß man einen völkerrechtlichen Verkehr mit ihm für möglich hält und anknüpft. Große Nationen pflegen, wie wir aus der Geschichte lernen, eine allgemeine A. für ihre Staatsumwälzungen viel leichter zu erlangen als kleinere. Sehr schwierig ist dabei die Frage, wie weit und nach welchen Prinzipien die A. eintreten darf, wenn ein Teil eines Staats sich von demselben losreißt, oder wenn zwei Parteien in einem Land um die Herrschaft kämpfen. Als ein zweckmäßiges Auskunftsmittel wird hier die Entsendung von diplomatischen Agenten ohne gesandtschaftlichen Charakter empfohlen, doch ist in diesen Fällen Vorsicht geboten. S. auch Allianz.