Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Anarchie“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 534
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Anarchie. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 534. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Anarchie (Version vom 19.04.2022)

[534] Anarchie (griech. „Herrschaftslosigkeit“) bezeichnet einen Zustand der menschlichen Gesellschaft, namentlich des Staats, in welchem die zur Herrschaft berechtigte Gewalt entweder ganz aufgehoben, oder in der Ausübung ihrer Machtbefugnisse teilweise oder vollständig gelähmt ist, wie dies z. B. wiederholt in Frankreich der Fall gewesen. Anarchisch, rechtlos, im Zustand der Gesetzes- und Herrschaftslosigkeit befindlich. Anarchist, derjenige, welcher einen anarchistischen Zustand anstrebt, wie dies schon in frühern Zeiten mehrmals, in der neuesten Zeit aber durch die Nihilisten in Rußland, in der Schweiz, ferner in Österreich, Frankreich, Irland und England wie auch in Nordamerika durch Verbindungen bezweckt wird, die sich mitunter selbst den Namen Anarchisten beigelegt haben. Viele Anhänger der Sozialdemokratie, der Internationale, des Kommunismus dürften richtiger als Anarchisten zu bezeichnen sein. Die deutsche Sozialdemokratie, welche das gesamte bürgerliche Leben durch den Staat und durch dessen Zwangsgewalt regeln will, betont jedoch den Gegensatz zwischen Anarchisten und Sozialisten mit großer Schärfe und lehnt den Zusammenhang mit den Anarchisten (Most und Genossen) nachdrücklichst ab. Wiederholte Dynamitattentate der Anarchisten, insbesondere das von Reinsdorf und seinen Mitschuldigen geplante Attentat gelegentlich der Einweihung des Niederwalddenkmals im Oktober 1883, veranlaßten den Erlaß eines Gesetzes für das Deutsche Reich vom 9. Juni 1884 gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen (sogen. Dynamitgesetz).