Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Anīs“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 595
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Anīs. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 595. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:An%C4%ABs (Version vom 15.09.2022)

[595] Anīs (Pimpinella Anisum L.), einjährige Pflanze aus der Familie der Umbelliferen, mit ästigem, 30–50 cm hohem, rundlichem, graugrünem Stengel, herzförmig rundlichen, eingeschnitten gesägten Grundblättern, doppelt dreizähligen Stengelblättern, hüllenlosen, meist zwölfstrahligen, weißblütigen Dolden und breit eiförmigen, grauhaarigen, 3 mm langen Früchten. Einheimisch ist der A. ursprünglich in Syrien und Ägypten, wird aber in Thüringen, Franken, Sachsen, Schwaben, Böhmen und Mähren, außerdem in Polen, Rußland, im südlichen Frankreich, in Spanien, Unteritalien und in der Levante als Feldfrucht gebaut. Der A. von Malta und aus Süditalien (beide unter dem Namen Puglieser) wird wegen seiner Größe besonders zum Verzuckern benutzt; der spanische ist sehr kräftig, der italienische sehr süß und dient daher, wie der französische, zur Likörfabrikation. Der russische ist sehr aromatisch und wird besonders auf Anisöl verarbeitet. Außerdem benutzt man A. als Küchengewürz, zu Backwerk, selten in der Medizin. Er verlangt einen lockern, mäßig trocknen Boden, eine sonnenreiche, geschützte Lage und wird in Kleestoppeln oder nach Hackfrüchten gebaut. Man säet vorteilhaft dreijährigen Samen, weil frische Körner den Verheerungen der Anismotte ausgesetzt sind, deren Eier erst im dritten Jahr absterben. Man säet ihn entweder breitwürfig (12–16 kg auf 1 Hektar) oder in Reihen, entweder für sich allein oder, da A. oft mißrät, mit Möhren vermischt. Den in 3–6 Wochen aufkeimenden Pflänzchen ist Kälte schädlich; später, wenn sich die Blätter ausgebildet haben, schaden ihnen Nachtfröste nicht mehr. Alles Unkraut ist sorgfältig auszujäten, auch muß der Boden sofort nach dem Aufgehen des Samens sowie später gelockert werden. Man erntet, wenn die Stengel anfangen, gelb zu werden, und der Same an den mittlern Strahlen sich bräunt. Man rauft die Stengel gewöhnlich mit der Hand, doch kann man sie auch schneiden. Feinde des A. sind die Maden der Anismotte (Tinea anisella Clebaueri) und die sogen. rote Lohe oder das Rotwerden und Faulen der Körner bei anfangender Reife. Erscheint diese Krankheit, so eile man mit dem Ausraufen, um doch noch etwas zu retten. Der Ertrag pro Hektar ist unter günstigen Umständen 20–28 Ztr. (gewöhnlich aber nur 12–16 Ztr.) Körner und 20–30 Ztr. Stroh. Die Spreu, welche immer noch viele unvollkommene Körner enthält, dient zur Gewinnung des Anisöls (s. d.), das Stroh als Viehfutter, besonders als Häcksel für Pferde, oder zur Feuerung, da es eine starke Flamme gibt.