Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Anănassa“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 533
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Anănassa. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 533. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:An%C4%83nassa (Version vom 06.01.2023)

[533] Anănassa L. (Ananas), Gattung aus der Familie der Bromeliaceen, Gewächse mit starren, an den Rändern dornig gezahnten Blättern und mit einer Scheinfrucht, welche durch Verwachsung der Fruchtknoten mit der Achse des Blütenstands und den Deckblättern entsteht, mit einem Pinienzapfen Ähnlichkeit besitzt und mit einem Blätterschopf gekrönt ist. A. sativa Lindl. (s. Tafel „Nahrungspflanzen III“) wächst im tropischen Amerika wild, ist aber gegenwärtig über alle Tropengegenden verbreitet und wird in Europa in niedrigen, warmen Treibhäusern namentlich in England, bei uns in Planitz bei Zwickau, Görlitz, in Schlesien, Böhmen, Erfurt, Leipzig, Berlin, Bamberg und Nürnberg gezogen. Die Pflanze ist durch die Kultur sehr verändert worden, die Frucht hat an Geschmack und Aroma gewonnen, ist samenlos und erreicht ein Gewicht von 3–4 kg. Man kennt 50–60 Varietäten, doch werden davon nur etwa 10 zur Treiberei benutzt. In Deutschland gilt A. sat. nervosa maxima für die beste. In Westindien bepflanzt man ein Stück Land von 25 Ar mit 1600–2000 Dutzend Setzlingen und gewinnt nach zwei Jahren bei der ersten Ernte etwa 1500, bei der zweiten und dritten 1000 Dutzend Früchte von 1,5–1,75 kg. In Europa kultiviert man die Ananas seit 1830 in Gewächshäusern mit gut heizbaren Beeten und mit Vorrichtungen zur Erzeugung hinreichender Feuchtigkeit der Luft. Zur Vermehrung benutzt man die am Wurzelstock im Spätsommer hervorkommenden Nebentriebe (Kindel), welche von der Mutterpflanze getrennt, in Lohe überwintert und im Frühjahr in Kasten mit lockerer Erde gepflanzt werden. Im Herbst heißen sie Folgerpflanzen; sie werden entwurzelt, in Töpfe gepflanzt, im Gewächshaus überwintert und im Frühjahr abermals in die Kasten gebracht. Im Herbst entwurzelt man sie und bringt sie nun als Fruchtpflanzen auf das geheizte Beet, auf welchem sich bis zum Hochsommer die Früchte entwickeln. Vielfach erzieht man auch schon im zweiten Jahr sehr starke Fruchtpflanzen. Kräftige Düngung, sorgfältige Regelung der Temperatur und Feuchtigkeit sind Hauptbedingungen der Kultur. Bei trockner Luft stellt sich die Ananasschildlaus (Coccus Bromeliae Bé.) ein, welche kaum wieder zu vertreiben ist. Gegenwärtig kommen von außereuropäischen Früchten nach Deutschland und zwar ausschließlich nach Hamburg nur noch bräunliche brasilische, welche aber an Aroma hinter den bei uns gezogenen goldgelben zurückstehen. Die Ananas besitzt einen süß-säuerlichen Geschmack und ein ungemein feines Aroma, welches durch die Kultur wesentlich gewonnen hat. Man genießt sie frisch in Scheiben geschnitten, benutzt sie aber meist zur Bereitung von Ananasbowle und zu Konfitüren. In den Tropen läßt man den Saft gären und gewinnnt daraus Wein und Branntwein. In Westindien gilt sie für nicht akklimatisierte Fremde als gefährlich. Auch bei uns wirkt häufiger Genuß auf Zahnfleisch, Magen und Harnorgane nachteilig. Die Blätter liefern feine, weiße, seidenartige Fasern (Ananasseide, Ananashanf), die zu Gespinsten, Netzen etc. verarbeitet werden. Die erste Ananas kam 1514 nach Spanien an den Hof Ferdinands des Katholischen; die erste Beschreibung und Abbildung der Pflanze gab Hernandez de Oviedo in seiner „Naturgeschichte Indiens“ 1535. Le Cour, ein holländischer Kaufmann, versuchte zuerst 1650 in seinem Garten zu Driehock bei Leiden die Kultur der Ananas und erzielte gute Früchte; der Earl of Portland brachte die Pflanze 1690 nach England, und Sir Mathew Decker gelang 1712 bei Richmond die erfolgreiche Kultur derselben. In Breslau gewann Kaltschmidt 1703 die erste Frucht. Die Pflanze heißt bei den Tupi in Brasilien Anana, Anassa oder Nanas.