MKL1888:Alterweibersommer

Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Alterweibersommer“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 423
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Alterweibersommer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 423. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Alterweibersommer (Version vom 09.03.2022)

[423] Alterweibersommer (fliegender Sommer, Flugsommer, Sommerfäden, Graswebe etc.), das feine, weiße Gewebe kleiner Feldspinnen, welches bisweilen im Frühjahr (Mädchensommer), öfter im Spätherbst Felder und Wiesen überzieht, in der Luft umherfliegt und fadenförmig an erhabenen Gegenständen sich anhängt. Der Volksglaube früherer Jahrhunderte brachte den fliegenden Sommer in Verbindung mit den Göttern. Nach Einführung des Christentums bezog man ihn auf Gott und Maria, weshalb er in Frankreich fils de la Vierge, im südlichen Deutschland Mariengarn, Marienfaden oder Frauensommer, in England Gossamer (Gottes Schleppe) genannt wird. Die fliegenden Fäden werden von jungen und alten Spinnen gesponnen und zwar vornehmlich von Individuen der Gattungen Luchsspinne (Lycosa), Kreuzspinne (Epeira), Krabbenspinne (Thomisus) und Weberspinne (Theridium). Diese Spinnen sind zum Herbst herangewachsen, und ihre Fäden bezeichnen die Wege, welche sie zogen. Da sie aber nur bei gutem Wetter spinnen, so steht die Erscheinung in der That im Zusammenhang mit schönen Herbsttagen. Die Fäden werden zum Teil vom Wind losgerissen und fortgeführt, aber auch von den Spinnen direkt für eine Fahrt durch die Luft erzeugt. Das Tierchen kriecht auf einen erhöhten Punkt, reckt den Hinterleib in die Höhe, schießt einen oder mehrere Fäden aus seinen Spinnwarzen empor und überläßt sich, von diesen getragen, der Luftströmung. Will die Spinne auf den Boden zurückkehren, so klettert sie an dem Faden hinauf und wickelt ihn dabei mit den Füßen zu einem Flöckchen zusammen, welches sich langsam zu Boden senkt.