Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Alëuten“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 316
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Alëuten. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 316. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Al%C3%AButen (Version vom 25.02.2024)

[316] Alëuten (Katharinenarchipel), eine Inselkette, die sich in einem Bogen, dessen Sehne 1600 km lang ist, vom Vorgebirge Alaska in Nordamerika bis nach Kamtschatka im asiatischen Rußland (von 163 bis 195° östl. L. v. Gr.) erstreckt und im N. vom 50° nördl. Br. das Beringsmeer vom Stillen Ozean scheidet, den Kontinent Nordamerikas aber mit Asien brückenartig verbindet. Es sind, die kleinen klippenartigen ungerechnet, 58 Inseln, deren Flächeninhalt 16,585 qkm (302 QM.) beträgt, und die 1880 von 1890 Alëuten, 479 Mischlingen und 80 Weißen bewohnt wurden. Eingeteilt werden die A. in die Fuchsinseln im O., die Andrejanowskiinseln in der Mitte und die Ratten- und Naheinseln im W. Unimak, die größte derselben (3610 qkm), mit dem noch thätigen Vulkan Schischaldin (2729 m), wird von der Alaskahalbinsel durch eine enge Straße geschieden. Westlich von ihr liegt Unalaschka (3090 qkm), die wichtigste der Inseln, mit Lager für Pelzrobben- und Seeotterfellen und 783 Einw. Ihr zunächst liegt die kleine Insel Umnak, deren Vulkan noch 1878 einen Ausbruch hatte. Überhaupt sind sämtliche Inseln vulkanischen Ursprungs und steigen schroff vom Meer zu steilen Bergen an, deren Abhänge nur Saxifragen, Heidekräuter, Rauschbeeren, Moose und Gräser tragen. Von Bäumen kommen nur verkümmerte Weiden und Erlen vor. Der versuchte Anbau von Fichten ist mißlungen. Die Landfauna beschränkt sich auf Vögel, kleine Nagetiere und das gefleckte Murmeltier. Füchse kommen gelegentlich vom Festland herüber. Das Klima ist rauh und feucht (auf Unalaschka: Jahr 3,3° C., März −2,5°, August 11,1°, Extreme −18° und 25° C.; es fallen 1050 mm Regen). – Die Ureinwohner (ebenfalls Alëuten genannt) zerfallen in zwei Stämme, die Atka (im W.) und die Unalaschka (im O.), und gehören zur sogen. hyperboreischen oder arktischen Menschenrasse. Ihr leiblicher Typus gleicht im ganzen dem der Eskimo: Statur mittelgroß, Hautfarbe dunkel gelbbraun, die Augen schwarz und merklich schief geschlitzt, die Backenknochen hervorragend, das Haar schwarz und straff, aber nicht grob. Auf ihren Charakter hat der russische Einfluß umgestaltend eingewirkt. Ehedem lebhaft und tapfer, sind sie jetzt sanft und neigen zur Melancholie. Mit ihrer geistigen Beschränktheit geht ein gewisser Trotz Hand in Hand. Auch Kleidung, Wohnung und Zubereitung der Nahrung sind gegenwärtig den Russen entlehnt, die sie denn auch zum griechischen Glaubensbekenntnis bekehrt haben. Ihrem Apostel Wenjaminow verdankt man die Einführung von Schulen sowie die Abschaffung der Polygamie und andrer Gewohnheiten. Die Hauptbeschäftigung der Alëuten ist die Jagd auf Seetiere, die sie in ihren kleinen, ungemein schnellen Booten (Baidarken) geschickt zu erlegen wissen. Der Zahl nach sind sie seit dem 18. Jahrh. sehr zurückgegangen, ihre materielle Lage scheint sich aber seit Erwerbung der Inseln durch die Vereinigten Staaten gehoben zu haben. Die Sprache der Alëuten ist agglutinierend und erinnert auch dadurch, daß die Wortbildung auf dem Weg der Suffigierung geschieht, an die ural-altaischen Sprachen; aber es fehlt ihr das wichtigste Merkmal dieser Sprachenfamilie, die Vokalharmonie. Grammatisch behandelt wurde sie von Wenjaminow (Petersb. 1846) und Fr. Müller („Grundriß der Sprachwissenschaft“, Wien 1819, 2. Bd.). Vgl. auch Pfizmaier, Die Sprache der Alëuten (Wien 1874). – Die A. wurden 1741 von Bering entdeckt und kamen 1867 mit den übrigen russisch-amerikanischen Besitzungen an die Vereinigten Staaten. S. Tafel „Amerikan. Völker“, Fig. 1.