Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Agrippīna“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 206
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Agrippīna. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 206. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Agripp%C4%ABna (Version vom 11.09.2022)

[206] Agrippīna, 1) A., die ältere, Tochter des M. Vipsanius Agrippa und der Julia, Enkelin des Augustus, Gemahlin des Germanicus, ausgezeichnet durch edlen und hochherzigen Charakter. Sie begleitete ihren Gemahl auf seinen Feldzügen. Als er im Orient, wie man allgemein annahm, durch Gift einen frühen Tod fand, kehrte sie mit der Asche des Gemordeten nach Italien zurück. Der Livia und dem Tiberius verdächtig und wegen ihrer Freimütigkeit lästig sowie von Sejanus verleumdet und verklagt, wurde sie auf die Insel Pandataria verbannt, wo sie 33 n. Chr. den Hungertod starb, nach einigen freiwillig, nach andern auf Tiberius’ Befehl. Auch ihre Söhne Nero und Drusus kamen als Opfer der Arglist Sejans und der Grausamkeit des Tiberius ums Leben, so daß nur einer, der nachmalige Kaiser Gajus Caligula, übrigblieb. Vier treffliche Porträtstatuen von ihr befinden sich im Dresdener Antikenkabinett; die im Museum des Kapitols zu Rom befindliche sitzende Statue der A. (s. Tafel „Römische Bildhauerkunst“, Fig. 12) gehört zu den Meisterwerken der römischen Plastik. Vgl. Burkhard, A. (Augsb. 1846).

2) A., die jüngere, Tochter des Germanicus und der vorigen, wußte es, nachdem sie vorher an Cn. Domitius Ahenobarbus und Crispus Passienus verheiratet gewesen, durch die niedrigsten Künste dahin zu bringen, daß Kaiser Claudius, ihr Oheim, sie zur Gemahlin nahm, und bot nun alles auf, um ihren Sohn erster Ehe, den nachmaligen Kaiser Nero, auf den Thron zu erheben. Als sie hierfür alles vorbereitet, wurde Claudius von ihr vergiftet und Nero als Kaiser ausgerufen. Aber auch mit Nero zerfiel sie bald; dieser, entschlossen, sich der ihn bedrohenden Mutter um jeden Preis zu entledigen, versuchte es zuerst, sie mittels eines dazu eingerichteten Schiffs zu ertränken; als dies aber mißlang, ließ er sie gleich darauf (59 n. Chr.) in ihrem Landhaus ermorden. Ihr Geburtsort Oppidum Ubiorum wurde von A. erweitert und ihr zu Ehren Colonia Agrippinensis oder Agrippina (das heutige Köln) genannt. Vgl. Stahr, A. (2. Aufl., Berl. 1880).