Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Agathŏkles“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 184185
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Agathŏkles. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 184–185. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Agath%C5%8Fkles (Version vom 12.01.2022)

[184] Agathŏkles, Tyrann von Syrakus, geb. 361 v. Chr. zu Thermä in Sizilien, Sohn eines Töpfers, der unter Timoleon nach Syrakus übersiedelte, erlernte zuerst das Handwerk seines Vaters, nahm dann aber Kriegsdienste und erwarb sich die Gunst des Damas, eines vornehmen Syrakusaners, der ihn während eines Kriegs mit Agrigent zum Chiliarchen beförderte. Nach dem Tode des Damas heiratete er dessen Witwe und wurde dadurch Herr eines großen Vermögens, das ihm bei Verfolgung seiner ehrgeizigen Pläne sehr förderlich war. Mehrfache Versuche, die Herrschaft der oligarchischen Partei zu stürzen, mißlangen ihm; er ward zweimal aus Syrakus verbannt, kehrte aber nach dem Sturz der Oligarchie zurück und wurde 317 vom Volk, dessen Vertrauen er erworben, zum Feldherrn und Friedenswächter ernannt. Diese Stellung setzte ihn in den Stand, beträchtliche Scharen verwegener Menschen, vornehmlich Heimatlose und Abenteurer, anzuwerben und sich damit ein ihm blindlings ergebenes Heer zu schaffen. Nachdem er alle Vorbereitungen zu einem Staatsstreich getroffen, ließ er die reichern und angesehenern Bürger zu einer Versammlung berufen und von seinen Banden niedermetzeln. Zwei Tage und Nächte war Syrakus der [185] Schauplatz der blutigsten Greuel. An 4000 Menschen fielen der Wut der Soldaten zum Opfer, eine noch größere Zahl wurde verbannt, die Güter der Getöteten wie der Geächteten wurden verteilt. Nach diesen Blutszenen wurde A. zum unumschränkten Feldherrn von Syrakus ausgerufen. A. gab gute Gesetze, ordnete das Finanzwesen und schuf ein zahlreiches, wohlgeübtes Heer und eine starke Flotte. Die Eroberung fast ganz Siziliens durch A. veranlaßte endlich die Karthager, eine Flotte und ein Heer dahin zu schicken. Die unterjochten Städte verbanden sich mit dem karthagischen Feldherrn Hamilkar, und A. wurde 310 am Himerafluß geschlagen und dann in Syrakus belagert. Um sich aus dieser Bedrängnis zu befreien, durchbrach A. mit 60 Schiffen die den Hafen blockierende Seemacht der Karthager und segelte nach Afrika. Dort schlug er die überraschten Karthager wiederholt, eroberte die meisten ihrer Städte, gewann das Heer des treulos ermordeten Ophellas von Kyrene, der sich ihm angeschlossen hatte, und dachte schon daran, den Königstitel von Afrika anzunehmen, als die Siege der Agrigentiner über Syrakus seine schleunige Rückkehr nötig machten. Er übergab daher den Oberbefehl in Afrika seinem Sohn Archagathos und eilte (307) mit 2000 Mann nach Sizilien. Hier kämpfte er mit Glück gegen die Karthager und ihre sizilischen Bundesgenossen und suchte auch die Ruhe in der Stadt durch Ermordung und Einkerkerung seiner Gegner wiederherzustellen. Dann kehrte er nach Afrika zurück, wo er die Seinen in verzweifelter Lage fand. Das Wagnis einer Schlacht schien ihm das einzige Rettungsmittel. Er erlitt aber eine vollständige Niederlage, und seine Sache in Afrika mit Heer und Söhnen feigherzig preisgebend, entfloh er heimlich nach Sizilien (306). Seine Söhne büßten den Verrat mit dem Leben, das Heer ergab sich an die Karthager. Auf die Nachricht von der Ermordung seiner Söhne wütete er gegen alle Verwandte der Mörder. Solche Greuel und die Kunde von seiner gesunkenen Macht verschafften seinen sizilischen Gegnern, an deren Spitze Deinokrates stand, ansehnlichen Zuwachs. Unter diesen Umständen schloß A. Frieden mit den Karthagern, wodurch er sich Geld und Lebensmittel für seine Truppen verschaffte. Dann wandte er sich gegen Deinokrates und besiegte ihn um so leichter, als ein großer Teil der Soldaten desselben zu A. überging. Deinokrates selbst schloß mit A. einen Vertrag und wurde aus einem Gegner ein Gehilfe des Tyrannen, der durch seine energischen (freilich oft auch überaus grausamen) Maßnahmen die Herrschaft über Syrakus und die andern griechischen Städte auf Sizilien bald fester in der Hand hatte als zuvor, so daß er seit dieser Zeit milder auftreten und sich als ein wohlwollender Herrscher zeigen konnte. Seiner eignen Natur aber fehlte die Ruhe; das Abenteurerleben, das er von Jugend an geführt, gab er auch im Alter nicht auf. Er unternahm Streifzüge und Raubfahrten zu Lande und zur See, brandschatzte die Liparischen Inseln (303), eroberte Kerkyra und gab es als Mitgift seiner mit dem König Pyrrhos von Epirus verlobten Tochter Lanassa. Nicht lange nachher eroberte er Kroton (295) und durchzog plündernd das Land der Bruttier. Aber sein Enkel Archagathos, ein Sohn jenes Archagathos, den A. in Afrika geopfert hatte, neidisch, daß A. seinen Sohn gleichen Namens bevorzuge, tötete diesen Oheim bei einem Gelage und ließ A. durch dessen Lieblingssklaven in einem Zahnstocher ein langsam wirkendes Gift beibringen, das demselben so furchtbare Schmerzen verursachte, daß er sich bei vollem Bewußtsein auf einen Scheiterhaufen bringen und verbrennen ließ (289), nachdem er ein Alter von 72 Jahren erreicht und 28 Jahre regiert hatte. A. besaß alle Eigenschaften eines großen Feldherrn, aber entstellt durch despotische Härte und Grausamkeit. Außer seinem Bruder Antandros schrieben auch seine Zeitgenossen Timäos und Kallias des A. Biographie, jener mit Haß, dieser mit Schmeichelei. Außerdem gibt Diodor von Sizilien seine Geschichte.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 6
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[6] Agathokles, Tyrann von Syrakus. Vgl. R. Schubert, Geschichte des A. (Bresl. 1887).