Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Adjektivum“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 119
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Adjektivum. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 119. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Adjektivum (Version vom 15.02.2023)

[119] Adjektivum (Nomen adjectivum), Eigenschaftswort, Beiwort, wurde von den Grammatikern des Altertums noch nicht wie jetzt als besonderer Redeteil angesehen. Den Ausdruck „Epitheton“, wovon das lateinische „Adjectivum“ und unser Beiwort eine wörtliche Übersetzung ist, hat zuerst Aristoteles gebraucht. Bei den griechischen Grammatikern bildete dann das Epitheton eine der Klassen, in die sie das Nomen oder Substantivum zerlegten. Sie definierten es als ein Beiwort, das entweder Lob oder Tadel oder etwas Indifferentes ausdrücke. In neuester Zeit hat die vergleichende Sprachwissenschaft gezeigt, daß das A. und Substantivum in der That ursprünglich ganz eins sind und in vielen Sprachen der Form nach völlig zusammenfallen; doch haben sich in den indogermanischen Sprachen schon früh auch gewisse formale Verschiedenheiten zwischen Substantivum und A. herausgebildet. Namentlich ist in denselben die Geschlechtsbezeichnung beim Substantivum beschränkter als beim A., die Steigerung (Komparation) ist nur dem letztern eigen, und das A. kann zwar stets zum Substantivum, aber das Substantivum in der Regel nicht ohne weiteres zum A. werden. So kann im Deutschen aus dem A. „frei“ einfach durch Vorsetzung des Artikels das Substantivum „der Freie“ gebildet werden; dagegen muß an das Wort „Geist“, wenn man es in ein A. verwandeln will, die Silbe „ig“ angehängt werden: „geistig“. Auch das Partizipium kann sehr leicht zum A. werden, mit dem es von Anfang an sehr nahe verwandt ist, indem es sogar an der Steigerung teilnimmt (reizender, reizendst). Im Deutschen sowie in den slawolettischen Sprachen hat sich außerdem eine ganz getrennte Flexion für das unbestimmte (starke) und das bestimmte (schwache) A. entwickelt (ein blinder Mann, der blinde Mann; blinde Männer, die blinden Männer etc.). Hiermit hängt es zusammen, daß im Neuhochdeutschen auch ein ganz bestimmter Unterschied zwischen dem attributiven und prädikativen A. besteht, indem ersteres, von vereinzelten altertümlichen Redeweisen (ein Gulden rheinisch, unser Vater selig u. dgl.) abgesehen, stets mit Kasusendungen versehen erscheint (ein blinder Mann, der blinde Mann etc.), letzteres aber derselben immer ermangelt (der Mann ist blind, die Männer sind blind).