Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Adōnis“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 129130
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Adōnis. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 129–130. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Ad%C5%8Dnis (Version vom 29.10.2021)

[129] Adōnis L. (Adonisröschen), Gattung aus der Familie der Ranunkulaceen, ein- oder mehrjährige Kräuter mit beblättertem Stengel, zwei- bis dreifach fiederteiligen Blättern mit linealischen Zipfeln, einzeln gipfelständigen Blüten und gespitzten Schließfrüchten. A. autumnalis L., mit kahlem, von der halbkugelig zusammenschließenden, blutroten, am Grund mit einem schwarzen Fleck gezeichneten Blumenkrone abstehendem Kelch und ungezahnten Früchtchen, A. aestivalis L., mit weniger kahlem, an die abstehenden, mennigroten, an der Basis violettschwärzlich gefleckten oder auch fleckenlosen Blumenblätter angedrücktem Kelch und spitzig gezahnten Früchtchen, und A. vernalis. L., mit zitronengelber Blumenkrone und flaumhaarigen Früchtchen mit hakenförmigem Schnabel, finden sich besonders auf Kalkboden, werden als Zierpflanzen kultiviert. Kraut und Wurzeln enthalten einen scharfen Stoff, und die Wurzel von A. vernalis dient in Rußland als drastisches Purgiermittel.

Adōnis, im griech. Mythus ein Jüngling von sprichwörtlich gewordener Schönheit, Sohn des Kinyras (des Erbauers von Paphos auf dem einst phönikischen Cypern, dem Lieblingssitz der Aphrodite) und dessen eigner Tochter Myrrha. Als der Vater die von Aphrodite über ihn verhängte unnatürliche Verbindung mit der Tochter entdeckt hatte und letztere mit gezücktem Schwert verfolgte, wurde sie in einen Myrrhenbaum verwandelt, aus dessen berstender Rinde A. entsprang. Um die Gunst des lieblichen Knaben buhlte Aphrodite. A. liebte die Freuden der Jagd in Wald und Gebirge; umsonst warnte ihn die Göttin. Ein Eber, von Artemis gesendet, verwundete ihn tödlich. Aphrodite konnte den Geliebten nicht vom Tod erretten, doch erlangte sie von Zeus, daß er jährlich nur sechs Monate im Schattenreich bei Persephone, die ihn nicht minder liebte, die andre Hälfte des Jahrs dagegen bei ihr auf der Oberwelt verweile. Dem A. war ein feierlicher und zeremonienreicher Kultus gewidmet, dessen Ursprung im Orient zu suchen ist, und der, wie der Osirisdienst in Ägypten und die Julfeste unsers germanischen Nordens, den Jubel über die wieder steigende Sonne und wieder erwachende Schöpfung sowie die Klage über beide, wenn sie gleichsam begraben sind, zum Mittelpunkt hat. Am glänzendsten wurden diese Adonisfeste (Adonien) im Orient zu Byblos und besonders zu Alexandria gefeiert, wo nach einem Freudentag das Bild des Gottes in einem prächtigen Katafalk, begleitet von Weibern mit aufgelösten Haaren und in gürtellosen Gewändern, umhergetragen und unter [130] Klagegesängen (Adonidia) ins Meer versenkt ward. Auch in Griechenland wurde an verschiedenen Orten das Fest begangen, z. B. zu Syrakus, von dessen Feier Theokrit in dem 15. seiner Idylle ein sehr lebendiges Gemälde entwirft. Besondere Erwähnung verdienen dabei die Adonisgärten, Gefäße, in welche man vor der Feier Pflanzen säete und durch künstliche Hitze trieb. Das schnelle Wachsen und Verblühen deutete auf den Sinn des Mythus hin, daher im Altertum der Ausdruck „Gärten des A.“ etwas sehr Vergängliches bezeichnen soll. Vgl. Brugsch, Die Adonisklage und das Linoslied (Berl. 1852); Greve, De Adonide (Leipz. 1877).