Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Abtritt“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 6768
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Abtritt. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 67–68. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Abtritt (Version vom 22.01.2023)

[67] Abtritt (Abort, Appartement, Kommoditee, Klosett, Retirade, Privet), der zur Aufnahme der menschlichen Exkremente bestimmte Raum, soll womöglich warm und so gelegen sein, daß man ihn vom Wohn- und Schlafzimmer erreichen kann, ohne das Freie passieren zu müssen. Dieser Forderung ist indes nur dann zu genügen, wenn die ganze Anlage eine derartige ist, daß aus den Exkrementen (s. d.) sich entwickelnde Gase nicht ins Haus gelangen können. Der A. muß jedenfalls geräumig, hell und vollkommen luftig, aber nicht zugig sein. Zur Ableitung des bei der Benutzung des Abtritts sich entwickelnden Geruchs bringt man ein Stankrohr an, welches vom Trichter ausgeht und über dem Dach des Hauses mündet. Das Sitzbrett bestehe aus hartem polierten Holz, die Brille sei mit einer schweren Klappe verschließbar, welche so mit der Abtrittsthür verbunden sein kann, daß sie sich beim Öffnen der letztern von selbst schließt. Mit der Brille wird direkt das Abfallsrohr verbunden, oder man fügt einen Trichter aus emailliertem Gußeisen, Steingut, Porzellan ein, welcher unten mit einer automatisch sich öffnenden und schließenden Klappe oder mit einem ∿-förmig gebogenen Rohr (Siphon) versehen ist, in welchem die Exkremente einen gasdichten Abschluß gegen das Abfallsrohr bilden. Letzteres besteht am besten aus Steingutröhren. Über die Ansammlung der Exkremente in Gruben oder Tonnen s. Exkremente. Die Konstruktion des Abtritts hat erst in neuerer Zeit diejenige Beachtung gefunden, welche sie verdient; man findet indes noch häufig genug Einrichtungen, welche [68] den einfachsten Anforderungen der Hygieine durchaus nicht entsprechen. Weitaus am komfortabelsten und allen Ansprüchen genügend ist das Wasserklosett (water-closet), bei welchem der Trichter mit Siphon versehen ist, der durch reines Wasser aus einer Wasserleitung abgeschlossen wird. Nach jeder Benutzung wird der Trichter durch einströmendes Wasser gespült, und wenn derselbe von Zeit zu Zeit mit einer Bürste abgerieben wird, ist das Klosett vollständig geruchlos. Immerhin muß auch ein A. mit Wasserklosett hell und luftig sein. Vorteilhaft versieht man das Wasserklosett mit einer Vorrichtung, welche beim Öffnen der Thür des Abtritts in Funktion tritt und den Trichter mit einer bestimmten, von der Willkür des Benutzenden unabhängigen Menge Wasser spült. Man schaltet zu diesem Zweck ein Zwischengefäß in die Wasserleitung ein, welches den durchschnittlichen Bedarf zu einmaliger Spülung enthält und bei Öffnung eines Hahns sich schnell entleert, aber um vieles langsamer durch die enge Zuflußöffnung sich wieder füllt, also intermittierend wirkt. Über Moules Erdklosett und das Rochdaler Aschenklosett s. Exkremente. Bischleb und Kleucker in Braunschweig haben Zimmerklosette mit Mechanismus zum automatischen Aufstreuen von Torfpulver konstruiert. Alle diese Einrichtungen erstreben eine Desodorisierung der Exkremente und sind, wenn auf diesen Zweck besonderer Wert gelegt und eine sorgfältige Behandlung gesichert ist, sehr empfehlenswert. Die Schwierigkeiten, welche die Behandlung der Exkremente verursacht, knüpfen sich wesentlich an den Harn, und man hat sich daher vielfach bemüht, durch Separateurs oder Diviseurs verschiedener Konstruktion die festen von den flüssigen Exkrementen im Klosett zu trennen. Hierher gehört das skandinavische Luftklosett, welches bei zweckmäßigen Dimensionen und einigem Reinlichkeitssinn vortrefflich funktioniert. Die Kosten und Unannehmlichkeiten der Abfuhr sind auf ein Minimum reduziert, und wo das Klosett in warmem Raume mit gut ziehendem Schornstein in Verbindung steht und nur von wenigen Personen benutzt wird, kommt es vor, daß die Exkremente vollständig mumifiziert werden. Beim Müller-Schürschen Klosett werden ebenfalls Exkremente und Harn gesondert aufgefangen und erstere automatisch mit einem Desinfektionspulver aus gebranntem Kalk, Holzkohlenpulver und Karbolsäure bestreut. Beim Feuerklosett soll der Kot in einem gemauerten Schlot aufgefangen und von hier aus täglich einmal in eine Koksfeuerung entleert werden, um zu Asche verbrannt zu werden, während der Harn durch die hierbei abgehende Wärme in Blechpfannen verdampft und schließlich ebenfalls verbrannt werden soll. Das Friedrichsche Klosett hält die festen Exkremente in einer Grube zurück und läßt die flüssigen mit den Hauswässern abfließen. Dabei wird eine Desinfektionsmasse aus Kalk, Thonerdehydrat, Eisenhydroxyd und Karbolsäure angewandt, welche zugleich mit dem Wasserleitungswasser aus einem Zentralreservoir in die Klosette gespült wird. Es sind zwei Gruben, eine Hauptklär- und eine Nachklärgrube, erforderlich, aus welchen die desinfizierten Massen wöchentlich abgelassen werden. Auch die Süvernsche Masse benutzt man in ähnlicher Weise bei Klosetten. Vgl. Abwässer.