Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Ablaß“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 45
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Ablaß. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 45. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Abla%C3%9F (Version vom 15.05.2021)

[45] Ablaß (Indulgenz), ursprünglich Nachlaß einer von der Kirche auferlegten Bußleistung. Der A. ist hervorgegangen aus der Bußdisziplin der alten Kirche und bezieht sich auf die zeitlichen, von der Kirche als Genugthuungen verhängten Strafen der Sünde. Als an deren Stelle auch andre gute Werke, Almosen, Fasten, Gebete, Wallfahrten etc., als Genugthuung in Anschlag gebracht wurden, kam es unter dem gemeinsamen Einfluß der germanischen Rechtsgewohnheit der Kompensation des Verbrechens durch Geld (Wergeld) und des kirchlichen Glaubens an die Existenz und Übertragbarkeit überverdienstlicher Leistungen dahin, daß alle Kirchenstrafen durch Geld abgekauft werden konnten. So wurde der A. zum Preiskurant für die Strafen bestimmter Sünden. Besondern Aufschwung nahm das Ablaßwesen durch die Kreuzzüge. Die Teilnahme an ihnen als ein die Kirche besonders förderndes Werk wurde als Ersatz aller Genugthuungen angesehen. Es entwickelte sich die Theorie von der Befugnis des Papstes, einen allgemeinen A. an die Verrichtung eines bestimmten religiösen Werks zu knüpfen. Die aus der Praxis hervorgegangene Gewohnheit wurde dann dogmatisch begründet durch Alexander von Hales (s. d.). Hierarchisches Interesse hatte schon den Papst Innocenz III. 1215 bewogen, den vollkommenen A. (indulgentiae plenariae) dem Papst vorzubehalten. Unter diesen Plenarablässen nimmt seit 1300 die erste Stelle ein der von Bonifacius VIII. eingeführte Jubiläumsablaß, welcher ursprünglich nur alle 100 Jahre wiederkehren sollte, bald aber in jedem vom Papst bestimmten Jubeljahr gespendet wurde. Bekanntlich gab der durch Tezel (s. d.) und andre schamlos geübte Ablaßkram den äußern Anlaß zur Reformation. Den Angriffen der Reformatoren gegenüber belegt das Tridentinum mit dem Anathema jeden, welcher leugnet, daß der Kirche mit der Schlüsselgewalt das Gericht über die Sünden und damit die Gewalt verliehen sei, dieselben zu erlassen. Da die Reinigung im Fegfeuer zu den zeitlichen Strafen der Sünde gerechnet wird, so hat die Kirche, nicht ohne den Widerspruch auch neuerer Kirchenlehrer, ihren A. auch auf das Fegfeuer ausgedehnt. Aber A. ist seither nicht mehr zum Verkauf ausgeboten worden. Dagegen ist der A. hergebracht geblieben für bestimmte kirchliche Handlungen, besonders als Privilegium für bestimmte Orden, Kirchen, Altäre und Festzeiten. Sehr leicht wird es denen, welche Rom besuchen, gemacht, überflüssigen A. zu verdienen. Der A. ist vollkommen oder unvollkommen, auf Zeit oder dauernd. Seine Wirkung ist, wenigstens in der Theorie, auch geknüpft an die Disposition, d. h. die gläubige und bußfertige Gesinnung, in der Praxis vor allem an die Leistung der vorgeschriebenen Werke. Vgl. die Schrift des Jesuiten Maurel: Die Ablässe, ihr Wesen und ihr Gebrauch (deutsch von Schneider, 8. Aufl., Paderb. 1884); Gröne, Der A. (Regensb. 1863).