Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Abd ul Asis“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 2324
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Abd ul Asis. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 23–24. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Abd_ul_Asis (Version vom 11.04.2021)

[23] Abd ul Asis, der 32. Sultan der Osmanen, geb. 9. Febr. 1830, zweiter Sohn Sultan Mahmuds II., erhielt die herkömmliche Haremerziehung und lebte als Erbe der Krone in der traditionellen Zurückgezogenheit. Als er seinem Bruder Abd ul Medschid 25. Juni 1861 auf dem Thron folgte, regten sich große Hoffnungen. Er galt als sparsam und mäßig, zugleich als der europäischen Kultur nicht abgeneigt. Auch zeigte sich A. anfangs vorurteilslos; er erklärte, sich mit Einer Frau begnügen zu wollen, lenkte durch die Bestätigung des Hattischerifs von Gülhane sowie des Hattihumajums vom Jahr 1856 in die Bahn der Reformen ein und setzte seine Zivilliste von 75 auf 12 Mill. Piaster herab. Doch bekundete er bald eine bedenkliche und sehr kostspielige Neigung für das Heerwesen. Die Armee ward verstärkt, neue Kleidung und Bewaffnung eingeführt, und großartige Manöver verschlangen enorme Summen. Alle Reformen aber blieben oberflächlich. Was Armee und Marine von den verschiedenen Anleihen, zu denen man seine Zuflucht nahm, übrigließen, diente vor allem zur luxuriösen Verschönerung der Reichshauptstadt, zu kostspieligen Reisen und Jagdvergnügungen des Herrschers. In der Verwaltung ging alles auf dem alten Fuß fort. Die Verschwendung und Haremswirtschaft wirkten bald ebenso verderblich wie früher. Dabei hatte seine Regierung fortwährend mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen, wie mit dem Aufstand Kretas 1867–69, dem Verlangen Rumäniens und Serbiens nach völliger Selbständigkeit, endlich mit wiederholten Ausbrüchen des mohammedanischen Fanatismus. Dennoch erwartete man von ihm immer noch Reformen nach europäischem Muster, zumal er die jungtürkischen Staatsmänner Fuad und Aali in den höchsten Staatsämtern ließ und 1867 selbst eine Reise nach dem westlichen Europa unternahm. Nach dem Tod jener Minister ernannte er aber 1871 Mahmud Nedim Pascha zum Großwesir und betrieb nun allein noch den Plan, anstatt seines Neffen Murad, den die alte Thronfolgeordnung bestimmte, seinen Sohn Jussuf Izzedin zum Erben des Reichs ernennen zu lassen. Um dies vorzubereiten, hatte er schon 1865 dem Vizekönig von Ägypten das Erstgeburtsrecht zugestanden. Sogar mit Rußland ließ er sich in Verhandlungen über einen Staatsstreich mit russischer Hilfe ein, um die alte [24] Thronfolgeordnung umzustürzen. Während er die Hilfskräfte des Staats vergeudete und sich 1875 vom russischen Botschafter Ignatiew sogar verleiten ließ, den Staatsbankrott zu erklären, lockerte er den Verband der Provinzen und ließ die russischen Agitationen gewähren, die 1875 zu Aufständen in Bosnien, der Herzegowina und Bulgarien führten. Das langmütige Volk geriet endlich über das gewissenlose Verhalten des Sultans und seines Günstlings in solche Erbitterung, daß es 11. Mai 1876 zu einem von den Softas geleiteten Aufstand in Konstantinopel gegen Mahmud Nedim kam. A. entließ denselben, wurde aber, da man an seiner Aufrichtigkeit, ja an seiner geistigen Fähigkeit überhaupt zweifelte, in der Nacht vom 29. zum 30. Mai 1876 von den neuen Würdenträgern Hussein Avni, Midhat, Mehemed Rüschdi, Suleiman u. a. zur Abdankung gezwungen und 4. Juni auf deren Befehl im Palast Tscheragan ermordet. Man gab vor, er habe sich mit einer Schere selbst die Pulsader aufgeschnitten. Im J. 1881 aber wurden die noch lebenden Paschas Midhat, Nuri und Mahmud wegen der Ermordung A’. zum Tod verurteilt, jedoch nicht hingerichtet. Vgl. Azam, L’avénement d’A. (Par. 1861); Millingen (Osman Seify Bei), La Turquie sous le règne d’A. (Brüss. 1868).