Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Äthylēn“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 1017
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Äthylēn. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 1017. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:%C3%84thyl%C4%93n (Version vom 04.11.2021)

[1017] Äthylēn (Elayl, ölbildendes Gas, schweres Kohlenwasserstoffgas) C2H4 entsteht, wenn man ein Gemisch von Schwefelwasserstoff und Schwefelkohlenstoffdampf über rotglühendes Eisen oder Kupfer leitet, wobei der Schwefel sich mit dem Metall und der Kohlenstoff mit dem Wasserstoff verbindet; ferner bei trockner Destillation von Steinkohlen, Fetten, Harzen (es findet sich daher im Leuchtgas), oder wenn man Alkohol- oder Ätherdämpfe durch ein rotglühendes Rohr leitet, auch beim Erhitzen von Alkohol mit konzentrierter Schwefelsäure oder Chlorzink. Zur Darstellung von reinem Ä. leitet man Alkoholdämpfe in Schwefelsäure, welche bei 165° siedet, und sorgt dafür, daß die Temperatur nie über 170° steige. Der Alkohol C2H6O wird dann in Ä. C2H4 und Wasser H2O zerlegt, und die Schwefelsäure bleibt unverändert. Ä. bildet ein farbloses Gas vom spez. Gew. 0,978 und ist von eigentümlichem Geruch; es kann nicht eingeatmet werden und wirkt höchst nachteilig auf den Organismus. Es löst sich wenig in Wasser, leichter in Alkohol, ist auch in Äther, Terpentinöl und fetten Ölen löslich und wird durch sehr starken Druck und Kälte zu einer farblosen Flüssigkeit verdichtet, die bei 1° einen Druck von 42,5 Atmosphären ausübt. Das Ä. ist leicht entzündlich und brennt mit hell leuchtender Flamme. Mit Sauerstoff oder Luft vermischt, explodiert es bei Annäherung einer Flamme oder durch den elektrischen Funken mit außerordentlicher Heftigkeit. Bei Rotglut zersetzt es sich in Methan (leichtes Kohlenwasserstoffgas) CH4 und Kohlenstoff, welcher sich bei hoher Temperatur in äußerst harten Krusten (Retortengraphit) absetzt. Dieselbe Zersetzung findet beim Anzünden des Gases statt, und die Flamme des Äthylens ist deshalb brennendes Grubengas, in welchem sich Kohle in glühendem Zustand befindet. Dadurch wird die Flamme leuchtend. An einem kalten Gegenstand, den man in die Flamme hält, lagert sich dieser Kohlenstoff ab, weil die Temperatur so sehr erniedrigt wird, daß er nicht mehr zu verbrennen vermag. Das Leuchtgas verdankt seinem Gehalt an Ä. und einigen ähnlichen Kohlenwasserstoffen seine Leuchtkraft. 2 Volumen Chlorgas und 1 Volumen Ä. verbrennen, wenn man das Gemisch anzündet, mit dunkelroter Flamme zu Chlorwasserstoff, während der gesamte Kohlenstoff des Äthylens rußförmig abgeschieden wird. Mit dem gleichen Volumen Chlorgas gemengt, bildet Ä. eine ölartige Flüssigkeit (daher ölbildendes Gas), das so gebildete Äthylenchlorid C2H4Cl2 riecht und schmeckt chloroformähnlich süßlich, siedet bei 85° und wird namentlich gegen Gelenkrheumatismus benutzt. Rauchende Schwefelsäure absorbiert das Ä. und bildet mit demselben Äthionsäure; verdünnt man die so erhaltene Flüssigkeit mit Wasser und destilliert, so geht Alkohol über. Dieser Prozeß wurde als Basis einer neuen Methode der Spiritusfabrikation aus Steinkohlengas (Mineralspiritus) empfohlen. Das aus den Elementen leicht darstellbare Ä. gibt Gelegenheit, organische Körper ohne Mithilfe organisierter Wesen zusammenzusetzen. So gibt es mit Chromsäure Essigsäure, mit übermangansaurem Kali Kohlensäure, Ameisensäure und Oxalsäure.