MKL1888:Äther
[1010] Äther, eine in der griech. Mythologie personifizierte kosmologische Idee, nach Hesiod Sohn des Erebos und der Nacht (Nyx), der Kinder des Chaos; nach Hygin nebst der Nacht, dem Tag und dem Erebos von dem Chaos und der Göttin des Dunkels erzeugt, wie aus der Verbindung des Äthers mit der Erde die Titanen, Laster und Übel hervorgehen. Nach beiden erscheint der Ä. als eine der Grundsubstanzen, aus denen sich das Weltall gebildet hat, in den Orphischen Hymnen aber als die Weltseele, von der alles Leben Anfang und Gedeihen empfängt. Später wurde der Ä. als der Himmelsraum, als Wohnung der Götter gedacht, und als Herr derselben erscheint Zeus, der in ihm wohnend (auch als Sohn des Äthers) gedacht wurde. – In der altgriechischen Philosophie ist Ä. das belebende Wärmeprinzip, ein fünftes Element oder das substantielle Wesen Gottes selbst, welches gedacht wird als ätherisches, künstlerisches Feuer, von dem alles Sein, Leben und Denken stammt.
Äther, in der Physik eine feine, elastische, den ganzen Weltraum und die Räume zwischen den Molekülen der Körper erfüllende Substanz, welche man annehmen muß, um die Fortpflanzung des Lichts, das als eine Wellenbewegung des Äthers angesehen wird, zu erklären. Man nimmt gewöhnlich an, daß die Teilchen des Äthers sich gegenseitig abstoßen, dagegen von den Körperteilchen angezogen werden, was zur Folge hat, daß sich um jedes Molekül, gleich einer Atmosphäre, eine Ätherhülle sammelt, die einen Bestandteil des Moleküls bildet. Die Kräfte, welche zwischen zwei Molekülen thätig sind, wären hiernach von dreierlei Art: die gegenseitige Anziehung der materiellen Atome der beiden Moleküle, die Anziehung der Atome des einen Moleküls auf die Ätherhülle des andern, endlich die gegenseitige Abstoßung der beiden Ätherhüllen. Die Ätherhypothese macht die frühere Annahme, daß Licht, Wärme, Magnetismus und Elektrizität verschiedene eigentümliche unwägbare Stoffe, sogen. Imponderabilien, seien, entbehrlich, indem sie die Möglichkeit bietet, alle diese Erscheinungen aus Bewegungen des Äthers und aus der Wechselwirkung desselben mit den materiellen Atomen zu erklären. Die entsprechenden Abschnitte der Physik, welche von diesen Erscheinungen handeln, werden daher wohl auch unter der Bezeichnung „Physik des Äthers“ zusammengefaßt. – In der Astronomie wird Ä. dasjenige Fluidum genannt, welches das Licht der Sterne schwächt und die Bahn z. B. des Enckeschen Kometen verengert. Auch als Ursache der allgemeinen Massenanziehung hat man ihn betrachtet. Nach den neuesten Ansichten ist der Ä. des Astronomen mit demjenigen des Physikers identisch und ein über alle Vorstellung feines Medium. Doch liegt kein Grund vor, dasselbe zu den sogen. Imponderabilien zu zählen, vielmehr ist der Ä. möglicherweise ein körperlicher Stoff, der in der Nähe der Himmelskörper an Dichte zunimmt und vielleicht sogar einen Bestandteil ihrer Atmosphären bildet. (S. Weltsystem.)
Äther, eine Klasse chemischer Verbindungen, welche aus Alkoholen unter Austritt von Wasser entstehen. Das Vorbild dieser Körper ist der Äthyläther, dessen Bildung die Chemiker lange beschäftigt und zu vielen Theorien Veranlassung gegeben hat. Jetzt weiß man, daß 1 Molekül Ä. aus 2 Molekülen Alkohol entsteht. Dies zeigt deutlich folgende Reaktion:
C2H5J | + | C2H5ONa | = | C2H5.O.C2H5 | + | NaJ |
Jodäthyl | Natriumäthylat | Äthyläther | Jodnatrium. |
Der Äthyläther ist ein einfacher Ä., weil er zwei Äthylgruppen (C2H5) enthält, die durch Sauerstoff zusammengehalten werden; läßt man aber ein Alkoholjodür auf die Natriumverbindung eines andern Alkohols einwirken, so entsteht ein gemischter Ä., aus Jodäthyl und Natriumamylat z. B. der Amyläthyläther C2H5.O.C5H11. Diese Ä. sind flüchtige Flüssigkeiten, leichter als Wasser, darin wenig oder nicht löslich und sehr beständig. Sie werden durch Kalilauge nicht angegriffen. Ganz verschieden von den einfachen und gemischten Äthern sind die zusammengesetzten Ä. Diese entstehen bei der Einwirkung von Säuren auf Alkohole, leichter aus Alkoholen und Säuren, wenn man Alkohol mit dem Salz der betreffenden Säure und einer stärkern Mineralsäure destilliert. So bildet sich Essigäther nach folgendem Schema:
2C2H3KO2 | + | 2C2H6O | + | H2SO4 |
essigsaures Kali | Alkohol | Schwefelsäure | ||
= 2C2H3C2H5O2 | + | K2SO4 | + | 2H2O |
Essigsäureäthyläther | schwefels. Kali | Wasser. |
Die zusammengesetzten Ä. sind meist flüchtige, angenehm riechende Flüssigkeiten, leichter als Wasser und darin wenig oder nicht löslich. Sie werden durch Kalilauge zersetzt, indem sich Alkohol und das Kalisalz der betreffenden Säure bilden:
C2H3C2H5O2 | + | KHO | = | C2H6O | + | C2H3KO2 |
Essigsäureäthyläther | Kalihydrat | Alkohol | essigsaures Kali. |
Unter erhöhtem Druck werden sie auch durch Wasser zersetzt. Manche zusammengesetzte Ä. kommen in der [1011] Natur vor (Salicylsäure-Methyläther im Gaultheriaöl), und einige von ihnen bedingen das Aroma z. B. des Weins und wahrscheinlich auch vieler Früchte (s. Fruchtäther). Auch die Fette sind zusammengesetzte Ä.