Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
Seite mit dem Stichwort „Äsōpos“ in Meyers Konversations-Lexikon
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Band 1 (1885), Seite 943944
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Äsōpos. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 1, Seite 943–944. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:%C3%84s%C5%8Dpos (Version vom 15.09.2022)

[943] Äsōpos, 1) der berühmte Fabeldichter, dem die im ganzen Altertum beliebte Kunst, praktische Lehren der Lebensweisheit in sinnbildliche Erzählungen (Fabeln, Gleichnisse) einzukleiden, ihre Ausbildung [944] verdankt, lebte um 600 v. Chr. Er soll aus Phrygien stammen und als Sklave mehreren Herren gedient haben, bis ihn der Samier Iadmon freiließ. Angeblich kam er dann an den Hof des Königs Krösos, dessen Vertrauen er in solchem Maß gewann, daß er ihn zu mehreren Gesandtschaften benutzte; auf einer derselben nach Delphi wurde Ä. von den dortigen Priestern wegen Gotteslästerung ermordet. Was von seiner Häßlichkeit und Eulenspiegelhaftigkeit gemeldet wird, ist auf Rechnung späterer Erfindungen zu schreiben. Sein Name ward in der Folgezeit gleichsam Gattungsname für die Fabeldichtung überhaupt. Ä.’ Fabeln erhielten sich in prosaischer Form lange nur durch Tradition im Munde des Volks; eine Sammlung derselben soll zuerst Demetrios Phalereus um 300 v. Chr. veranstaltet haben. Die verschiedenen auf uns gekommenen Sammlungen Äsopischer Fabeln sind teils späte prosaische Auflösungen der Bearbeitung des Babrios (s. d.) in Choliamben, teils Produkte der Rhetorenschulen aus verschiedener Zeit und von verschiedenem Wert. Ausgaben besorgten de Furia (Flor. 1810, 2 Bde.), Korais (Par. 1810), Schneider (Bresl. 1812), Halm („Kritische Zusammenstellung aller bis jetzt bekannten Äsopischen Fabeln“, 2. Aufl., Leipz. 1860). Eine Übersetzung veröffentlichte Binder (Stuttg. 1869). Vgl. Grauert, De Aesopo et fabulis Aesopicis (Bonn 1825); Welcker, Kleine Schriften, Bd. 2 (das. 1847); Keller, Untersuchung über die Geschichte der griechischen Fabel (Leipz. 1862).

2) Der angebliche Verfasser einer romanhaften Geschichte Alexanders d. Gr., welche um 300 n. Chr. von einem Julius Valerius unter dem Titel: „Res gestae Alexandri Macedonis translatae ex Aesopo Graeco“ ins Lateinische übersetzt worden ist. In neuerer Zeit ist das griechische Original auf der Pariser Bibliothek entdeckt worden, wo jedoch Kallisthenes (s. d.) als Verfasser genannt ist. Vgl. J. Zacher, Pseudo-Kallisthenes (Halle 1867).