Mälzl und seine musikalischen Kunstwerke
Eine merkwürdige Erscheinung im Reiche der Tonkunst und der Mechanik, und bisher einzig in seiner Art ist Johann Mälzl in Wien. Wenn schon das entzückte Ausland und fremde Zeitschriften in seinem Lobe wetteiferten, die doch nur einzelne seiner Kunstwerke genoßen, so gebührt ihm in diesen Blättern um so mehr eine Stelle, da wir die Gelegenheit hatten, alle seine Meisterstücke kennen zu lernen, und so sehr er auch in andern Staaten geehrt wurde, Oesterreich seine anerkannten Verdienste doch am meisten belohnte.
Mälzl wurde zu Regensburg im Jahre 1776 geboren, wo sein Vater Orgel- und Instrumentenmacher war. Dieser entdeckte schon im sechsjährigen Kinde die Neigung und das Talent zur Musik, und ließ ihm das Clavier und die Violine spielen lehren. Er machte in beyden so große und schnelle Fortschritte, daß er sich schon als Knabe in seiner Vaterstadt bey einem öffentlichen Concerte mit allgemeinem Beyfalle hören ließ. Allein er wurde durch ein unerwartetes Ereigniß von der frühbetretenen Bahn auch früh wieder abgerufen; denn sein Vater sah sich durch den Verlust seines Gehörs gezwungen, den reifenden Jüngling zum Orgelbau und zur Verfertigung musikalischer Instrumente anzuhalten. So ungünstig nun diese Wendung seines Schicksals für ihn zu seyn schien, indem ihm jetzt nur wenig Zeit zu seinen musikalischen Uebungen blieb, so entwickelte sich doch gerade hier sein Talent zur Mechanik. Da aber diese Beschäftigung ihm und seiner Familie nicht den reichlichsten Unterhalt gab, benützte er seine bereits erworbene Vollkommenheit im Clavierspielen, und gab jetzt selbst in den größten Häusern Unterricht. Sein Talent zur Mechanik, welches sich durch verschiedene eigene Erfindungen bewährte, wendete er noch größtentheils zu seiner eigenen Unterhaltung, und zum Vergnügen seiner Freunde an.
Indeß stand Wien, das Pantheon großer Meister und Meisterwerke der Tonkunst, als das Ziel seines Ruhmes glänzend vor der Seele des strebenden Jünglings. Er konnte der Begierde nach der großen Kaiserstadt nicht länger widerstehen, und traf im Jahre 1790 hier ein. Er fand, wie jedes musikalische und mechanische Genie, die liebevollste [113] Aufnahme und die thätigste Unterstützung, und sah sich bald durch ein artiges Einkommen erfreut, da er Unterricht im Clavierspielen gab, und Walzen in Spieluhren verfertigte. Aufgemuntert durch den Beyfall, welchen diese Erstlinge seines mechanischen Talents erhielten, schritt er sogleich auf der betretenen Bahn weiter fort, verfertigte selbst Spieluhren, und bekam, auf sein Ansuchen auch ein besonderes Privilegium dazu. Nun dachte er vor allem darauf, sich durch Reisen die volle Ausbildung zu erwerben. Er ging über Prag, Leipzig und Dresden nach Berlin, um daselbst die Spieluhren-Fabriken zu sehen, wozu Herr von Eskeles und Freyherr v. Arnstein ihn durch Vorschießung der Reisekosten unterstützten.
Hierauf begab er sich nach München, und kehrte wieder nach Wien zurück, welches er nun zu seinem beständigen Aufenthaltsorte erwählte. Hier machte er nun bald die Bekantschaften der größten Männer in der Ton- und Singkunst. Haydn, Salieri und Cherubini erfreuten ihn durch freundschaftliche Verhältnisse, und schrieben für seine mechanische Kunstwerke manche musikalische Piece, indeß Marchesi und Crescentini ihn zur Steckung der Singstücke in die Geheimnisse ihrer Methoden einweihten. So schritt er endlich unermüdet und schnell jener Vollkommenheit entgegen, die wir an allen seinen musikalischen Instrumenten bewundern, und die ihn über seine wenigen Rivalen so hoch emporhebt.
So schuf er denn in wenigen Jahren eine sehr beträchtliche Anzahl vortreflicher Kunstwerke. Nicht zu gedenken der minder bedeutenden Producte dieser Art, z. B. der vielen Spieluhren, musikalischen Ruhebetten, kleineren Sekretärs u. d. gl. welche der regierende Fürst zu Lichtenstein, Graf Fr. Palfy, Freyherr Braunecker und andere Cavaliere, größtentheils aber hungarische Magnaten, von ihm theils verfertigen ließen, theils nahmen, beschränken wir uns, nur der vorzüglichsten Werke Erwähnung zu thun, und zwar so viel möglich nach chronologischer Ordnung. So besitzt Freyh. v. Braun von ihm eine Maschine, mit dem Gemählde des Vesuvs, welche ein doppeltes Echo giebt. Im Tempel der Nacht zu Schönau befindet sich von ihm gleichfalls eine musikalische Maschine, die am Platfond angebracht ist, welche den gestirnten Himmel vorstellt, und mit ergreifenden Geistertönen der Harmonika durch Phantasien von Salieris Composition entzückt. Seine ersten größern Panharmonika erhielten Graf Erdödy, Graf Caroly, Graf Illeshazy und Se. K. H. der Herzog Albert von Sachsen. Ihre Majestät die höchstselige Kaiserinn M. Theresia nahm von diesem Künstler eine kleinere Panharmonika mit einem Flötenecho, welches aus einer gegenüber stehenden Optik, die eine Schweizergegend vorstellt, in einer Entfernung von 40 Schuhen hervorgeht. Dresden besitzt von ihm eine Maschine, welche Trompeten und Paukenaufzüge spielt; München einen Sekretär mit verschiedenen Trompeten; desgleichen auch Würzburg.
Diese Kunstproducte hatte Mälzl geschaffen, als er nun an die Vollendung seines größten Meisterwerkes, an das große Panharmonikon, Hand anlegte, welches die schwersten Musikstücke mit voller Harmonie so vortreflich spielt, daß kaum das vortreflichste Orchester sie schöner und richtiger vorzutragen vermöchte. Er begab sich damit nach Paris, wo es mit so großem Entzücken und Enthusiasmus aufgenommen wurde, als der Künstler selbst. Man fand die Structur und Wirkung dieses Werkes so höchst seltsam und bewundernswürdig, daß man sogar an der Redlichkeit des Künstlers zu zweifeln anfing, und behauptete, er habe in dieser Maschine Menschen verborgen, welche die Instrumente darin spielten. Mälzl, obwohl die Zerlegung des so künstlich zusammengesetzten Kastens ein mühsames Beginnen ist, zerlegte doch lächelnd sogleich das Ganze, und die erstaunten Zuhörer sahen sich mit Beschämung ihres Irrthums überwiesen.
Um sich von der Vortreflichkeit dieses Werkes, auch ohne es gehört zu haben, einen Begriff zu machen, darf man nur hören, welche Musikstücke es spielt: zuerst die Ouvertüre aus Mozarts Clemenza di Tito: dann vier Märsche, die man Anfangs nur leise aus der Entfernung, dann immer lauter und näher, und endlich in voller Stärke einherbrausen hört. Hierauf folgt das Finale einer Symphonie von Haydn, diesem ein Echo von Cherubinis Composition mit den feinsten Nüancen des Forte und Piano, nachher ein Postorale und ein militärisches Stück von Rigel, womit der erste Theil dieser musikalischen Akademie endigt. Den Zweyten eröffnen drey Trompeten- und Paukenaufzüge, von Mälzls eigner Erfindung; ihnen folgt Haydn’s militärische Symphonie mit türkischer Musik, dann die so höchst kunstreiche Ouvertüre aus Cherubins Medea, und die [114] Ouvertüre aus Steibelts Rückkehr des Zephyrs. Das Ganze schließt mit zwölf Walzern von Mälzls Composition, deren jeder aus einem andern Ton ist, und durch das Solo irgend eines Instruments verschönert wird.
Dieses Meisterwerk ist ein Eigenthum der Kaiserinn von Frankreich, wohin Mälzl nun mit einem von ihm verfertigten Trompeter und einem für die erwähnte Kaiserinn verfertigten Sekretär neuerdings wieder abgegangen ist. Der Trompeter, eine mit der Uniform des Kürassierregimentes Sr. K. H. des Herzogs Albert bekleidete Figur in Lebensgröße, spielt durch die im hohlen Mittelleibe angebrachte Ventilatoren und Walzen eine am Munde befestigte Trompete mit solcher Reinheit und Stärke, daß man sich plötzlich unter eine kräftigere[1] Menschengeneration versetzt glaubt. Der Sekretär hat viele geheime Fächer, welche man nur auf eine einzige Art herausziehen kann; wenn ein Ungeweihter, der um das Geheimniß nicht weiß, sie auszuheben versucht, fahren von beyden Seiten plötzlich mit Gepolter zwey Hände hervor, welche seinen Arm festhalten; eine in der untern Hälfte angebrachte Trompete bläst Allarm, und eine komische Musik verspottet den Ertappten.
Alle Instrumente dieses Künstlers zeichnen sich überhaupt durch höchste Stärke, Reinheit und Präcision aus. Das bewundernswüdigste dabey aber ist, daß er so große Wirkungen durch höchst einfache Mittel hervorzubringen weiß, welches das Genie am auffallendsten beurkundet. Die Verdienste dieses Künstlers wurden auch allgemein bewundert und belohnt. Er wurde von dem größern Theil der Cavaliere, die von ihm kauften, höher honorirt als er selbst verlangte, und erhielt überdieß noch, als Zeichen besonderer Huld, schöne Geschenke, unter welchen aber eine emaillirte goldne Dose von Sr. K. H. dem Herzog Albert mit Archimeds Bildniß, und eine andere ähnliche von dem Könige von Sachsen sich vorzüglich auszeichnen.
Mälzl ist jetzt in den schönsten männlichen Jahren. Da er mit großen Talenten großen Fleiß und eine seltene Bescheidenheit verbindet, so läßt sich von ihm noch sehr viel Gutes und Schönes erwarten.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: kräftigern