Mäßigung
[35] Mäßigung.
Wenn dein Busen oft, voll Urkraft schwebend,
Durch des Flors Verschiebung sich mir wies;
Und mein Blick, an diesen Reitzen klebend,
Kaum sich mehr zurücke rufen ließ.
Mühsam zwar, doch rief ich ihn zurück.
Dieser Gott, so sagt’ ich tröstend mir,
Der für mich die schöne Brust geründet,
Der darinnen zärtliche Begier,
Dieser gute Gott, ist ers nicht werth,
Daß man ihn durch Selbstverleugnung ehrt?
Wenn vor seinem Altar deine Hand
Einst jungfräulich in der meinen bebet;
Schon sein Engel liebreich niederschwebet;
Dann wird mir zur süssen Aerndtezeit
Wonne werden diese Mäßigkeit.
[36] Dann will ich den Taumelbecher leeren;
Trink’ ich dann die letzte banger Zähren,
Die dir auf der röthern Wange glänzt;
Jeder jetzo mir versagte Kuß
Reift mir dann zu doppeltem Genuß.