Textdaten
Autor: Rabbula von Edessa
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Titel: Liturgische Hymnen
Untertitel:
aus: Bibliothek der Kirchenväter, Band 38, S. 259-271.
Herausgeber:
Auflage: 1
Entstehungsdatum: 5. Jh.
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Jos. Koesel’sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Kempten
Übersetzer: Gustav Bickell
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Quelle: Faksimile auf den Commons
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[259]
Liturgische Hymnen.[1]

Hymnen zu Ehren der Mutter Gottes.

I.

Gegrüßt seist du, in jeder Beziehung heilige Gottesmutter Maria, wunderbares und ehrwürdiges Schatzhaus der ganzen Welt, hellstrahlende Leuchte, Wohnstätte des Unbegreiflichen, reiner Tempel des Schöpfers aller Kreatur! Gegrüßet seist du, denn durch dich ist uns Derjenige kund geworden, welcher die Sünden der Welt hinweggenommen und sie erlöst hat!

[260]

II.

Auf dem Berge Horeb sah dich der staunenswerthe Prophet Moyses, o heilige Jungfrau, als das Feuer im Dornstrauche weilte und loderte, ohne daß dieser verbrannt wurde. Dich bezeichnet auch die von dem gerechten Jakob in der Einöde gesehene Leiter, auf welcher die Engel des Himmels hinauf und herab stiegen. Der Sohn Isai’s ergriff gleichfalls seine geistliche Cither und begann dazu zu singen, daß Gott gleich einem sanften auf die Erde niederfallenden Regen herabsteigen und in der Jungfrau wohnen werde.[2] Es mögen nun kommen die hebräischen Mädchen und Jungfrauen, ihre Handpauken schlagen im heiligen Geiste vor dem Königssohne und zu dir sagen: Selig bist du, Maria, denn welch’ einen Sohn hast du geboren!

III.

Wie sollen wir dich preisen, o Demüthige, die du allein in jeder Beziehung heilig bist, die du allen Gläubigen insgesammt Hilfe und Stärke verleihst? Denn wir alle in dieser Welt schauen aus und erwarten die Hoffnung des Heiles von dir, o Demüthige! Stärke unseren Glauben und verleihe Frieden der ganzen Welt! Dafür wollen wir Gläubige dich preisen als den cherubischen Thron und das Ruhegemach Gottes in der Zeit. Bitte und flehe für uns alle, auf daß unsere Seelen von dem künftigen Zorne errettet werden!

IV.

O reinste Mutter, hilf uns Armen, wie du gewohnt bist! Du siehst ja, wie wir Erdenkinder uns dem Ende [261] nähern und zu Grunde gehen. So erwirb uns also Gnade durch deine Fürbitte, reine und heilige Jungfrau; flehe stets für uns, auf daß wir nicht wegen unserer Bosheit verloren gehen! O Gesegnete, verwende dich für uns, indem du deinen eingeborenen, aus dir entsprossenen Sohn bittest, daß er sich unser erbarme um deiner heiligen Gebete willen! Sei uns gegrüßt, o Schiff, welches den Menschen das neue Leben zuführt! Sei uns gegrüßt, heilige Burg, in welche der König der Könige herniederstieg, um darin zu wohnen! Sei uns gegrüßt, demüthige Jungfrau, Mutter Gottes! Heil dir, Gesegnete, heil dir, Selige! Bring für uns alle Fürbitten dar deinem eingeborenen, aus dir entsprossenen Sohne, daß er sich unser erbarme um deiner heiligen Gebete willen!

V.

O Heilige, bitte bei deinem Eingeborenen für die Sünder, die zu dir ihre Zuflucht nehmen! Denn alle Zuchtruthen, mit welchen die früheren Generationen gestraft wurden, sind jetzt für uns aufgespart und dringen auf uns ein. Sieh’ doch, wie der Verderber seinen Bogen gespannt hat und den Pfeil auf die Sehne legt, um nach seiner Gewohnheit zu treffen! Siehe auch die Zeichen aller Art am Himmel und auf Erden, sowie die herzerschütternden Schläge! Deßhalb nehmen wir unsere Zuflucht zu dir, damit wir zu deinem Sohne rufen und sagen können: O du Züchtiger thörichter Herzen, Christus, der du schlägst und wieder heilst, züchtige uns in deiner Barmherzigkeit, erwirb uns für dich durch deine Gnade, schone unser und erbarme dich über uns!


[262]

Hymnen zu Ehren der hl. Märtyrer.

I.

O ihr gesegneten Märtyrer, ihr habt euch als vernunftbegabte Trauben bewährt, an deren Wein sich die Kirche erquickt hat. O glorreiche und göttliche Lichter, die ihr euch freudig allen Qualen entgegenstelltet und die verruchten Tyrannen durch eueren Kampfesmuth besiegtet und zu Schanden machtet, Ehre sei der Kraft, welche euch in eueren Kämpfen gestärkt hat! Gott, der zur Erlösung seiner Geschöpfe gekommen ist, möge sich unser erbarmen! Als die Heiligen kamen und sich niederlegten zum Gastmahle des Leidens, da tranken sie alle von jenem Moste, welchen das Judenvolk auf Golgatha gekeltert hatte, und erlernten die verborgenen Geheimnisse des Hauses Gottes. Deßhalb sagen wir lobsingend: Gelobt sei Christus, welcher die heiligen Märtyrer durch das Blut aus seiner Seite trunken gemacht hat!

II.

Wie schön ist das Fest, welches der Vater in der Höhe seinem Eingeborenen veranstaltet, und zu dem er die Propheten, [263] Apostel und Märtyrer eingeladen hat! Der Vater hat seinen Freunden bereitet, was kein Auge je gesehen; der Sohn hat seinen Gästen bereitet, was kein Ohr je gehört, und was in keines Menschen Herz gekommen ist. Deßhalb wollen wir ihnen zurufen: O ihr Geladenen zum Gemache des Lichtes, bittet und flehet für uns alle, auf daß unsere Seelen von dem künftigen Zorne errettet werden! Wir sind berufen und kommen zu dem Feste euerer Triumphe, um jegliche Hilfe und Heilung durch euere Gebeine zu empfangen. Heil euch, Propheten und Apostel, ihr Architekten des Glaubens! Heil euch, ihr festen Thürme, durch die unsere Seelen beschützt werden! Heil euch, ihr Theilhaber der geistlichen Mysterien, die ihr zu den Himmelshöhen aufgestiegen seid! Heil euch, herrliche Säulen, die ihr die Erde stützet, damit sie nicht zu Grunde gehe wegen der Sünden ihrer Bewohner! Sehet, die Kirche mit ihren Kindern feiert euere Festtage, auf daß unser aller Seelen durch euere Gebete von dem künftigen Zorne errettet werden!

III.

Ruhmvolle Freunde des Sohnes, Propheten, Apostel und heilige Märtyrer, bittet und flehet zu dem, der euch gekrönt hat, daß er die Schläge und Züchtigungen von uns hinwegnehme! Denn sehet, Kriege und andere Leiden umringen unser Land, so daß es traurig niedergebeugt ist. Durch euch möge es aus allen Nöthen errettet werden, da euer Gedenktag im Himmel und auf Erden ruhmvoll glänzet. Indem wir deßhalb unsere Zuflucht zu euch nehmen, wollen wir euerem Herrn zurufen: Züchtiger der thörichten Herzen, Christus, du Hoffnung deiner Athleten, züchtige uns in deiner Barmherzigkeit, erwirb uns für dich durch deine Gnade und erbarme dich unser!


[264]

Bußhymnen.

I.

Der du reich an Erbarmungen und Gnade bist, der du alle Sünder von ihren Makeln reinigst, läutere mich mit deinem reinigenden Ysop und erbarme dich meiner! Sei mir gnädig in deiner Barmherzigkeit, wie einst dem Zöllner und der Sünderin! Christus, der du den Sündern ihre Schulden vergibst und alle Büßer annimmst, Erlöser des Menschengeschlechts, erlöse auch mich in deiner Barmherzigkeit! Wenn selbst der Gerechte nur mit Mühe und Anstrengung gerettet werden kann, was soll ich Sünder dann beginnen? Denn ich habe die Last des Tages und die Gluth der Sonne nicht getragen, sondern gehöre zu den erst in der elften Stunde gedungenen Arbeitern. Errette mich und erbarme dich meiner! Meine Sünden haben mich zu Boden geworfen und mich von jener Höhe, auf welcher ich stand, herabgestürzt. In das Verderben habe ich mich geworfen, wie in eine Grube. Wer ist nun da, der mir meine frühere herrliche Schönheit wieder verschaffen könnte, außer dir, o weisester Schöpfer, der du mich vom [265] Anbeginne nach deinem Bilde und deiner Ähnlichkeit erschaffen hast? Ich aber bin freiwillig ein Geselle Satans und ein Sklave der Sünde geworden. In deiner Barmherzigkeit, o Herr, befreie mich und erbarme dich meiner!

II.

Meine Gedanken verwirrten mich und störten mich auf; ich verzweifelte an meinem Leben, weil meine Schuld größer ist als das Meer, und meine Sündenmakel die Wogen an Zahl übertreffen. Da hörte ich, wie deine Gnade den Sündern zuruft: Rufet mich an, so will ich euch erhören; klopfet an, so will ich euch aufthun. So schreie ich denn zu dir gleich jener Sünderin und flehe dich an wie der Zöllner und wie der Sohn, welcher sein Gut verschwendete: Ich habe gesündigt im Himmel und vor dir. O mein Herr, es gibt ja keinen Knecht, der nicht sündige, und keinen gütigen Herrn, der nicht vergebe. O mein Erlöser, entsühne also auch mich, der ich dich durch Sünden erzürnt habe, in deiner Barmherzigkeit und erbarme dich über mich!

III.

Wenn ich meiner Sünden gedenke und der bösen Werke, die ich gethan habe, so fürchte ich mich vor der Gerechtigkeit, welche meine Makel und Wunden sieht. Ich kann nicht zum Himmel aufschauen, denn meine Sünden erheben sich bis zu ihm hinauf; und die Erde schreit unter mir, weil meine Schulden zahlreicher sind als ihre Bewohner. Wehe mir zur Zeit, wann die Gerechten und Frommen vor Gott erscheinen werden und der Glanz ihrer guten Werke gleich der Sonne strahlen wird! Was soll dann ich, o Herr, in jener Stunde thun, da meine Werke finster sind? Wehe mir, wann die Priester erscheinen und dir die empfangenen Talente darbringen werden, während ich, o Herr, das meinige [266] in der Erde vergraben habe! Was für eine Antwort kann ich alsdann geben? Nicht möge ich vom Feuer verzehrt werden, den du mit deinem Leibe und deinem Blute gespeist hast! Nicht möge ich in die Hölle geschleudert werden, da du mich mit deinem Taufgewande bekleidet hast! Besprenge mich mit dem Thaue deiner Gnade und tilge meine Schulden durch dein Erbarmen, o Herr über Alles; Lob sei Dir!


[267]

Hymnen für die verstorbenen Gläubigen.

I.

Die ihr im Staube ruhet, trauert nicht über die Zerstörung euerer Glieder; denn der lebendige Leib, welchen ihr empfangen, und das sündentilgende Blut, welches ihr getrunken habt, vermag euch aufzuwecken und euere Leiber mit Glorie zu bekleiden. Es wird euch als Weg und Brücke dienen, so daß ihr die Stätte der Furcht sicher überschreitet. Christus, unser Herr, der du zu uns gekommen bist und durch dein Blut in der Höhe wie in der Tiefe und in allen Enden Friede gestiftet hast, verleihe Ruhe den Seelen deiner Diener im verheissenen ewigen Leben!

II.

In die Unterwelt (Scheol), diese gemeinsame Mutter, stieg der Königssohn hinab und überwand sie, so daß sie entvölkert wurde.[3] Der Gütige brachte die in ihr eingeschlossenen [268] Todten heraus, brach die Gewalt des Todes, eroberte dessen Schätze und Bollwerke und rief den Verstorbenen zu: Kommet und gehet heraus zu mir; denn ich bin gekommen, um Adam, welcher das Gebot übertreten hatte, zu befreien. Wir Gläubigen alle wollen also mit dem Propheten voll Freude singen und sagen: Siehe, du thust Wunderdinge an den Todten; die Helden werden auferstehen und dich preisen.[4]

III.

Wenn das Horn in der Höhe erklingen und die Stimme der Posaune erschallen wird; wenn die Engel des Himmels nach den vier Weltgegenden ausgesandt werden, um den Staub des Menschengeschlechtes von den vier Enden der Erde einzusammeln; wenn das Zeichen des Kreuzes vor dir, o gerechter Richter, erscheinen wird und du einem Jeden nach seiner Arbeit und seinen Werken vergelten wirst; zu jener Zeit verschone, o unser Erlöser, die Verehrer deines Kreuzes!

IV.

Urheber des Lebens und Herr der Verstorbenen, gedenke deiner Diener, welche deinen Leib gegessen und dein Blut getrunken haben und nun entschlafen und in der Hoffnung auf dich zur Ruhe gegangen sind! Wenn du kommen wirst in Herrlichkeit mit deinen hehren Engelschaaren, so erwecke sie aus ihren Gräbern, sondere sie aus vom Staube, bekleide sie mit dem Gewande der Glorie und stelle sie zu deiner Rechten, auf daß sie mit dir eingehen in den Himmelssaal und deiner Gnade Lobpreis darbringen!


[269] === Eucharistische Hymnen. ===




I.

Dieses himmlische Sakrament, welches allen Völkern, Stämmen und Generationen offenbart und gedeutet ist; dieses Sühnopfer, welches sich selbst am Kreuze dargebracht hat, und durch welches die Kinder des irdischen Adam entsühnt werden; dieses Alle heiligende Heiligthum, wodurch die der geistlichen Heiligung Würdigen geheiligt werden, wird oben im Himmel von den Engeln bedient, aber unten auf Erden von den Staubgeborenen getragen. Jubele, o Braut, Tochter der Völker,[5] über deinen Bräutigam, denn siehe, er ist für dich und deine Kinder zu Speise und Trank geworden! Rufe ihm zu: O Christus, der du uns durch dein Blut erlöst hast, Lob sei dir, Herr über Alles!

II.

Von dem Himmel der Himmel hat sich abgelöst jene Kohle, welche heute consekrirt und ehrfurchtsvoll getragen wird in den Händen der Priester, dieser Mitbrüder und [270] Dienstgenossen der himmlischen Engel, die mit einträchtiger Harmonie zitternd vor dir ihre Stimme erheben. Auch wir, obwohl in Sünden verstrickt, wollen gleich ihnen singen und rufen: Heilig bist du, o Gott, der du den Heiligen das Heilige gibst! Heilige uns, die wir zu dir rufen, durch deine himmlischen Geheimnisse! Heilig bist du, o Starker, der du durch deine gewaltige Kraft den Trug des Bösen aufgedeckt und uns Waffen verliehen hast, um ihn zu besiegen und von seinen Ränken befreit zu werden! Heilig bist du, Unsterblicher; wir preisen dich, weil du für uns gekreuzigt wurdest. Denn durch das am Kreuze geöffnete Thor deiner Seite ist die Erde geheiligt worden, die zuvor verflucht war wegen der Gebotsübertretung Adams. Lob sei dir, o Herr über Alles!


[271]

Hymne auf das heilige Kreuz.




Der Kaiser Konstantin bekämpfte den Irrthum mit dem Zeichen des Lebens, welches er in der Himmelshöhe gesehen hatte, und besiegte und beschämte so die Abgötterei. Durch dasselbe Zeichen siegt auch die Kirche mit ihren Kindern über die ganze linke Seite.[6] Das Kreuz erschien oben im Himmel; das Kreuz ist erhöht worden auf Golgatha; das Kreuz möge auch den auf es vertrauenden Christen als Schutzmauer dienen!




  1. Obgleich dieser Band eigentlich für Prosaschriften bestimmt ist, sehen wir uns doch, zunächst durch äußere Gründe, veranlaßt, anhangsweise noch einige der auf S. 164-165 charakterisirten liturgischen Gedichte des Rabulas mitzutheilen. Dieselben werden gewiß nicht uninteressant erscheinen, theils weil wir aus ihnen Rabulas auch als Dichter kennen lernen, theils wegen der darin enthaltenen wichtigen dogmatischen Zeugnisse.
  2. Vgl. II. Sam. 23, 4.
  3. Es ist die Rede von dem Herabsteigen Christi in die Unterwelt nach seiner Kreuzigung, wobei er die Seelen der Gerechten aus derselben befreite. Aus diesem Gedicht erhellt deutlich, daß [268] Rabulas sich die Seelen der Heiligen nicht bis zur Auferstehung im Hades zurückgehalten denkt, sondern annimmt, sie seien bereits durch die erste Ankunft Christi der himmlischen Seligkeit theilhaftig geworden.
  4. Ps. 87, 11.
  5. Die aus den Heidenvölkern gesammelte Kirche.
  6. So nennen die Syrer den Teufel mit seinen Engeln und seinen Anhängern auf Erden.