Lisette
[106] Lisette
Ein junges Weib, sie hieß Lisette,
Dieß Weibchen lag an Blattern blind.
Nun weis man wohl, wie junge Weiber sind;
Drum durft ihr Mann nicht von dem Bette,
Denn laßt ein Weib schön, wie Cytheren, seyn,
Wenn sie die Blattern hat: so nimmt sie nicht mehr ein.
Hier sitzt der gute Mann, zu seiner größten Pein,
Und muß des kranken Weibes pflegen,
Und oft durch ein Gebet um ihre Beßrung flehn;
Und gleichwohl war sie nicht mehr schön.
Ich hätt ihn mögen beten sehn.
Der arme Mann! Ich weis ihm nicht zu rathen:
Ein krankes Weib braucht eine Wärterinn;
Und Lorchen ward dazu erlesen,
Weil ihr Lisettens Eigensinn
Vor andern längst bekannt gewesen.
Und wußte sich in allen Stücken
Gut in die kranke Frau zu schicken,
Und auch in den gesunden Mann.
Sie war besorgt, gefällig, jung und schön,
Was tut man nicht, um sich von Gram und Pein,
Von Langer Weile zu befreyn?
[107] Der Mann sieht Lorchen an, und redt mit ihr durch Blicke,
Weil er nicht anders reden darf;
Kam, wo nicht ganz, doch halb erhört zurücke.
Ach, arme kranke Frau! es ist dein großes Glücke,
Daß du nicht sehen kannst, dein Mann thut recht galant;
Dein Mann, ich wollte viel drauf wetten,
Und sie mit Fleiß zur Wärterinn ernannt.
Ja, wenn sie bloß durch Blicke redten:
So möcht es endlich wohl noch gehn;
Allein bald wird man sie einander küssen sehn.
Und kneipt sie in die vollen Backen;
Sie wehrt sich ganz bequem, bequem wie eine Braut,
Und findet bald für gut, sich weiter nicht zu wehren.
Sie küssen sich recht zärtlich und vertraut;
Wie konnt es anders seyn? Lisette mußt es hören.
Sie hörts, und fragt: was schallt so hell?
Madam, Madam! ruft Lorchen schnell,
Es ist ihr Herr, er ächzt vor großem Schmerz,
Ach! spricht sie, lieber Mann, wie redlich meynts dein Herz!
O! gräme dich doch nicht! ich bin ja noch am Leben.