Lieder einer Verlorenen/Herzblut
O könnt’ ich Alles geben,
Was dieses Herz bewegt,
Und all die tausend Gedanken,
Die wüst mein Schädel hegt! –
Was mir das Herz zerbricht;
Ich kenn’ es, ach, ich fühl’ es –
Doch sagen kann ich’s nicht!
[6]
Es fragen mich die Menschen,
Ich sag’ euch, ich habe mein Elend
Mit auf die Welt gebracht.
Es liegt in meinem Fühlen
In dem halbentfesselten Geist,
Zur Erde doch wieder reißt.
[7]
Ich blickte jüngst in mich –
So recht in’s Herz hinein
Und glaubte noch etwas zu finden
Ich sah mein verlornes Eden,
Mein versunkenes Paradies,
Mich selbst den gefallenen Engel,
Den Himmel und Erde verstieß.
[8]
Noch in deine Arme hin,
Und nur einmal noch vergessen,
Was ich war und was ich bin!
Ach nur einmal so dich sehen
Und dann Alles wieder leiden,
Was schon war und was noch ist.
[9]
Nur eine Thräne gebt mir wieder,
Nur eine einz’ge will ich haben!
Das todeskranke Herze laben.
In diese Thräne will ich senken
Mein ganzes namenloses Weh,
Mit dieser Thräne will ich sagen,
[10]
Ach, ihr wißt nicht, wie sich’s lebt,
Athmet in der Trunkenheit
Einer Liebe, die befreit,
Die begeistert, die erhebt!
Athmet in Versunkenheit
Einer Liebe, die entweiht,
An der Schmach und Elend klebt!
[11]
Von dem, was ich besessen,
Von meinen süßen Träumen,
Von Glauben, Hoffen, Lieben!
Nur schmerzliches Erinnern
Ist’s, was das Herz behielt,
Und eines Mannes Bild.
[12]
„Heut haben wir schönes Wetter.“
„„O ja, recht schönes, mein Herr!““
Das sind so unsre Gespräche,
Du streichelst mir fragend die Wange,
Du kennst das gewisse Roth;
Für dich ist’s nichts als Schminke –
Für mich: in der Brust der Tod.
[13]
Gar oft an dich gedacht,
Ich hab’ in langen Nächten
Gehofft, geweint, gewacht.
Wie einstmals sitz’ ich wieder
Ich wache – aber hoffen
Und weinen kann ich nicht.
[14]
Ich weinte um den Frühling –
Ich Thörin!
Die alle verblüht und verwelkt –
Ich Thörin!
Wer weint um meine Jugend?
Wer weint um meine Träume?! – –
[15]
Möcht’ ich mich so ganz versenken;
Könnt’ ich, ach! dem Bilde doch
Athem, Leben, Sprache schenken!
Könnt’ ich in die kalten Formen
Könnt’ ich diese lieben Hände
Heiß zu heißem Drucke küssen! –
Ach, ich kann es nicht. Es bleibet
Kalt und stumm in stolzer Ruh’;
Denn es ist so ganz wie du!
[16]
Wenn ich ihn manchmal sah,
Hab’ ich gezittert, gebangt;
Und dennoch wieder hab’ ich
Und wenn er im Vorbeigehen
Nur leicht mein Kleid berührt,
Hab’ ich noch lang darüber
Mit den Blumen diskurirt.
[17]
So zärtlich, gütig und mild;
Man konnte beinahe glauben,
Er hab’ auch Alles gefühlt.
Doch plötzlich dieser Blick,
Dies höhnische Kompliment –
Ich wollt’, ich wäre todt!
[18]
Ach ja, es ist nur allzu wahr,
Was nützt dir mein Lieben und Leben,
Mein rothes Blut dir geben.
Blut ist Blut und bleibt es,
Und wird ja nie zu Geld,
Und Geld gehört zum Leben:
Mein Leben nützt dir nichts;
Bezahlte man mich für’s Sterben,
Ich stürbe ja gerne morgen
Um Alles dir zu vererben.
[19]
Nach wollustheißen Fieberschauern;
Ich will die Nacht am hellen Tag
Nicht schon in banger Qual durchtrauern.
Noch schlägt mein Herz mit raschem Drang,
Steh’ still, lösch’ aus mit einem Mal!
Nur nicht so tropfenweis verbluten!
[20]
Du hast mich unsäglich elend gemacht,
Und doch, ich kann dich nicht lassen;
Und sollte dich endlos hassen.
Mein letzter Stern ging unter,
Als du dich von mir gewandt:
Da bin ich mit vollem Herzen
[21]
„Dein Vers hat nicht das rechte Maaß,“
So will man mich verweisen,
„An Fluß und Glätte fehlt es ihm“ –
Und wie sie’s sonst noch heißen.
Verbessern wohl zehnmal wieder;
Ich leg’ die Hand auf mein blutendes Herz:
Was das sagt, schreib’ ich nieder.