Textdaten
Autor: Friedrich Neff
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Titel: Liebe theuere Mutter
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Entstehungsdatum: 8. August 1849
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Quelle: Sammlung des Dreiländermuseums Lörrach
Kurzbeschreibung: Abschiedsbrief des zum Tod durch Erschießen verurteilten deutschen Märzrevolutionärs Friedrich Neff an seine Mutter
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[Ξ]
Freiburg den 8 August 1849.

Liebe theuere Mutter!

Ich habe Euch hier noch mit Kleinigkeiten zu belästigen, aber es muß Alles in Ordnung sein, so viel mir in diesen Paar Minuten noch möglich ist.

Ich bin dem Buchdrucker Seul in Basel noch Einhundert sechszehn Schweizerfranken schuldig, und Vogt & Comp. 16 Gulden für ein Paar [Pistolen] auch hat [mir der] Gihr [in] Dornach ein Buch geliehen, welches ich ihm nicht mehr zurückgeben kann. Seyd daher so gut und laßet daßelbe sowie, wenn noch andere Kleinigkeiten vorkommen sollten durch einen Vertrauten ausbezahlen. Auch bin ich dem Langgut u. [Frei] noch für etwas Eßen u. Trinken, welches ich abzugeben befahl, noch einiges schuldig, was Ihr ebenfalls berichtigen laßen möget. Was uns hingegen noch Bärenwirth Hammel in Birsfelden für Wein schuldig ist – es macht so [...........] auswendig weiß, noch zwischen vier- und fünfhundert Franken das soll derselbe gegen specificirte Rechnung zur Verpflegung armer Flüchtlinge verwenden. Lammwirth Begle von Basel ist uns für Wein noch etliche siebenzig Franken schuldig, er soll ebenfalls dafür den armen republikanischen Flüchtlingen Speise u. Trank verabreichen. – Ihr werdet noch wissen daß Ihr noch ein Faß voll Wein in Basel habt.

[Ξ] Meine Bücher möget Ihr alle meinem Freunde Ludwig [Schnauffer] übergeben.

Liebe theuere Mutter! Ihr wißt wohl, daß ich in Folge meiner Studien und [anderm] Mißgeschick, das mich betroffen, kein Vermögen mehr besitze und daß alles, was wir noch haben Euer reines u. alleiniges Eigenthum ist. Ich kann daher Euch nicht vorschreiben wie Ihr daßelbe verwenden sollet, wohl aber wird das Ohr der liebenden Mutter dem letzten Wunsch Ihres treuen Sohnes einiges Gehör schenken.

Nehmet von nun an gute u. treue Leute zu Euch, welche fähig sind für mich Kindesstatt zu vertreten. Wollen es Verwandte thun, so ist es um so beßer. diesen vermachet Ihr dann nach Gutdünken Euer Vermögen. Euerm Bruder dem aristokratischen Bürgermeister würde ich keinen Pfennig zu kommen laßen. Eines aber muß ich Euch noch bitten und dieses dürfet Ihr mir nicht ausschlagen. Nämlich den Kindern meines Freundes Jakob Bickel (dereinst Hauptmann) von Lörrach welcher bei Rastatt verwundet wurde, müßet Ihr wenigstens tausend Gulden vermachen. Das was der Jakob Friedrich [Schnorr] in Handen hat ist Euere Sache. Er soll es Euch verwalten. Den Jakob Friedrich, den Ernst u. den Ludwig möget Ihr einst vor allen bedenken. Auch den [Frei] und seine Tochter, welche mir viele Beweise von treuer Freundschaft u. Liebe bewiesen, vergeßet nicht.

Was der Buchhändler Fischer in Basel für meine Schriftchen löst, das mag er [Ξ] ebenfalls für die deutschen Republikaner verwenden. So viel im Allgemeinen noch über diese [irdische] Rumpelkammer.

Vor drei [Tagen] wurde ich von [meinen Freunden] den Inzlingern hinweg genommen, [...........] einsam in der Kaserne in [ein] Gefängniß geworfen und von zwei Soldaten inwendig bewacht. Heute morgen um 5 Uhr nahm man mich heraus u. brachte mich in das Gebäude des Standgerichtes, [und] um 9 Uhr stellte man mich vor das Standgericht und um 12 Uhr wurde das Urtheil gegen mich ausgespro[chen] wegen Theilnahme an der Meirevolution, welches lautete auf Tod durch Erschießen. Von da wurde ich in den Thurm geführt, wo man mir kein Papier gab bis erst spät Abends, weßhalb ich noch bis spät in die Nacht an diesem Brief schreibe. Sie schickten mir auch einen Geistlichen welcher mich bekehren wollte. Aber es half alles nichts. Wir tranken [...] mit einander noch ein Glas Wein u. sprachen u. unterhielten uns über den Staat u. die Philosophie. Eines noch theuere heißgeliebte Mutter: seyd fest u. standhaft bei dieser Unglücksbotschaft. Was mich betrifft so werde ich so ruhig morgen in den Tod gehen als ich einst in unsern Garten gieng. Beweiset durch Standhaftigkeit, daß Ihr die Mutter eines Republikaners seyd. Seyd stolz darauf daß Ihr Euren einzigen Sohn geboren habt um ihn der Freiheit opfern zu können. Kein Schritt den ich je gethan habe in meinem Leben reuet mich, u. wenn ich noch zehn Leben hätte, ich würde alle zehne der Freiheit weihen. Allerdings muß es dem [Ξ] Jüngling, der noch nichts von Belang gethan hat für das Volk, schwerer fallen zu sterben, als dem Manne deßen Tod ein großes Leben krönt, dem Jüngling dem sich die geheime Kammer der Natur u. des Geistes [allmählig] vor seinen Augen zu öffnen begonnen, dem Jüngling, dem noch eine Welt von Plänen u. Entwürfen für sein Volk die Brust erfüllt, doch das Opfer ist darum nicht kleiner eher größer. Aber auch groß u. klein verschwinden vor den Augen der freiern Geister. Liebe theuere Mutter! werfet euch nicht in die Arme der heuchlerischen Pfaffen. Es gibt keine Unsterbligkeit. Mein Andenken soll nur in Eurem Herzen u. den Herzen weniger treuer Freunde ruhen, das ist für mich genug. Auch gibt es keinen Gott der gerecht u. allmächtig ist; wie könnte er sonst eine Welt voll Unrecht geschehen laßen. Der Mensch ist das Größte im Universum, er mag sich sein Leben benützen zum Wohl der Völker, der Menschheit zu der er ja auch gehört. Thut daher den Armen Gutes u. wirket nach Euern Kräften für die Freiheit. Was meinen Augen noch Thränen, süße Thränen entlockt, das ist der Gedanke an Euch, an Euere treue Liebe u. Sorgfalt mit der Ihr mich gepfleget, mit der Ihr um meinetwegen soviel des Kummers getragen habt. Darum nehmet meine letzte Thräne, als Abschieds Kuß zum Dank für Eure Liebe. Das war ein kurzes Leben für die Freiheit. Doch je mehr der vaterländische Boden mit reinem Blute getränkt wird, desto eher u. desto schöner wird die Blume der Freiheit erblühen.

Es lebe die Freiheit, es lebe die sociale Republik.

Euer getreuer Sohn
Fr. Neff.

Behaltet diesen Brief zum letzten Angedenken; doch eine Abschrift schicket so bald als möglich meinem Freund Dr. Gihr in Dornach bei Basel.

Gruß an alle guten Republikaner u. S[........]