Kapitel VIII Lichtenstein von Wilhelm Hauff
Erster Teil, Kapitel IX
Kapitel X
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[120]

IX.


 „Was unter dieser Sonne kann es geben,
 Das ich nicht hinzuopfern eilen will,
 Wenn Sie es wünschen? – Fliehen Sie!“
 Schiller.[1]


Georg war es von Anfang bange, wie sich sein neuer Bekannter in dem Kraftischen Hause benehmen werde. Er fürchtete nicht ohne Grund, jener möchte sich durch seine Mundart, durch unbedachte Äußerungen verraten, was ihm höchst unangenehm gewesen wäre; denn je fester er bei sich beschlossen hatte, das Bundesheer in den nächsten Tagen zu verlassen, um so weniger mochte er in Verdacht geraten, in Verbindung nach dem Württemberg hinüber zu stehen. Konnte und durfte er ja doch im schlimmen Falle, wenn der Bote entdeckt würde, wenn er bekannte, an ihn geschickt worden zu sein, die Geliebte nicht verraten. Er wollte umkehren und den Mann aufsuchen, ihn bitten, sich sobald als möglich zu entfernen; aber als er bedachte, daß dieser schon längst von dem Platz ihrer Unterredung sich entfernt haben müsse, daß er indes zu Kraft kommen könne, schien es ihm geratener, dahin vorauszueilen, um jenem dort die nötigen Winke zu geben und ihn vor Unvorsichtigkeit zu bewahren.

[121] Und doch, wenn er sich das kühne Auge, die kluge, verschlagene Miene des Mannes ins Gedächtnis rief, glaubte er hoffen zu dürfen, daß Marie, obgleich ihr keine große Wahl übrigblieb, keinem unsicheren Mann diese Botschaft anvertraut haben konnte.

Und wirklich traute er seinem Auge, seinem Ohr kaum, als ihm um Mittag ein Landsmann aus Franken gemeldet und sein Liebesbote hereingeführt ward. Welche Gewalt mußte dieser Mensch über sich haben. Es war derselbe, und doch schien er ein ganz anderer. Er ging gebückt, die Arme hingen schlaff an dem Körper herab, selten schlug er die Augen auf, sein Gesicht hatte einen Ausdruck von Blödigkeit, der Georg ein unwillkürliches Lächeln abnötigte. Und als er dann zu sprechen anfing, als er ihn in fränkischer Mundart begrüßte und mit der geläufigen Zunge eines geborenen Franken dem Herrn von Kraft auf seine mancherlei Fragen antwortete, da kam er in Versuchung, an übernatürliche Dinge zu glauben; die Märchen seiner Kindheit stiegen in seinem Gedächtnisse auf, wo ein freundlicher Zauberer oder eine huldreiche Fee in allerlei Gestalten dem Dienst zweier Liebenden sich widmet und sie glücklich mitten durch das feindselige Schicksal hindurchführt.

Der Zauber war zwar bald gelöst, als er mit dem Boten auf seinem Zimmer allein war und ihn der gute Schwabe von seiner Persönlichkeit versicherte, aber doch konnte er ihm seine Bewunderung nicht versagen über die Rolle, die er so gut gespielt.

„Glaubt deshalb nicht minder an meine Ehrlichkeit“, antwortete der Bauer, „man wird oft genötigt, von Jugend auf durch solche Künste sich fortzuhelfen, sie schaden keinem und thun doch dem gut, der sie kann.“

Georg versicherte, ihm nicht minder zu trauen als vorher, der Bote aber bat dringend, er möchte doch jetzt auch auf seine Abreise denken; er möchte bedenken, wie sehr sich das Fräulein nach dieser Nachricht sehne, daß er nicht früher heimkehren dürfe, als bis er diese Gewißheit bringen könne.

Georg antwortete ihm, daß er nur noch den Abmarsch des Bundesheeres abwarten wolle, um in seine Heimat zurückzukehren.

[122] „O, da braucht Ihr nicht mehr lange zu warten“, antwortete der Bote; „wenn sie morgen nicht aufbrechen, so ist es übermorgen, denn das Land ist offen bis ins Herz hinein. Ich darf Euch trauen, Junker, darum sag’ ich Euch dies.“

„Ist es denn wahr, daß die Schweizer abgezogen sind“, fragte Georg, „und daß der Herzog keine Feldschlacht mehr liefern kann?“

Der Bote warf einen lauernden Blick im Zimmer umher, öffnete behutsam die Thüre, und als er sah, daß kein Lauscher in der Nähe sei, begann er:

„Herr! ich war bei einem Auftritt, den ich nie vergesse, und wenn ich neunzig Jahre alt werde! Schon unterwegs waren mir auf der Alb große Scharen der heimziehenden Schweizer begegnet; ihre Räte und Landammänner hatten sie heimgerufen; bei Blaubeuren standen aber noch über achttausend Mann, jedoch lauter gute Württemberger und nichts andres d’runter.“

„Und der Herzog“, unterbrach ihn Georg, „wo war denn dieser?“

„Der Herzog hatte in Kirchheim zum letztenmal mit den Schweizern unterhandelt, aber sie zogen ab, weil er sie nicht bezahlen konnte[Hauff 1]. Da kam er gen Blaubeuren, wo sich sein Landvolk gelagert hatte. Gestern morgen wurde durch Trommelschlag bekannt gemacht, daß sich bis neun Uhr alles Volk auf den Klosterwiesen einstellen solle. Es waren viele Männer, die dort versammelt waren, aber jeder dachte ein und dasselbe. Seht, Junker, der Herzog Ulerich ist ein gestrenger Herr und weiß den Bauer nicht für sich zu gewinnen. Die Steuern sind hart, der Jagdfrevel ist scharf und grausam, am Hof aber wird verpraßt, was man uns genommen hat. Aber wenn ein solcher Herr im Unglück ist, da ist es gleich ein anderes Ding. Jetzt fiel uns allen nur ein, daß er ein tapferer Mann und unser unglücklicher Herzog sei, dem man wolle das Land mit Gewalt entreißen. Es ging ein Gemurmel unter uns, daß der Herzog wolle eine Schlacht liefern, und jeder drückte das Schwert fester in der Hand, grimmig schüttelten sie ihre Speere und riefen den Bündlern Verwünschungen zu. Da kam der Herzog –“

[123] „Du sahst den Herzog, du kennst ihn?“ rief Georg neugierig, „o sprich, wie sieht er aus?“

„Ob ich ihn kenne?“ sagte der Bote mit sonderbarem Lächeln, „wahrhaftig, ich sah ihn, als es ihm nicht wohl war, mich zu sehen. Der Herr ist noch ein junger Mann, wenn es viel ist, ist er zweiunddreißig Jahr. Er ist stattlich und kräftig, und man sieht ihm an, daß er die Waffen zu führen weiß. Augen hat er wie Feuer, und es lebt keiner, der ihm lange hineinschaute. – Der Herzog trat in den Kreis, den das bewaffnete Volk geschlossen hatte, und es war Totenstille unter den vielen Menschen. Mit vernehmlicher Stimme sprach er, daß er sich, also verlassen, nimmer zu helfen wüßte[Hauff 2]. Diejenigen, worauf er gehofft, seien ihm benommen, seinen Feinden sei er ein Spott; denn ohne die Schweizer könne er keine Schlacht wagen. Da trat ein alter, eisgrauer Mann hervor, der sprach: ‚Herr Herzog! habt Ihr unsern Arm schon versucht, daß Ihr die Hoffnung aufgebt? Schaut, diese alle wollen für Euch bluten; ich habe Euch auch meine vier Buben mitgebracht, hat jeder einen Spieß und ein Messer, und so sind hier viele Tausend; seid Ihr des Landes so müde, daß Ihr uns verschmäht?‘ Da brach dem Ulerich das Herz; er wischte sich Thränen aus dem Auge und bot dem Alten seine Hand. ‚Ich zweifle nicht an eurem Mut‘, sprach er mit lauter Stimme. ‚Aber wir sind unserer zu wenig, so daß wir nur sterben können, aber nicht siegen. Geht nach Haus, ihr guten Leute, und bleibet mir treu. Ich muß mein Land verlassen und im bitteren Elend sein. Aber mit Gottes Hülfe hoffe ich auch wieder hereinzukommen.‘ So sprach der Herzog, unsere Leute aber weinten und knirschten mit den Zähnen und zogen ab in Trauer und Unmut[Hauff 3].“

„Und der Herzog?“ fragte Georg.

„Von Blaubeuren ist er weggeritten, wohin, weiß man nicht. In den Schlössern aber liegt die Ritterschaft, sie zu verteidigen, bis der Herzog vielleicht andere Hülfe bekommt.“

Der alte Johann unterbrach hier den Boten und meldete, daß der Junker auf zwei Uhr in den Kriegsrat beschieden sei, der in Frondsbergs Quartier gehalten werde. Georg war nicht wenig erstaunt über diese Nachricht; was konnte man von ihm [124] im Kriegsrat wollen? Sollte Frondsberg schon ein Mittel gefunden haben, ihn zu empfehlen?

„Nehmt Euch in acht, Junker“, sprach der Bote, als der alte Johann das Gemach verlassen hatte, „und bedenkt das Versprechen, das Ihr dem Fräulein gegeben, vor allem erinnert Euch, was sie Euch sagen ließ: Ihr sollt Euch hüten, weil man etwas mit Euch vorhabe. Mir aber erlaubt, als Euer Diener in diesem Haus zu bleiben; ich kann Euer Pferd besorgen und bin zu jedem Dienst erbötig.“

Georg nahm das Anerbieten des treuen Mannes mit Dank an; und Hans trat auch sogleich in seinen Dienst, denn er band seinem jungen Herrn das Schwert um und setzte ihm das Barett zurecht. Er bat ihn noch unter der Thüre, seines Schwures und jener Warnung eingedenk zu sein.

Dem unbegreiflichen Ruf in den Kriegsrat und der sonderbar zutreffenden Warnung Mariens nachsinnend, ging Georg dem bezeichneten Hause zu; man wies ihn dort eine breite Wendeltreppe hinan, wo er in der ersten Thüre rechts die Kriegsobersten versammelt finden sollte. Aber der Eingang in dieses Heiligtum ward ihm nicht so bald verstattet; ein alter, bärtiger Kriegsmann fragte, als er die Thüre öffnen wollte, nach seinem Begehr, und gab ihm den schlechten Trost, es könne höchstens noch eine halbe Stunde dauern, bis er vorgelassen werde; zugleich ergriff er die Hand des jungen Mannes und führte ihn einen schmalen Gang hindurch nach einem kleinen Gemach, wo er sich einstweilen gedulden solle.

Wer je in besorgter Erwartung einsam und allein auf der Marterbank eines Vorzimmers saß, der kennt die Qual, die Georg in jener Stunde auszustehen hatte. Das ungeduldige Herz pocht der Entscheidung entgegen, alle Nerven sind gespannt, das Auge möchte die Thüre durchbohren, das Ohr schärft sich, wenn in der Ferne eine Thüre knarrt, Schritte über den Hausgang rauschen oder undeutliche Stimmen im anstoßenden Zimmer lauter werden. Aber die Thüren haben umsonst getönt, die Schritte, immer näher und näher kommend, gehen vorüber, der ungleiche Ton der Stimmen sinkt zum Geflüster herab. Die Bretter des Fußbodens und die Fenster des Nachbarhauses sind bald gezählt, und schon [125] wieder zeigt der helle Ton der Glocke eine umsonst verlebte halbe Stunde an. Das Ohr begleitet alle Glocken und Uhren der Stadt, bemerkt ihre hohen und tiefen Töne – auch sie haben ausgeschlagen. Man steht auf, man macht einen Gang durch das enge Gemach, horch! da geht wieder eine Thüre, gewichtige Schritte kommen den Gang herauf, die Klinke der Thüre bewegt sich nach so langer Zeit wieder –

„Georg von Frondsberg läßt Euch seinen Gruß vermelden“, sprach der alte Kriegsmann, der nach so langer Zeit wieder zu Georg kam, „es könnte vielleicht noch eine Weile dauern; doch sei dies ungewiß, darum sollet Ihr hier bleiben. Er schickt Euch hier einen Krug Wein zum Vespern.“

Der Diener setzte den Wein auf den breiten Fenstersims des Zimmers, denn ein Tisch war nicht vorhanden, und verließ das Gemach.

Georg sah ihm staunend nach; er hätte dies nicht für möglich gehalten; über eine Stunde war schon verschwunden, und noch nicht? Er griff zu dem Wein, er war nicht übel, aber wie konnte ihm in seiner traurigen Einsamkeit das Glas munden?

Es ist ein gewöhnlicher Fehler junger Leute in Georgs Jahren, daß sie sich für wichtiger halten, als es ihre Stellung in der Welt eigentlich mit sich bringt. Der gereiftere Mann wird eine Beeinträchtigung seiner Würde eher verschmerzen oder wenigstens sein Mißfallen zurückhalten, während der Jüngling, empfindlicher über den Punkt der Ehre, leichter und schneller aufbraust. Kein Wunder daher, daß Georg, als er nach zwei tödlich langen Stunden in den Kriegsrat abgeführt wurde, nicht in der besten Laune war. Er folgte schweigend dem ergrauten Führer, der ihn hieher geleitet hatte, den langen Gang hin.

An der Thüre wandte sich jener um und sagte freundlich: „Verschmäht den Rat eines alten Mannes nicht, Junker, und legt die trotzige, finstere Miene ab; es thut nicht gut bei den gestrengen Herren da drinnen.“

Georg war in dem Augenblick zu wenig Herr über sich, als daß er den wohlgemeinten Rat hätte befolgen können, er dankte ihm durch einen Händedruck, ergriff dann rasch die gewaltige [126] eiserne Thürklinke und die schwere eichene Zimmerthüre drehte sich ächzend auf.

Um einen großen, schwerfälligen Tisch saßen acht ältliche Männer, die den Kriegsrat des Bundes bildeten. Einige davon kannte Georg. Jörg Truchseß, Freiherr von Waldburg, nahm als Oberster-Feldlieutenant den obersten Platz an dem Tische ein, auf beiden Seiten von ihm saßen Frondsberg und Franz von Sickingen, von den übrigen kannte er keinen, als den alten Ludwig von Hutten; aber die Chronik hat uns ihre Namen treulich aufbewahrt, es saßen dort noch Christoph, Graf zu Ortenberg, Alban von Closen, Christoph von Frauenberg und Diepolt von Stein, bejahrte, im Heere angesehene Männer.

Georg war an der Thüre stehen geblieben, Frondsberg aber winkte ihm freundlich, näher zu kommen. Er trat bis an den Tisch und überschaute nun mit dem freien, kühnen Blick, der ihm so eigen war, die Versammlung. Aber auch er wurde von den Versammelten beobachtet, und es schien, als fänden sie Gefallen an dem schönen, hochgewachsenen Jüngling, denn mancher Blick ruhte mit Wohlwollen auf ihm, einige nickten ihm sogar freundlich zu.

Der Truchseß von Waldburg hob endlich an: „Georg von Sturmfeder, wir haben uns sagen lassen, Ihr seid auf der Hochschule in Tübingen gewesen, ist dem also?“

„Ja, Herr Ritter“, antwortete Georg.

„Seid Ihr in der Gegend von Tübingen genau bekannt?“ fuhr jener fort.

Georg errötete bei dieser Frage; er dachte an die Geliebte, die ja nur wenige Stunden von jener Stadt entfernt auf ihrem Lichtenstein war; doch er faßte sich bald und sagte: „Ich kam zwar nicht viel auf die Jagd, auch habe ich sonst die Gegend wenig durchstreift, doch ist sie mir im allgemeinen bekannt.“

„Wir haben beschlossen“, fuhr Truchseß fort, „einen sicheren Mann in jene Gegend zu schicken, auszukundschaften, was der Herzog von Württemberg bei unserem Anzug thun wird. Es soll auch über die Befestigung des Schlosses Tübingen, über die Stimmung des Landvolkes in jener Gegend genaue Nachricht eingezogen werden; ein solcher Mann kann dem Württemberger durch [127] Klugheit und List mehr Abbruch thun als hundert Reiter, und wir haben – Euch dazu ausersehen.“

„Mich?“ rief Georg voll Schrecken.

„Euch, Georg von Sturmfeder; zwar gehört Übung und Erfahrung zu einem solchen Geschäft, aber was Euch dran abgeht, möge Euer Kopf ersetzen.“

Man sah dem Jüngling an, daß er einen heftigen Kampf mit sich kämpfte. Sein Gesicht war bleich, sein Auge starr, seine Lippen fest zusammengeklemmt. Die Warnung Mariens war ihm jetzt auf einmal klar; aber wie fest er auch bei sich beschloß, den Antrag auszuschlagen, wie erwünscht beinahe diese Gelegenheit erschien, um dem Bunde zu entsagen, so kam ihm die Entscheidung doch zu überraschend, er scheute sich, vor den berühmten Männern seinen Entschluß auszusprechen.

Der Truchseß rückte ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her, als der junge Mann so lange mit seiner Antwort zögerte: „Nun? wird’s bald? warum besinnt Ihr Euch so lange?“ rief er ihm zu.

„Verschonet mich mit diesem Auftrag“, sagte Georg nicht ohne Zagen, „ich kann, ich darf nicht.“

Die alten Männer sahen sich erstaunt an, als trauten sie ihren Ohren nicht. „Ihr dürft nicht, Ihr könnt nicht“, wiederholte Truchseß langsam, und eine dunkle Röte, der Vorbote seines aufsteigenden Zornes lagerte sich auf seine Stirne und um seine Augen.

Georg sah, daß er sich in seinen Ausdrücken übereilt habe; er sammelte sich und sprach mit freierem Mute: „Ich habe Euch meine Dienste angeboten, um ehrlich zu fechten, nicht aber um mich in Feindesland zu schleichen und hinterrücks nach seinen Gedanken zu spähen. Es ist wahr, ich bin jung und unerfahren, aber so viel weiß ich doch, um mir von meinen Schritten Rechenschaft geben zu können; und wer von euch, der Vater eines Sohnes ist, möchte ihm zu seiner ersten Waffenthat raten, den Kundschafter zu machen?“

Der Truchseß zog die dunkeln, buschigen Augenbrauen zusammen und schoß einen durchdringenden Blick auf den Jüngling, der so kühn war, anderer Meinung zu sein als er. „Was fällt [128] Euch ein, Junker!“ rief er. „Eure Reden helfen Euch jetzt nichts, es handelt sich nicht darum, ob es sich mit Eurem kindischen Gewissen verträgt, was wir Euch auftragen; es handelt sich um Gehorsam, wir wollen es, und Ihr müßt!

„Und ich will nicht!“ entgegnete ihm Georg mit fester Stimme. Er fühlte, daß mit dem Zorn über Waldburgs beleidigenden Ton sein Mut von Minute zu Minute wachse, er wünschte sogar, der Truchseß möchte noch weiter in seinen Reden fortfahren, denn jetzt glaubte er sich jeder Entscheidung gewachsen.

„Ja freilich, freilich!“ lachte Waldburg in bitterm Grimm, „das Ding hat Gefahr, so allein in Feindesland herumzureiten. Ha! Ha! Da kommen die Junker von Habenichts und Binnichts und bieten mit großen Worten und erhabenen Gesichtern ihren Kopf und ihren tapfern Arm an, und wenn es drauf und dran kommt, wenn man etwas von ihnen haben will, so fehlt es am Herz. Doch Art läßt nicht von Art, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – und wo nichts ist, da hat der Kaiser das Recht verloren.“

„Wenn dies eine Beleidigung für meinen Vater sein soll“, antwortete Georg erbittert, „so sitzen hier Zeugen, die ihm bezeugen können, daß er in ihrem Gedächtnisse als ein Tapferer lebt. Ihr müßt viel gethan haben in der Welt, daß Ihr Euch herausnehmt, auf andre so tief herabzusehen!“

„Soll ein solcher Milchbart mir vorschreiben, was ich reden soll?“ unterbrach ihn Waldburg. „Was braucht es da das lange Schwatzen? Ich will wissen, Junkerlein, ob Ihr morgen Euer Pferd satteln und Euch nach unsern Befehlen richten wollt oder nicht!“

„Herr Truchseß“, antwortete Georg mit mehr Ruhe, als er sich selbst zugetraut hatte, „Ihr habt durch Eure scharfen Reden nichts gezeigt, als daß Ihr wenig wißt, wie man mit einem Edelmanne, der dem Bunde seine Dienste anbot, wie man mit dem Sohne eines tapfern Vaters sprechen müsse. Ihr habt aber als Oberster dieses Rats im Namen des Bundes zu mir gesprochen und mich so tief beleidigt, als ob ich Euer ärgster Feind wäre, darum kann ich nichts thun, als, wie Ihr selbst befehlt, mein Roß [129] satteln, aber gewiß nicht zu Eurem Dienst. Es ist mir nicht länger Ehre, diesen Fahnen zu folgen, nein, ich sage mich los und ledig von Euch für immer; gehabt Euch wohl!“

Der junge Mann hatte mit Nachdruck und Festigkeit gesprochen und wandte sich zu gehen.

„Georg“, rief Frondsberg, indem er aufsprang, „Sohn meines Freundes!“

„Nicht so rasch, Junker“, riefen die übrigen und warfen mißbilligende Blicke auf Waldburg; aber Georg war, ohne sich umzusehen, aus dem Gemach geschritten, die eiserne Klinke schlug klirrend ins Schloß, und die gewaltigen Flügel der eichenen Pforte lagerten sich zwischen ihn und den wohlmeinenden Nachruf der besser gesinnten Männer; sie schieden Georg von Sturmfeder auf ewig von dem Schwäbischen Bunde.



  1. „Don Carlos“, 1. Akt, 5. Auftritt.

Anmerkungen (Hauff)

  1. [166] Sie zogen den 17. März ab. Der Herzog reiste sogleich nach Kirchheim, um sie aufzuhalten, allein hier kam eine zweite Order, unter Bedrohung des Verlustes ihrer Güter und der Leib- und Lebensstrafe nach Haus zu eilen. Sattler II, § 6. Thethinger pag. 66. Interim cum Helvetiorum primoribus agunt foederati, missis in urbes eorum legatis, ne Ducis Huldrichi negotio belloque se nunc immisceant, suos abscedere jubeant.
  2. [166] Sattler, § 6. Ausführlich führt diese Rede an: Thethinger comment. de reb. Würtemb. p. 66.
  3. [166] Diese Ergebenheit und Treue der Württemberger beschreibt am angeführten Ort Thethinger. Als einen sehr wichtigen Grund gegen die Angriffe Huttens führt sie auch Nicolaus Barbatus in seiner zu Marburg gehaltenen Rede auf. Vgl. Schardius II, 386. Wir machen auf diesen Umstand besonders aufmerksam, weil man gewöhnlich annimmt, es sei den Württembergern recht gewesen, daß man Ulerich verjagte; Thethingers Worte sind: „Als dies die Württemberger hörten, beklagten sie ihr Schicksal heftig, das ihnen nicht vergönne zu fechten. – Magno fremitu fortunam suam questi.“ – Noch merkwürdiger sind die Worte Nicolai Barbati; er sucht die Beschuldigungen Ulerichs von Hutten zu widerlegen: „Welcher Tyrann war den Seinigen wert? Ulerich lieben die Seinigen. Welcher Tyrann wird, wenn er verjagt ist, von seinen Untergebenen zurückgewünscht? Mit Bitten und Gebet wünschen sich seine Untergebenen den Herzog zurück und bitten die Götter, sie möchten ihnen den Herrn zurückgeben, u. s. w.“
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