Lettische Volkslieder und Mythen/Scherz und Spott. Sang und Trank
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Lerne, lerne, liebes Ännchen,
Kinder wiegen, Kinder warten!
Heut noch wartest du ein fremdes,
Übers Jahr vielleicht das eigne.
Julchen, ei, was muß ich sehen?
Bist wohl gar ein Kohldieb worden?
Hast zwei Köpfchen Kohl gestohlen
Und am Busen sie verborgen.
Heimchen hat ein Weib genommen,
Floh führt an den Hochzeitszug,
Heimchen in dem Seidenröckchen,
Floh im schwarzen Wollenkleid.
Zwiebeltochter fährt zur Trauung
Mit des Knoblauchs ältstem Söhnlein;
Großer Schnittlauch, kleiner Schnittlauch
Reiten mit im Hochzeitszug.
Hirten treibt die Herde heim!
Schon gerüstet ist das Mahl:
Ein paar magre Hundefüße
Und ein leckres Welpenköpfchen!
Eh’ ich zu dem Gutsherrn ging,
That ich Eis in meine Tasche,
Daß des Gutsherrn harter Sinn
Schmölze mit dem Eisesklumpen!
Schlechter Esthe, Sohn des Teufels,
Woher kamst nach Lettland du?
Grütze kocht dir deine Mutter,
Mit der Hündin Fuß sie rührend,
Mit des Huhnes Schmalz sie fettend
Und mit Schweinemilch verdünnend![1]
Backfischchen weinte,
Jüngelchen weinte,
Daß beider Augen
Flossen wie Bächlein: –
Backfischchens Mitgift
War noch nicht fertig,
Jüngelchens Gerste
War noch gesät nicht!
Schwester klagt dem Bruder bitter,
Daß die Leute sie verklatschen.
Bruder giebt der Schwester Antwort:
„Welchen Baum bewegt der Wind nicht?
Welches Korn trifft Hagelschlag nicht?
Wen verschonen böse Zungen?“
Bienchen, Bienchen, braungeaugtes,
Gleichen Alters sind wir nicht:
Du warst da, als ich geboren,
Du bleibst da, wenn ich gestorben!
Gerste sät’ ich hinterm Hügel,
Daß der Hopfen sie nicht schaue;
Doch der Hopfen ist ein Schläuling:
Auf den Baum stieg er – und sah sie.
Ei, ei, Brüderchen,
Wo blieb die Mütze?
„Beim Schankwirt, Schwesterchen,
Als Bierkrugdeckel!“
Sehr beweglich klagt der Trinker:
„Wo nur finde ich ein Bräutchen?
Weiße Blum’ am Mühlenteiche
Soll mein liebes Bräutchen werden!“
Doch die weiße Blum’ erwidert:
„Nimmer frei’ ich einen Trinker,
Nimmer einen Branntwein-Bruder,
Stürze lieber mich ins Wasser!“ –
Bruder Bier mich also fragte:
„Brüderchen, willst du mich trinken?
Nun, sobald du von mir trinkest,
Nimm auch lust’ge Lieder an!“
Laßt uns singen, traute Schwestern,
Weil wir alle noch beisammen!
Ach, Gott weiß, wo übers Jahr
Jede von uns weilen wird?
Manche in der weiten Fremde,
Manche unterm sand’gen Hügel!
Singe, singe, arme Waise,
Kennst ja viele schöne Lieder!
Für den Tod von Vater, Mutter,
Hast im Sang du Trost gefunden.
Zornig schilt die liebe Mutter,
Müde meines vielen Singens,
„Sag mir, Mütterchen, wo laß ich
Meine Sang- und Klangeslust?
Soll ich sie am Ende gar
In den tiefen See versenken?“
Sag, wo fandest du die Worte,
Die das Aug’ zu Thränen rühren?
Sag, wo hörtest du die Weise,
Die so traurig stimmt das Herz?
„Drüben, drüben hinterm Flusse
Hab’ ich Wort und Weis’ vernommen;
Hab’ wie Perlen sie gereihet
Dann auf meine Liederschnur’“
Anmerkungen
- ↑ Illustriert den alten Haß der Letten gegen die Esthen.