Kuttel Daddeldu und Fürst Wittgenstein

Textdaten
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Autor: Joachim Ringelnatz
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Titel: Kuttel Daddeldu und Fürst Wittgenstein
Untertitel:
aus: Kuttel-Daddeldu,
S. 24–26
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1924
Verlag: Kurt Wolff Verlag
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Erscheinungsort: München
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Quelle: UB Bielefeld und Commons
Kurzbeschreibung:
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Kuttel Daddeldu und Fürst Wittgenstein


Daddeldu malte im Hafen mit Teer
Und Mennig den Gaffelschoner Claire.
Ein feiner Herr kam daher,
Blieb vor Daddeldun stehn

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Und sagte: „Hier sind fünfzig Pfennig,

Lieber Mann, darf man wohl mal das Schiff besehn?“
Daddeldu stippte den Quast in den Mennig,
Daß es spritzte, und sagte: „Fünfzig ist wenig.
Aber, God demm, jedermann ist kein König.“

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Und der Fremde sagte verbindlich lächelnd: „Nein,

Ich bin nur Fürst Wittgenstein.“
Daddeldu erwiderte: „Fürst oder Lord –
Scheiß Paris! Komm nur an Bord.“
Wittgenstein stieg, den Teerpott in seiner zitternden Hand,

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Hinter Kutteln das Fallreep empor und kriegte viel Sand

In die Augen, denn ein schwerer Stiefel von Kut-
Tel Daddeldu stieß ihm die Brillengläser kaput,
Und führte ihn oben von achtern nach vorn
Und von Luv nach Lee.

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Und aus dem Mastkorb fiel dann das Brillengestell aus Horn,

Und im Kettenkasten zerschlitzte der Cutaway.
Langsam wurde der Fürst heimlich ganz still.
Daddeldu erklärte das Ankerspill.
Plötzlich wurde Fürst Wittgenstein unbemerkt blaß.

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Irgendwas war ihm zerquetscht und irgendwas naß.

Darum sagte er mit verbindlichem Gruß:
„Vielen Dank, aber ich muß – – –“

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Daddeldu spukte ihm auf die zerquetschte Hand

Und sagte: „Weet a Moment, ich bringe dich noch an Land.“

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Als der Fürst unterwegs am Ponte San Stefano schmollte,

Weil Kuttel durchaus noch in eine Osteria einkehren wollte,
Sagte dieser: „Oder schämst du dich etwa vielleicht?“
Da wurde Fürst Wittgenstein wieder erweicht.
Als sie dann zwischen ehrlichen Sailorn und Dampferhallunken

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Vier Flaschen Portwein aus einem gemeinsamen Becher getrunken,


Rief Kuttel Daddeldu plötzlich mit furchtbarer Kraft:
„Komm, alter Fürst, jetzt trinken wir Brüderschaft.“
Und als der Fürst nur stumm auf sein Chemisette sah,
Fragte Kuttel: „Oder schämst du dich etwa?“

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Wittgenstein winkte ab und der Kellnerin.

Die schob ihm die Rechnung hin.
Und während der Fürst die Zahlen mit Bleistiftstrichen
Anhakte, hatte Kuttel die Rechnung beglichen.

Der Chauffeur am Steuer knirschte erbittert.

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Daddeldu hatte schon vieles im Wagen zersplittert,

Während er dumme Kommandos in die Straßen und Gassen
Brüllte. „Hart Backbord!“ „Alle Mann an die Brassen!“
Rasch aussteigend fragte Fürst Wittgenstein:
„Bitte, wo darf ich Sie hinfahren lassen?“

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Aber Daddeldu sagte nur: „Nein!“ Darauf erwiderte jener bedeutend nervös:

„Lieber Herr Seemann, seien Sie mir nicht bös;
Ich würde Sie bitten, zu mir heraufzukommen,
Aber leider – –“ Daddeldu sagte: „Angenommen.“

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Auf der Treppe bat dann Fürst Wittgenstein
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Den Seemann inständig:

Um Gottes willen doch ja recht leise zu sein;
Und während er später eigenhändig
Kaffee braute – und goß in eine der Tassen viel Wasser hinein, –

Prüfte Kuttel nebenan ganz allein,

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Verblüfft, mit seinen hornigen Händen

Das Material von ganz fremden Gegenständen.
Bis ihm zu seinem Schrecken der fünfte
Zerbrach. – Da rollte er sich in den großen Teppich hinein.
Dann kam mit hastigen Schritten

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Der Kaffee. Und Fürst Wittgenstein

Sagte, indem er die Stirne rümpfte:
„Nein, aber nun muß ich doch wirklich bitten – –
Das widerspricht selbst der simpelsten populären Politesse.“
Daddeldu lallte noch: „Halt’ die Fresse!“