Kurze Anleitung zu einer richtigen Kenntniß und Behandlung der Forte-Pianos/2

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II. Kapitel
Hauptsächliche Gattungen von Forte-Pianos.
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II.
Hauptsächlichste Gattungen von Forte-Pianos.


Das vollkommenste Clavier ist der Flügel. Die Größe seines Körpers erlaubt nicht nur eine gehörig lange Saite, die zwar die von dem mathematischen Verhältniß erforderte Länge im tiefen Basse noch nicht ganz erreicht, aber derselben doch so nahe kommt, als es, ohne das Instrument unmäßig zu vergrößern, möglich ist; sondern die durch die Größe des Körpers möglich gemachte Ausdehnung des Resonanzbodens, so wie überhaupt die Größe des Kastens, giebt auch dem Flügel denjenigen vollen und männlichen Ton, der ihn von andern Claviergattungen unterscheidet. [19] Im Flügel liegen Saite und Hammer in gerader Richtung, was für das richtige Treffen der Saiten durch die Hämmer sehr zuträglich ist. Diese gerade Richtung des Hammers und der Saite gestattet auch die Verschiebung der Hämmer auf zwei oder Eine Saite, vermittelst einer Pedale. Der Flügel ist in der Regel dreifach besaitet, was mehr Ton giebt, und ein stärkeres Angreifen des Instruments beim Spielen erlaubt. Die Stimmnägel sind vorne auf dem Stimmstock angebracht, und die Stimmung dadurch sehr erleichtert.

Der Flügel teutscher Art hat einen etwas kleinern Körper als der englische; auch der Ton hat das Großartige und Kräftige nicht in dem Grade wie dieser, wogegen dem teutschen Flügel der Vorzug der Annehmlichkeit und des Gesanges im Tone nicht abgesprochen werden kann.

Die Dämpfung kann bei dem teutschen Flügel meistens ganz abgehoben werden; bei dem englischen lassen sich die Dämpfer nur einzeln herausnehmen.

Am teutschen Flügel findet sich ein durch Tuchläppchen, welche an einer Leiste befestigt sind, und durch Verschiebung derselben mittelst einer Pedale oder eines Knie-Druckers auf die Stelle des Hammer-Anschlages gerückt werden, – bewirktes Piano (Tuchzug), das sehr angenehm klingt. Es wird hie und da auch Lautenzug etc. genannt. Bei einigen Flügel-Forte-Pianos sind diese Läppchen weiter hinten zu doppelt; durch eine besondere Pedale, welche den Tuchzug weiter vorwärts zieht, werden die Läppchen so weit vorgerückt, [20] daß der Hammer auch die kürzern mit trifft, also ein verdoppeltes Piano entsteht, was gewöhnlich das Pianissimo genannt wird. Ein Tuchzug dieser Art klingt jedoch, wenn er als einfaches Piano gebraucht wird, nicht so schön, als wenn er überhaupt nur einfach ist und kein Pianissimo hat.

An dem Flügel englischer Art findet sich dieses Piano gewöhnlich nicht; gewiß nicht zu seinem Vortheil, denn auch hier würde dasselbe eine schöne Wirkung machen, und auch dem Fagottzuge des englischen Flügels, der ohne dieses Piano immer die nöthige Rundung und Weichheit im Tone nicht hervorbringen wird, sehr zu Statten kommen. Zwar giebt die etwas weichere Belederung der englischen Hämmer einigen Ersatz, doch bleibt diese Lücke immer zu bedauern. Vielleicht entschließen sich die Herren Instrumentenmacher noch, auch diese schöne Veränderung in die Flügel englischer Art aufzunehmen.

Eine weitere, beiden Gattungen von Flügel-Forte-Pianos gemeinschaftliche Veränderung, ist die Verschiebung der Hämmer auf Eine Saite (das Monochord). Dieselbe wird jedoch bei dem teutschen Flügel besser in Verbindung mit obengedachtem Pianozug (Tuchzug) gebraucht, weil sie sonst zu viel Schneidendes hat, mit dem Tuchzug aber einen sanften, frommen Ton hervorbringt, so daß die Franzosen ihr sogar den Namen jeu céleste, jeu angélique, beigelegt haben. Will man den Ton etwas stärker haben, so kann die Verschiebung auch auf zwei Saiten gerichtet [21] werden. An dem englischen Flügel vermißt man auch bei dieser Veränderung den Tuchzug nur mit Bedauern, um so mehr, als die starke Schnellkraft des englischen Hammers mit dem Widerstand einer einzigen Saite in keinem Verhältnisse steht, und der Hammer gar wohl einige Hemmung durch den Tuchzug erleiden dürfte, wenn er nur Eine Saite treffen soll.

Ferner ist hier anzuführen der Fagottzug, welcher durch ein an einen Stab befestigtes, mit Seidenzeug überzogenes hohles Papier, das bei dem Anziehen der Pedale die vibrirenden Saiten berührt, einen Fagott-ähnlichen Ton hervorbringt. Diese Veränderung darf aber, wenn sie Aehnlichkeit haben soll, nur in Verbindung mit dem Monochord und dem Piano (Tuchzug) gebraucht werden, und erfordert überdies auch von Seite des Spielers einige Uebung. Der Tuchzug wird demnach an dem englischen Flügel auch für den Fagott vermißt, wie dies oben schon bemerkt worden. Der Fagottzug geht nur durch den Baß bis in die Mitte des Claviers.

Dies wären nun die wesentlichsten Veränderungen, die sich an guten Flügel-Forte-Pianos finden; andere unwesentliche, oder wohl gar solche, die ein gutes Forte-Piano nur entehren, und mehr Kinder-Spielereien sind, als Modulationen eines Tonwerkzeugs, z. B. die Türken-Trommeln und Glöckchen u. dgl., sollten wohl an keinem Claviere getroffen werden, und verdienen hier auch keine nähere Beschreibung.

[22] Eine Veränderung mag hier noch angeführt werden, die eine schöne Wirkung macht, aber sehr sehen angetroffen wird. Es ist diese die Octave, das Octav-Flötchen. Sie besteht aus hölzernen, mit Leder gefütterten Tangenten, die, an einer Rahme befestigt, die Saiten von oben herab in der Mitte leise berühren, und dadurch sie um eine Octave erhöhen, auch, weil die Berührung nur leicht ist, einen flötenartigen Ton hervorbringen. Diese Veränderung geht nur durch die zwei oder drei obern Octaven.

Die Art, wie diese verschiedenen Veränderungen in Bewegung gebracht werden, und ob dies durch Pedale oder vermittelst der Drucker für das Knie geschehe, wäre an sich gleichgültig, wenn nicht der Fall manchmal einträte, daß mehr als zwei Veränderungen auf einmal gebraucht werden, z. B. das Monochord mit dem Pianozug (Tuchzug), und die aufgehobene Dämpfung (das Forte). Hier ist es gut, wenn das Piano, das seine eigene Pedale hat, auch noch durch einen besondern Drucker mit dem linken Knie regiert werden kann –

In Hinsicht auf Ton und Verwandtschaft der Einrichtung steht dem Flügel das aufrechtstehende Forte-Piano am nächsten. Es wird in verschiedenen Formen verfertigt, bald als Pyramide, bald als Armoire, bald als Giraffe u. s. w. Alles, was von Hammerwerk und Veränderungen etc. bei den Flügel-Forte-Pianos gesagt ist, gehört auch hieher. Die Mechanik kann teutscher oder englischer Art seyn, nur ist der Hammerschlag hier nie so kräftig, als beim [23] liegenden Claviere, weil der Hammer bei seinem horizontalen Gang nicht den Schwung hat, als beim aufsteigenden.

Das Tafel-Forte-Piano ist ein um der größern Bequemlichkeit willen ins Kleinere reducirtes Clavier; es darf also, was die Kraft des Tons betrifft, bei weitem das nicht erwartet werden, wie beim Flügel. Die tiefern Saiten können wegen der Kürze des Kastens die gehörige Länge nicht mehr haben, und es muß ihnen, um Tiefe und Spannung zu bekommen, durch Ueberspinnen der Saiten mit Silberdrath nachgeholfen werden. Der kleinere Kasten erlaubt auch nur einen kleinen Resonanzboden; die Saiten-Eintheilung und die Hammer-Mechanik ist enger und gedrängter, kurz, alles fordert eine schonendere, den schwächern Kräften des Instruments angemessene Behandlung. Wenn indessen der Ton eines Tafel-Forte-Piano zwar an Kraft und Stärke dem des Flügels nachsteht, so übertrifft dagegen das Tafel-Forte-Piano den Flügel an Anmuth und Lieblichkeit des Tons.

Auch die Tafel-Forte-Pianos unterscheiden sich in die teutsche und englische Art; von beiden gilt, in reducirtem Maasstabe, was von diesen beiden Clavier-Gattungen oben gesagt worden. Die Hammer-Mechanik ist vollkommen dieselbe, nur daß hier der Hammer mit der Saite nicht in gerader Richtung, sondern in einem Winkel steht. Die englische Hammer-Mechanik gewährt bei Tafel-Forte-Pianos noch den besondern Vorzug, daß die Axe des Hammers einen festen Punkt hat, der sich nicht, wie bei dem [24] teutschen Hammer, welcher an der Taste hängt, und mit ihrem Steigen einen nach der Länge der Taste größern oder kleinern Bogen beschreibt, je nach der Höhe, in welche die Taste gestiegen, – verändert. Außer dem oben schon berührten Vortheil, daß bei dem festen Punkte der Axe des englischen Hammers die Schwingung desselben keine Störung erleidet, trifft also dieser die Saite richtig, die Taste mag hoch oder nieder stehen; statt daß der teutsche Hammer bald zu weit vorne, bald zu weit hinten anschlagen kann, was zur Folge hat, daß besonders wenn einmal die gehörige Festigkeit und Präcision in der teutschen Mechanik durch längern Gebrauch verloren gegangen, die Hämmer öfters nebenliegende Saiten mitanschlagen, oder auch nur Eine Saite des rechten Tons treffen. Hieran leiden vorzüglich diejenigen Tafel Forte Pianos, bei denen die höheren Saiten vorne liegen; die Tasten verlieren bei dieser Bauart gegen die Höhe allzusehr in ihrer Länge, wodurch ihr Gang zu bogenförmig, und der Anschlag auf den in der Höhe ohnehin enge liegenden Saiten so unsicher wird, daß Ton, Stimmung und Haltbarkeit in den obern Octaven darunter verloren gehen. Es verdienen daher die Tafel Forte-Pianos, bei welchen die höheren Saiten hinten liegen, schon in dieser Hinsicht einen entschiedenen Vorzug, neben dem, daß überhaupt schon die Bauart bei jenen Instrumenten gewöhnlich weniger dauerhaft ist, als bei diesen.

Unter den verschiedenen Dämpfungen, welche bei Tafel-Forte-Pianos, angetroffen werden, verdienen diejenigen [23] den Vorzug, die ganz weggenommen werden können, was beim Aufziehen von Saiten große Bequemlichkeit gewährt.

In das Tafel-Forte-Piano gehört auch noch das Piano des teutschen Flügels (der Tuchzug), das an diesen Instrumenten eine sehr schöne Wirkung macht.

Alle andern Veränderungen, z. B. Fagott u. dgl. möchten bei einem Tafel-Forte-Piano höchst überflüssig seyn. Sie entsprechen auch bei diesen kleinern Clavieren ihrem Zwecke niemals. Daher werden dieselben hier sämtlich übergangen. –

Andere Gattungen von Clavieren, z. E. Flöten-Claviere, haben keine allgemeine Anwendbarkeit, sind deswegen selten, und gehören nicht hieher. Die mit einem Flötenwerk verbundenen Forte-Pianos namentlich müssen sehr gut angelegt und gemacht seyn, wenn sie gute Dienste machen sollen. Ihre Wirkung ist übrigens dann sehr schön. –

Von den Clavieren, die noch mehr verkleinert sind, als die gewöhnlichen Tafel-Claviere, läßt sich gar nichts Empfehlendes mehr sagen. Kein natürliches und richtiges Verhältniß kann mehr bei ihnen Statt finden; die Saiten sind zum größten Theile zu kurz, der Ton im Basse kraftlos und unrein, und der Körper hat nicht die nöthige Festigkeit. Man thut daher sehr wohl, solche Instrumente denjenigen zu überlassen, die überhaupt keine musikalischen Forderungen an ein Clavier machen oder machen können. –


Anmerkungen (Wikisource)