Kurtzes Bedencken Von denen Acten-maeßigen Relationen Wegen derer Vampiren

Textdaten
Autor: Gottlob Heinrich Vogt
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Titel: Kurtzes Bedencken Von denen Acten-maeßigen Relationen Wegen derer Vampiren, Oder Menschen- Und Vieh-Aussaugern, Ingleichen Uber das davon in Leipzig herausgekommene Raisonnement Vom Welt-Geiste
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Erscheinungsdatum: 1732
Verlag: August Martini
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Widerrede auf das Werk von W. S. G. E. (hier Welt-Geiste genannt): Acten-mäßige und Umständliche Relation von denen Vampiren oder Menschen-Saugern, Welche sich in diesem und vorigen Jahren, im Königreich Servien herfürgethan. Martini, 1732
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[I]
Kurtzes Bedencken

Von denen

Acten-mäßigen Relationen

Wegen derer

VAMPIREN,

Oder

Menschen-

Und

Vieh-Aussaugern,

Ingleichen

Uber das davon in Leipzig heraus-

gekommene Raisonnement
Vom

Welt-Geiste,
An gute Freunde gesandt

Von

Gottlob Heinrich Vogt,

Medic. Pract.


Leipzig,
Bey August Martini, Buchhändl. auf dem alten Neumarck, 1732.



[1]      
Hochgeehrter Herr!

DA ich noch von etlichen guten Freunden ersuchet worden, meine Meynung von denen Vampiren, oder Menschen- und Vieh-Aussaugern, und über das davon in Leipzig heraus gekommene Raisonnement, zu Pappier zu bringen; als habe denenselben hiemit nicht zuwider seyn wollen. Die Historie davon kan in denen umständlichen relationen davon selbst nachgesehen werden. Und schiebet der Autor des Raisonnements die Schuld auf den Welt-Geist, der in der gantzen Welt, folglich auch in dem Menschen-Blute seine Residentz hielte, und dieser Geist soll doch die Gestalt eines Hundes formiren können, wie p. 16. stehet. Welch eine natürliche Verwandlung! Der Autor spricht: GOtt schaffe nichts Todtes, sondern etwas Lebendes; das ist wahr, in sofern ich sagen kan, hoc universum vivit, aber nur in connexione. Vor sich selbst aber sind [2] viele Dinge todt, die nur von einem andern beweget werden, und so wohl also bleiben, als auch gäntzlich von ihrer Art abweichen, wie die Steine, etc.

Ferner spricht der Autor des Raisonnements, p. 28. die Unverweßlichkeit dependire von dem Welt-Geist, bey denen Vampiren. Weil aber alle Menschen in der Welt diesen Welt-Geist nach seiner Meynung in sich haben, so folgete, daß alle Menschen Vampiren, und unverweßlich seyn müsten, und alle requisita derselben besässen, und also operirten, quod falsum. Was Welt-Geist! der Welt-Geist ist hoc universum, da keines ohne das andere seyn kan, und folglich conjunctis viribus procreat, auget & multiplicat. Was sie aber unter den Welt-Geist verstehen, ist nichts anders, als die Lufft. Wäre dieses wahr, daß der Geist nach dem Todte eines Menschen bey dem Cörper bliebe, so wäre das ein herrlich Ding. Denn lebendig ist dieser Geist in den Cörper eingeschlossen, und kan nicht ausgehen; sonst würde er sich vieles versuchen und klug werden.

Wäre der Welt-Geist ein Stücke des gantzen Menschen, so folgete, daß, wenn er auch noch nach dem Tode bey dem Menschen bliebe, auch noch dergleichen Effecte zeugete, wie er [3] nach ihrer Meynung bey Lebzeiten gethan hat, und noch kein Blut-Sauger ist, u. s. f.

Was pag. 30. den eisernen Deckel anlanget, der die rothen Hälmgen gehabt, kan nicht dem Welt-Geist, sondern dem subtilen acido derer Weitzen-Hefen etc. zugeschrieben werden, welches das Eisen aufgelöset und zu Roste gemacht hat, welches hernach solche flores werden.

Was pag. 32. die rothe Farbe des Blutes anlanget, so ist es zwar falsch, daß es von der Leber herrühre, aber auch nicht von dem Welt-Geiste, denn das Blut ist nicht allezeit roth, sondern bisweilen bleyfarbig-schwärtzlich und gelb. Woher kommt nun die Farbe? Ist das Geblüte ohne Galle, verlieret es seine Farbe, hat es zu viel Galle, wird es hoch-roth; Hat die Galle keine Verrichtung mehr in dem intestino duodeno, und gantzen concoction, so wird das Blut gelb. Woher kommt nun die Farbe? Was folgen nicht hieraus vor absurda.

Weil das Eisenblech rothe flores hat gemacht, welches von dem Welt-Geist hergeleitet wird; Ergo ist das Blut auch roth. Ergo ist der Welt-Geist eisern. Eisen macht eine rothe solution, Kupffer eine grüne, u. s. f. iedes nach seiner Art. Ob zwar von vielen Spagisten behauptet wird, daß dasjenige, was sie den Welt-Geist nennen, mit dem Eisen concentrire, [4] connectire, und mit demselben in eine sympathetische fixitæt eingehe; so hat doch alsdenn diese neue Geburth keine rothe Frabe, sondern eine gantz andere, wie sie selbst bezeugen, und ist auch kein blosses Eisen. Quod bene notandum!

Die Verwandlung vom Hunde ist gar ausgelassen.

Was pag. 34. die Magischen Beschwerungen und Fluch anlanget, dependiret solches nicht von dem Welt-Geist, sondern von besonderer Beschaffenheit des Menschen, in specie der Weiber, da der Mensch solches offte wider seinen Willen thut, und nicht von Hertzen gehet. vid. Juncken in Medic. Præs. secul. accommod. P. II. p. 851. deme aber leichte abgeholffen werden kan. Wäre dieses wahr, so folgte, daß aller Menschen-Fluch im Wercke erfüllet werden müste; welches doch falsch.

Was pag. 42. das Zerstöhren und Verbrennen der Vampiren anlanget, ist es nicht Ursache der Besserung, auch keine totale Zerstöhrung, ob es gleich verbrannt wird, der Welt-Geist kan auch nicht verbrannt werden, sondern was verbrannt wird, ist der Gifft, so sich noch in dem Todten befindet, davon wir unten hören werden.

[5] Von dem Blute aus so vieler Menschen Adern p. 44. bey dem angeführten Bischoff ist zu mercken, daß in der Historie kein sensus literalis oder grammaticus, sondern ein sensus mysticus oder arcanum verborgen stecke, wie der Autor selbst saget, nehmlich, daß es ein arcanum sey, it. præparirt Blut. Folglich gehet es auf gemeine Weise nicht an, sondern auf eine solche geheime Art, ist auch kein wahrhafftig Geschrey gewesen, und so fort in sensu literali nicht zu verstehen. Dahero sagen die Spagisten zum öfftern, die Seele derer Thiere rede. Und ist das Rätzel vom Sphynge bis dato noch bey vielen unauflößlich. Wie zum Exempel der ietzo neu heraus gekommene Lügner im ersten Stücke sattsam beweiset, da er meynet, der Medicin einen Schandfleck anzuhängen, weil er von der Hunde-Seele, und derselben Rede etc. so spöttisch schreibet. Allein es mag bey ihm war seyn, was Curtius von sich saget: Plura transscribo, quam credo, hie aber muß man darzu setzen, atque intelligo. Was man nicht verstehet, muß man unangetastet lassen.

Was das schwanger werden pag. 17. der Ehefrau von ihrem also wieder gekommenen Vampiren anlanget, ist selbiges gantz natürlich. Denn der Mann ist gleich den andern [6] Tag wieder ausgegraben worden, auch nicht lange kranck gewesen, wie die andern, folglich ist leichte zu schliessen, daß er kurtz vorher, wie pag. 17. stehet, noch beym Leben seine Frau ordentlich hergenommen, welche davon schwanger worden, und weil beyde also von einem Giffte inficiret, und die Naturen corrumpirt gewesen, auch eine Mißgeburth habe folgen müssen, und mag dieses noch der Frau ihr Glücke gewesen seyn, daß sie schwanger worden, folglich der Gifft auf die Leibes-Frucht gekommen, und sie beym Leben erhalten. Daß sie aber vorgegeben hat, der Mann sey wiedergekommen, ist von dem beygebrachten Giffte hergekommen, da sie nicht vollkommen bey Sinnen gewesen, und ist ihr über dieses auch wohl im Schlafe passiret, wie denn überhaupt die also inficirten im Schlaf sehr rasen und phantasiren.

Mit dem Hunde pag. 17. hat es gleiche Verwandniß, und sind die Leute schon inficirt gewesen, wie sie den Hund gesehen haben, welches wohl im Schlummer mag geschehen seyn, der völlige Biß aber im Schlafe geschehen. Dahero denn leichte zu schliessen, daß dieser Gifft den Leuten mag den Kopff einnehmen, daß sie immer schlafen wollen, der rothe Fleck von dem Biß ist ein Effect des Gifftes.

Das Geschrey des Vampiren ist vor kein [7] Geschrey zu halten, sondern ein blosser sonus gewesen, dergleichen sich vielmahl bey Eröffnungen derer mit Lufft angefülleten Cörper ereignet.

Was die Gemüths-Neigung weit entfernter Leute gegen einander anlanget, so kömmt solche nicht von dem Welt-Geiste her, sondern solche Leute haben schon einander ihre Mumiam, wie es die Spagisten nennen, communiciret, welche sie denn mit sich nehmen. Die übrigen impressiones aber der Sonnen, des Monden, der Lufft und der Witterung und dergleichen ist allen lebhafften Creaturen gemein, weil alles Leben davon dependiret. Jedoch ist dergleichen impression einem mehr als dem andern gemein, und dem Menschen am wenigsten. Dahero wir solches erst vor denen Thieren lernen müssen. Wie denn ein Hahn und Hund die Sulphurischen Witterungen bald erfähret.

Die Unverweßlichkeit rühret bey denen Vampiren nicht von dem Welt-Geiste, oder von der Gegend des Landes her, denn sonst wären sie alle unverweßlich, sondern von einem beygebrachten also qualificirten Giffte her, und daß sie neue Haut bekommen, geschicht bey den Schlangen auch. Der Welt-Geist kan nicht in dem Menschen seyn, wie wir gleich sehen werden, sondern ausser demselben, und nur auf verschiedene [8] Art empfunden werden. Ist also kein wesentlich Stücke des Menschen, sondern agirt nur in dem Menschen. Wer leugnet aber, daß in der Erde keine Lufft sey? Satis.

Ist aber der Welt-Geist auch der dritte Theil des Menschen, so folget, weil der also beruffene Welt-Geist eine grosse Weisheit besitzen soll, und der Mensch doch so viele unglückliche und verkehrte Sachen vornimmt, daß er von dem Welt-Geiste nicht gelehret und unterrichtet werde, folglich selbigen gar nicht habe. Sind nun die Thiere, als ein Haus-Hahn, Hund, Maulwurff etc. in vielen Stücken klüger als der Mensch, wie die Erfahrung lehret, so folget, daß sie den Welt-Geist alleine haben, welchen sie uns erst communiciren müssen.

Das Exempel von der angeführten Puerpera Paracelsi pag. 41. muß mit dem verglichen werden, was ich oben von dem Verfluchen und fascinationen gemeldet habe, da sich denn das Rätzel leichte erkläret. Und freylich wird auf diese Weise manch Kind von seiner treulosen und unvorsichtigen Mutter gleich von der ersten Geburth an ins Elend gestürtzet. Und also kan man leichte erachten, warum Sirach spricht: Der Mutter Fluch reisse des Vaters gegebenen Segen wieder nieder. Auch lese man, was gemeldeter Juncken von denen [9] Mitteln darwider anführet. Ist also wiederum nicht der Welt-Geist, sondern ihr eigener besonderer Zustand dadurch zu verstehen. Damit ich aber einmahl zum lautern Zweck komme, ohne fernere Auflösung dergleichen philosophischen Rätzel, so wird der geneigte Leser nunmehro ohne Hindernisse die Sache von denen Vampiren besser einsehen lernen, nachdem ich obiges voraus gesetzet. Nehmlich es gehet die Sache auf gleiche Weise, wie bey den Bissen thörichter Hunde zu, da gleichfalls ein Mensch solche Rasereyen empfähet. Und hat man Exempel, daß solche Leute, die von einem rasenden Hund gebissen worden, andere Leute gleichfalls also wieder inficiret, und wohl gar umgebracht haben.

Ist also die Infection der Vampiren noch bey Lebzeiten derselben geschehen, durch communication des schädlichen Gifftes. Oder sie geschicht noch auf eine andere Art, davon wir gleich unten hören werden.

Daß aber die Leute vorgeben, es käme ein Todter wieder, geschicht aus einer Raserey, die der communicirte Gifft verursachet, aus welchen denn auch turbirter Schlaf und Träume erfolgen. Dahero denn die Träume billig anders betrachtet werden solten, als sie von vielen [10] betrachtet werden; Diese Träume aber kommen NB. von dem Thiere her.

An denen, so von thörichten Hunden gebissen, siehet man, daß sie auch Phantasien haben, auch sich vor dem Wasser fürchten, welches denn auch Gelegenheit geben kan, nachzusinnen, warum der Hund also thöricht worden, der sich doch bey weiten nicht so vor dem Wasser fürchtet, wie eine Katze. Aber genug hiervon.

Daß aber der Effect bey denen Vampiren sich so lange nach empfangenem Giffte äussert, ist gleichfalls wie bey den Bissen thörichter Hunde, und hat man Exempel, daß solcher Gifft viele Jahre, nach dem Biß sich erst geäussert, wie denn Philip. Salmuth in Observ. Medic. Cent. I. No. 96. ein solch Exempel anführet, von einem jungen Edelmann, der mit einem Schooß-Hündlein, unwissend daß es rasend, gespielet, welches ihn beisset, der Gifft verhält sich so lange, bis er die erste Nacht mit seiner Braut zu Bette gehet, da er denn selbe gleich als ein rasender Hund angefallen, und mit dem Munde zerfleischet, welcher aber von der Braut Freunden, die das Geschrey gehöret, erstochen worden, die Braut aber des andern [11] Tages gestorben. Dieses bekräfftiget auch das Exempel des Heyducken Arnod Paole.

Das Thier aber so solche Infection verrichtet, wird von denen Physicis mit vielerley Nahmen benennet, und mit verschiedenen Eigenschafften begabet seyn soll. Nehmlich es sey ein rechter Blut-Sauger und Pelican, verändere seine Farben, werde wieder lebendig, sey unverbrennlich und so weiter, sey auch gerne in den Todten-Gräbern, und ein vollkommener Menschen-Fresser.

Dergleichen Dinge causiret auch eine Tarantul, dergleichen Personen ich auch gesehen und curiret habe. Geschicht also diese ansteckende Seuche durch Mittheilung des Gifftes, oder auch durch eine von dem also genannten, (aber fälschlich) Vampiren extrahirte und nicht erlaubte Sympathie oder Antipathie. Auch werden die Thiere von dergleichen gifftigen Würmern öffters inficiret , davon denn hernach zuweilen die Menschen das Fleisch geniessen, und auch davon inficiret werden können.

Und wenn man denen ietziger Zeit neu einlauffenden Zeitungen und Nachrichten von der [12] also beruffenen Weibs-Person, trauen darff, welche françement gestehet, was mit ihr vorgangen, nehmlich daß sie wunderliche Erscheinungen gehabt, Blut geschwitzet, ihr auch das Blut aus denen Wunden gesauget worden, der wird leichte zugestehen, daß es auf eine dergleichen Manier geschehen sey und mir also beystimmen. Besiehe von dergleichen Sachen Hildebrands magiam naturalem, und die, so ex professo von der Sympathie geschrieben haben. Wie man denn Bücher hat, daraus man allerdings dergleichen Bosheit beweisen kan. Aber GOTT behüte uns davor.

Dieses ist also die Kurtze Entscheidung, was man von denen Vampiren zu halten, und führet genauer zum Licht, als der Welt-Geist.

Gesetzt aber, es wäre ein Welt-Geist schuld, wäre er iedennoch dieser meiner Meynung nicht zuwider, und müste hiedurch erwiesen werden.

Zum Endschluß will ich noch die Gelegenheit anführen, wie dieser Welt-Geist bekannt worden. Paracelsus gedencket dessen zu vielen [13] mahlen. Wie aber seine Schrifften alle Rätzelhafft sind, so ists auch mit dem Welt-Geiste. Nehmlich es solle gleichsam die Seele der Welt seyn. Wie man in andern Sachen auch zu reden pfleget, als e. g. die Seele der Handlung, die Seele des Salpeters, des Victriols, etc. welches eben so viel ist, als das Beste gemeldeter Sachen, da das übrige und unnütze weggeworffen wird, welches Paracelsus auch sonst die Behausung nennet, und den Geist den Einwohner.

Also ists mit dem Welt-Geiste auch, oder mit der Seele der Welt, nehmlich der Lufft, als welche in unserm Autore und seinem Raisonnement auch die Deliquescenz des Salis Tartari verursachet, und also metaphorice die Seele genennet wird, weil sie bloß und ohne irrdische Unreinigkeiten ist.

Wie sich nun viele an denen Paracelsischen Rätzeln zu Schanden gerathen, also ist es ihnen auch in der Auslegung des Welt-Geistes gelungen, und haben denn so gleich einen aparten Geist daraus gemacht.

Der Mensch hat von Anbeginn nicht mehr als zwey Theile gehabt, nehmlich eine irrdische [14] Massam, und einen lebendigen Odem von GOtt, wie ich solches künfftig deutlicher zeugen will, so es GOtt gefällt, ingleichen von denen Temperamenten, und daraus sehr schädlichen folgenden Lehren.


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