Klein-Piepeneichen
Von Theobald Tiger
Alles, was seit dem November geschehen,
wird im Reiche nicht gern gesehen.
Besonders der Stammtisch der kleinen Stadt
furchtbar viel zu schimpfen hat.
das gloriose Gestern, das nüchterne Heute,
die Machtlosigkeit der Landratsfamilien,
die scheußlichen Revolutionsutensilien,
als da wäre: der Arbeiterrat – –
Umsturz, Krach und Thronverzicht:
Für Klein-Piepeneichen gilt das nicht.
In Klein-Piepeneichen ist Vater und Kind
Gott sei Dank stramm monarchisch gesinnt.
da feiert man noch die erträumten Siege,
lobt sich die gußeisernen Generale,
sonnt sich am alten Ruhmesstrahle,
glaubt noch immer die alten Lügen,
den altwilhelminischen süßen Brei,
schimpft auf das Neue und denkt nichts dabei.
Abrechnung? Aufklärung? Staatsgericht?
Für Klein-Piepeneichen gilt das nicht.
Wer wagt sich heran an die alten Gebühren?
Der gnädige Herr auf dem Rittergut
weiß, wie wohl ihm der Flitter tut;
er kann den Nimbus von falschen Ehren
Soll nur der Herr Minister rügen,
sollen sie in Berlin verfügen –
Wir gehen unsern alten Schritt
und heizen uns unsre Stuben damit.
Für Klein-Piepeneichen gilt das nicht.
Der Haß der wildesten Kommunisten,
der menschenfressenden Bolschewisten
ist nicht so heiß und ist nicht so schlimm
Der stellte am liebsten das halbe Land,
das ihm nicht paßt, glatt an die Wand.
Da ist Blutdurst und da ist Roheit.
Das spürt noch immer die alte Hoheit
Wilhelm ist fort. Sein Unkraut blüht.
Sie hängen am Tand. Sie hängen an Bildern.
Ihre ohnmächtige Wut ist nicht zu schildern.
Mag die Regierung schalten und walten –:
Nichts will ihnen vom Neuen passen.
Sie können vom Haby-Schnurrbart nicht lassen.
Und sehnen sich nach des Kaisers Segen.
Ihretwegen. Ihretwegen.
Bis einer ihren Willen bricht.
Revolution in Klein-Piepeneichen:
werden wir die in Deutschland erreichen?