Klagelied eines deutschen Dichters
[120]
Klagelied eines deutschen Dichters.
Wohl euch, so lang ihr etwas werdet,
Und eure junge Kraft erprobt:
Man rühmt euch, wie ihr euch gebärdet,
Man findet’s löblich, wenn ihr tobt.
5
Doch weh, wenn etwas ihr geworden,Wenn ausgegohren eure Kraft;
Wenn in der ächten Sänger Orden
Mit Ruh’ und Tiefe nun ihr schafft.
O wie alsdann man euer Dichten
10
Mit einem andern Stabe mißt,Dann will euch jeder Knabe richten,
Der immer wird und niemals ist.
Dann seyd ihr, wie der Sclav’ in Ketten:
Er thue recht – wen kümmert das?
15
Doch nichts kann vor dem Grimm ihn retten,Wenn er nur Einmal sich vergaß.
So – schafft ihr Großes, schafft ihr Aechtes?
Das ist ja nur verdammte Pflicht!
Doch machet Einmal nur nicht Rechtes:
20
Das duldet, das verzeiht man nicht.
Drum seufzt, wer Stümper ist gewesen,
Und nicht mehr ist: o wär’ ich’s noch!
Dann würde mich mein Deutschland lesen,
Und die Kritik, sie riefe: Hoch!