Canones für Priester und Kleriker

Textdaten
Autor: Rabbula von Edessa
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Titel: Kanones für Priester und Kleriker
Untertitel:
aus: Bibliothek der Kirchenväter, Band 38, S. 230–237.
Herausgeber:
Auflage: 1
Entstehungsdatum: 5. Jh.
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Jos. Koesel’sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Kempten
Übersetzer: Gustav Bickell
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Quelle: Faksimile auf den Commons
Kurzbeschreibung:
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[230]
Canones für Priester und Kleriker.[1]




Vor Allem müssen die Söhne der Kirche den wahren Glauben der heiligen Kirche kennen, damit sie nicht von den Irrlehrern verführt werden.

[231] Keiner von den Periodeuten[2], Priestern, Diakonen oder Klerikern wohne mit Frauen zusammen, außer mit seiner Mutter, Schwester oder Tochter. Eben so wenig dürfen sie Frauen ausserhalb ihres Hauses wohnen lassen und dann steten Umgang mit ihnen unterhalten.

Priester, Diakonen und Kleriker dürfen die Nonnen nicht mit Gewalt zwingen, ihnen Gewänder anzufertigen.

Priester und Diakonen dürfen sich nicht von Frauen, am wenigsten von Nonnen, bedienen lassen.

Priester, Diakonen und Periodeuten dürfen von Niemandem, besonders nicht von obrigkeitlichen Personen, Geschenke annehmen.

Die Priester und Diakonen sollen den Klerikern und Laien keine Geldbeiträge auflegen, auch wenn es ihnen von den städtischen Behörden aufgetragen würde; sondern die kirchlichen Bedürfnisse sollen durch freiwillige Gaben bestritten werden.

Wenn der Bischof einen Ort besucht, soll man von den Laien keine Steuer, wie für den Bischof, erheben; sondern wenn die Kirche Vermögen besitzt, soll das Nothwendige aus dem Kirchengut angeschafft werden; wenn aber die Kirche Nichts besitzt, soll man gar Nichts geben.

Die Priester sollen von Niemandem zwangsweise Ehrengeschenke für die Feste oder zur Pflege der Armen fordern, sondern sollen Dieß dem Belieben der Geber überlassen.

Priester, Diakonen, Kleriker und Nonnen sollen weder Zinsen nehmen, noch irgend ein anderes, unerlaubten Gewinn bringendes Geschäft betreiben.

Den Gottgeweihten beiderlei Geschlechts sollen ihre Priester nicht gestatten, bei Weltleuten zu wohnen, ausser bei ihren Verwandten oder bei einander.

Haltet an im Fasten und befleissigt euch des Gebets, all’ ihr Söhne der Kirche! Sorget für die Armen und [232] verschaffet den Unterdrückten Recht ohne Ansehen der Person!

Alle Curatpriester sollen für die Unterstützung der zu ihnen kommenden Armen sorgen, vorzüglich für diejenigen, welche Gott geweiht sind.

Die Periodeuten dürfen Keinen, gegen den eine Beschuldigung[3] vorliegt, zur Würde des Priesterthums vorstellen, auch nicht Solche, welche sich unter dem Joche der Sklaverei befinden und noch nicht freigelassen worden sind, gemäß der Anordnung des Apostels.

Die Periodeuten sollen nicht jedem Beliebigen die gerichtlichen Verhöre übertragen, sondern nur Solchen, welche als unparteiisch bekannt und erprobt sind.

Die Priester und Diakonen sollen sich der in ihren Bezirken lebenden Mönche annehmen und für deren Bestes so eifrig wie für ihre eigenen Glieder sorgen, auch die Laien ermahnen, daß sie zu den irdischen Bedürfnissen Jener beitragen möchten. Frauen dürfen jedoch nicht in die Thüren der Klöster eintreten.

Bei jeder Kirche werde ein Haus dazu bestimmt, um den dorthin kommenden Armen Pflege zu gewähren.

Die Zauberer und Beschwörer, Diejenigen, welche Amulete schreiben und Männer und Frauen salben, indem sie sich unter dem Scheine der Heilkunst herumtreiben, vertreibet aus allen Orten und nehmet ihnen Bürgschaft ab, daß sie nicht wieder in unsere Gegend zurückkehren!

Man soll nicht gestatten, daß gottgeweihte Jungfrauen allein zur Kirche kommen oder zur Nachtzeit ausgehen; wo möglich sollen sie aber gemeinschaftlich wohnen, was auch von den Asceten gilt.[4]

[233] Wenn Kleriker oder gottgeweihte Jungfrauen Mangel leiden, so sollen die Priester oder Diakonen ihres Ortes Sorge für sie tragen. Wenn aber diesen die hierzu nöthigen Mittel fehlen, so sollen sie uns Anzeige machen, damit wir für Jene sorgen und sie nicht durch Mangel zu ungeziemenden Handlungen gezwungen werden.

Die Kleriker sollen die Psalmen auswendig lernen, die gottgeweihten Jungfrauen ausserdem noch Hymnen.

Priester, Diakonen, Kleriker und gottgeweihte Jungfrauen sollen den Namen Gottes nicht aussprechen, um zu schwören, möge es wahr oder unwahr sein, sondern sie sollen das Gebot beobachten.

Wenn Periodeuten, Priester oder Diakonen in eine Stadt kommen, sollen sie nicht in Gasthäusern oder Schenken wohnen, sondern in dem kirchlichen Hospital (Xenodochion) oder in benachbarten Klöstern.

Priester, Diakonen, Asceten und gottgeweihte Jungfrauen sollen sich des Weines und Fleisches enthalten; nur Diejenigen, welche kränklich sind, dürfen ein wenig davon gebrauchen, wie geschrieben steht.[5] Wer sich aber betrinkt oder Wirthshäuser besucht, soll aus der Kirche[6] ausgestoßen werden.

Kein Jünger Christi soll aus Habgier mehr besitzen, als er zu seinem Lebensunterhalt bedarf, sondern sie sollen den Überfluß an die Armen austheilen.

Priester, Diakonen und Kleriker sollen sich nicht zur Behütung der Getreideernten und Weinberge oder zu anderen Lohndiensten für Weltleute hergeben.

Priester, Diakonen oder Kleriker sollen sich nicht zum Vormund oder Verwalter für Weltleute bestellen lassen, auch [234] nicht die Rechtssachen ihrer Verwandten übernehmen oder, um diesen Recht zu Verschaffen, fortwährend an der Thüre des Richters erscheinen.

Priester, Diakonen, Kleriker und gottgeweihte Jungfrauen sollen das kirchliche Officium unausgesetzt beten und niemals die Gebetszeiten und die Psalmodie bei Tag und bei Nacht versäumen.

Einen Laien, welcher es wagt, eine gottgeweihte Jungfrau zu heirathen, soll man in den Bann thun und gefesselt dem städtischen Richter überliefern. Wenn aber Diese sich freiwillig hat verführen lassen, soll man sie auch dahin abführen.

Asceten oder gottgeweihte Jungfrauen, welche von ihrem Stande abfallen, schicket in die Klöster, um daselbst Buße zu thun! Wenn sie aber nicht im Kloster bleiben, so soll man sie nicht in die Kirche aufnehmen, sondern sie sollen eine angemessene Zeit hindurch sammt ihren Eltern[7] von der Kommunion ausgeschlossen werden.

Man darf keine Frau, die ausser ihrem Manne noch einen Anderen hat, auch keinen Mann, der neben seiner Gattin noch ein anderes Weib hat, zum Taufunterricht zulassen, damit nicht der Name Gottes verlästert werde.

Die Priester dürfen nicht gestatten, daß Denen, welche in Unkeuschheit befunden worden sind, ohne unsere ausdrückliche Erlaubniß die Eucharistie gereicht werde.

Keiner von den Priestern und Diakonen oder irgend Einer von den Söhnen der Kirche wage es, gewöhnliche Gefäße neben die heiligen Gefäße auf den Altar oder den Credenztisch zu stellen.

Niemand unterstehe sich, das Opfer zur Communion zu reichen, wenn er nicht Priester oder Diakon ist.

Haltet alle Gutsherren in der ihnen gebührenden Ehre, [235] ohne sie jedoch um ihres Ansehens willen zu bevorzugen und den Armen Unrecht zu thun!

Lasset Niemanden geißeln; wenn Dieß aber aus irgend einer Ursache nothwendig geschehen müßte, so geißelt die Schuldigen entweder nur bis zur Abschreckung oder schickt sie zu den weltlichen Richtern!

Bringet die Gerichtssachen zum Abschluß und gestattet nicht, daß die Parteien nach euerer Entscheidung in die Stadt gehen und dort weiter processiren! Diejenigen aber, welche gegen euer Urtheil appelliren, sendet zu uns!

Man soll den Klerikern nicht gestatten, Versammlungen oder andere Orte zu besuchen, ausser in Begleitung von Priestern; deßgleichen dürfen die gottgeweihten Jungfrauen nur in Begleitung der Diakonissen ausgehen.

Keiner von den Priestern, Diakonen oder Klerikern gehe ohne Befehl von uns auf den Kirchhof oder an einen anderen entfernten Ort, und verlasse seine Kirche, auch nicht in Angelegenheiten seiner Ortschaft oder seiner Kirche.

Alle Priester sollen für den Dienst des Hauses Gottes sorgen und alles für dessen Aufrechterhaltung Nothwendige thun. In der Kirche sollen keine Thiere gehalten werden, damit nicht das Haus Gottes verachtet werde.

Wenn ein Periodeute, Priester oder Diakon diese Welt verläßt, so soll er sein Eigenthum der Kirche hinterlassen.

Priester, Diakonen und Kleriker sollen für Niemanden schriftlich oder mündlich Bürgschaft leisten.

Die Priester und Diakonen, wo möglich auch die Asceten, sollen bei der Kirche wohnen.

Die Priester und Diakonen sollen dafür sorgen, daß in jeder Kirche eine Handschrift der evangelischen Perikopen vorhanden sei und vorgelesen werde.

Da, wo Priester sind, sollen diese das Evangelium vorlesen, nicht die Diakonen; auch die Bezeichnung sollen die Priester, wenn sie vorhanden sind, ertheilen.[8]

[236] Laien dürfen nur da zu Verwaltern des Kirchengutes ernannt werden, wo keine hierzu geeigneten Kleriker vorhanden sind.

Kleriker oder Nonnen sollen nicht zu Ehren Verstorbener Wein trinken.

Nehmet zu Niemandes Gunsten ein Schreiben aus dem Pallast an und thuet deßwegen nichts Ungerechtes!

Die Söhne der Kirche sollen weder in Worten noch in Werken mit den Häretikern Gemeinschaft unterhalten.

Man soll keinem Häretiker gestatten, im Kloster zu wohnen; auch soll man solchen Häretikern, welche in die Kirche kommen und schwankender Gesinnung sind, nicht die Communion reichen.

Ketzerische Schriften und Gebetsformulare suchet überall auf, und wenn ihr es thun könnt, bringet sie entweder zu uns oder verbrennt sie!

Man darf die Häretiker nicht ohne Unterschied zur Taufe zulassen, sondern sie sollen vor ihrer Aufnahme einer Prüfung unterzogen werden.

Die Priester dürfen den Besessenen das Opfer nicht reichen, damit nicht das Allerheiligste dadurch verunehrt werde, daß man es mit Dämonen zusammenbringt.

Die den Dämonen geweihten Bäume hauet ab und verwendet sie zum Besten der Kirche des betreffenden Ortes!

Wenn sich an einem Ort noch Reste eines Götzentempels befinden, so sollen sie ohne Aufsehen von Grund auf zerstört werden.

Wo noch keine Kirchen sind, sollen sie erbaut, die schon gebauten aber ausgeschmückt und mit Chorschranken und dauerhaften Vorhallen versehen werden.

Keiner von den Söhnen der Kirche, über welche der Name Christi genannt ist, wage es, sich selbst zu entmannen!

[237] Kein Mann entlasse seine Frau, wenn er sie nicht im Ehebruch betroffen hat[9]; die Frau aber darf ihren Gatten aus keiner Ursache entlassen.

Niemand heirathe die Tochter seiner Schwester oder seines Bruders, auch nicht seine Muttersschwester oder Vatersschwester!

Die Kleriker dürfen nicht die Predella des Altars besteigen.[BN 1] Die Priester dürfen keine Speisen innerhalb der Chorschranken hineinbringen oder daselbst essen; überhaupt soll Niemand im Heiligthum Nahrung zu sich nehmen. Auch soll daselbst Nichts ausser den heiligen Gefäßen hingestellt werden.

Die Priester und Diakonen, welche die Eucharistie austheilen, sollen von den Communikanten kein Geschenk annehmen.

[10]Wenn eine Partikel des heiligen Leibes zu Boden fällt, soll man sie sorgfältig aufsuchen und nach ihrer Auffindung die Stelle, wenn es Erde ist, abschaben, diese Erde mit Wasser vermischen und den Gläubigen als Gnadenmittel geben. In derselben Weise soll die Stelle auch dann abgeschabt werden, wenn man die Partikel nicht wiederfindet. Ebenso werde es gehalten, wenn Etwas von dem heiligen Blute verschüttet ist. Ist der Boden von Stein, so sollen glühende Kohlen darauf gelegt werden.

Eine verheirathete Frau darf nur mit Zustimmung ihres Gatten in den Ordensstand eintreten, ebenso ein Mann nur mit Einwilligung seiner Gattin.


  1. Das von uns mit „Kleriker“, zuweilen auch mit „Asceten“ übersetzte Wort heißt im Syrischen Bnai Kjama, welches gewöhnlich durch „Söhne des Bundes“ oder „des Gelübdes“ übersetzt wird, wahrscheinlich aber ursprünglich ganz Dasselbe bedeutet, wie das griechische Kanonikoi. Zu dieser Klasse gehörten die Kleriker, welche die niederen Weihen hatten, auch die kirchlichen Sänger und überhaupt alle im Dienste der Kirche befindlichen Personen. Außerdem bezeichnet das Wort auch Asceten, welche ein Gelübde abgelegt hatten, jedoch nicht im Kloster lebten, sondern dem Klerus ihrer Gemeinde behilflich waren; später wurden auch eigentliche Mönche so genannt. – Die Frauen, welche Bnath Kjama „Töchter des Bundes“ (Kanonikai) hießen, widmeten sich gemeinschaftlich unter Leitung von Diakonissen der Armen- und Krankenpflege, dem Kirchengesang und anderen Gemeindeinteressen; wir brauchen hierfür die Uebersetzung „gottgeweihte Jungfrauen“ oder „Nonnen“.
  2. Über die Periodeuten vergleiche man „Ausgewählte Gedichte syrischer Kirchenväter“, S. 67.
  3. Das hier gebrauchte griechische Wort „Zetema“ könnte eine Schuldforderung, eine Anklage vor Gericht oder einen sittlichen Defekt bezeichnen.
  4. Dieser Canon lautet in dem Nomocanon des Barhebräus (bei Mai, Scriptorum veterum nova collectio, X, II, S. 57) also: „Wenn gottgeweihte Jungfrauen in Städten oder Dörfern [233] kein Kloster oder keine gemeinschaftliche Wohnung haben, so sollen doch wenigstens zwei in einem Hause zusammen wohnen und zusammen in die Kirche gehen.“
  5. I. Tim. 5, 23.
  6. Aus dem Kirchendienst.
  7. Bei Barhebräus (S. 58) findet sich hier der Zusatz: „Wenn ihnen diese zustimmen.“
  8. Bei den Syrern wird gegen die gewöhnliche Praxis der Kirche das Evangelium in der Regel von dem Priester verlesen. [236] Unter der „Bezeichnung“ ist entweder die Taufe oder die mit dem Kreuzeszeichen verbundenen Segnungsgebete über das Volk zu verstehen.
  9. Aber auch in diesem Falle gestattete Rabulas keine Wiederverheirathung, wie wir aus dem Panegyrikus (S. 193) ersehen.
  10. Die beiden letzten Canones finden sich nicht in den von Overheck benutzten Handschriften, sondern nur in dem Nomocanon des Barhebräus (bei Mai S. 25, 58).

Berichtigungen und Nachträge

  1. S. 237, Z. 7 lies: „Die Kleriker dürfen nicht den Altarraum betreten.“ Berichtigungen und Nachträge, S. 409