Kalewala, das National-Epos der Finnen/Dritte Rune
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Lebte nun sein liebes Leben
Auf den Fluren von Wäinölä,
Auf den Flächen Kalewala’s,
Sang dort seine lieben Lieder,
Sang beständig voller Weisheit.
Sang von einem Tag zum andern,
Nahm die Nächte selbst zu Hülfe,
Sang Geschichten alter Zeiten,
Was die Kinder nimmer können,
Nicht ein jeder Held verstehet
Jetzt in diesen schlimmen Zeiten
Bei dem sinkenden Geschlechte.
Weithin hörte man die Nachricht,
Weit verbreitet sich die Kunde
Von dem Liede Wäinämöinen’s,
Von dem Sang des starken Helden;
Hin nach Süden dringt die Nachricht,
Dorten lebte Joukahainen,
Dieser magre Lappenjüngling;
Einst als er zu Gast gegangen,
Hört er wundersame Worte,
Daß man schöner singen könnte,
Bess’re Lieder schaffen könnte
Auf den Fluren von Wäinölä,
Auf den Flächen Kalewala’s,
Als er selbst im Stande wäre,
Wurde drob gar weidlich böse,
War die ganze Zeit voll Neides
Ob des Sangs von Wäinämöinen,
Daß er besser sei denn seiner;
Schreitet hin zu seiner Mutter,
Hin zu ihr, der greisen Alten,
Sagte, daß er gehen würde
Und sofort sich hinbegeben
Zu den Stuben von Wäinölä,
Wohl verbot’s dem Sohn der Vater,
Wie der Vater, so die Mutter,
Hin nach Wäinölä zu gehen,
Um mit Wäinö dort zu streiten:
„Bannen wird man dich gewißlich,
Bannen dich und dir versenken
Mund und Kopf in Schneegefilde,
Deine Hand in rauhe Lüfte,
Daß die Hand du nimmer rührest,
Sprach der junge Joukahainen:
„Gut wohl ist des Vaters Wissen
Und der Mutter Wissen besser,
Doch das eigne steht am höchsten;
Will mich gegenüberstellen
Und den Mann zum Kampfe fordern,
Singe selber meine Lieder,
Spreche selber meine Weisen,
Singe, daß der beste Sänger
Schaff’ ihm singend Steines Stiefel,
Holzes Hosen an die Hüften,
Steines Lasten auf das Brustbein,
Steines Bogen auf die Schultern,
Steines Handschuh an die Hände
Steines Mütze auf den Schädel.“
Darauf ging er ungehorsam,
Nahm sein Roß rasch aus dem Stalle,
Feuer sprühte dessen Schnauze,
Schirrte an das Roß voll Feuer,
Spannt’es an den goldnen Schlitten;
Setzt sich selber in den Schlitten
Hebt sich auf dem Hintersitze,
Schlägt das Roß mit seiner Gerte,
Mit der perlenreichen Peitsche;
Lustig lief das Roß von dannen,
Leichten Laufes seine Wege.
Stürmte ungestüm von dannen,
Jagte noch am dritten Tage;
Endlich an dem dritten Tage
Hält er auf Wäinölä’s Fluren,
Auf den Flächen Kalewala’s.
Wäinämöinen alt und wahrhaft,
Er, der ew’ge Zaubersprecher,
War gerade auf dem Wege,
Fuhr gar ruhig seine Straße
Auf den Fluren von Wäinölä,
Joukahainen jung und stürmisch
Kam ihm auf dem Weg entgegen,
Deichsel haftet an der Deichsel,
Riemen reibet sich am Riemen,
Kummet klappert an dem Kummet,
Krummholz an des Krummholz Kante.
Blieben beide darauf stehen,
Blieben stehn und überlegten,
Wasser tropfte von dem Krummholz,
Fragt’ der alte Wäinämöinen:
„Woher bist du denn von Hause,
Der so dumm drauf losgefahren,
Unbeholfen mir begegnest,
Hast das Kummet mir zerschlagen
Und zerbrochen mir das Krummholz,
Meinen Schlitten mir beschädigt
Und zersplittert seine Leisten?“
Sprach der junge Joukahainen
„Bin der junge Joukahainen,
Aber sage lieber selber,
Woher bist denn du von Hause
Und aus welcher schlechten Sippe?“
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Ließ sich also nun vernehmen,
Redet Worte solcher Weise:
„Bist du, Jüngling, Joukahainen,
Nun so weich mir aus dem Wege,
Doch der junge Joukahainen
Redet Worte solcher Weise:
„Minder gilt hier Mannes Jugend,
Mannes Jugend, Mannes Alter;
Wer an Wissen höher stehet,
Wer an Weisheit mehr umfasset,
Der nur mag die Bahn behalten
Und der and’re mag ihm weichen;
Bist du, Alter, Wäinämöinen,
Nun so wollen wir an’s Singen,
An die Lieder wir uns machen,
Daß der Mann vom Mann was höre,
Einer mit dem andern streite.“
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet Worte solcher Weise:
„Werde wohl nicht viel vermögen,
Nicht gar viel zu singen wissen,
Habe ja mein liebes Leben
Höchstens in der Heimath Fluren,
Nur den Kuckuck dort vernommen;
Doch dem sei nun wie ihm wolle,
Sage du mein goldnes Knäbchen,
Was denn weißt du mehr als andre,
Worin geht dein Wissen weiter?“
Sprach der junge Joukahainen:
„Weiß gar wohl so manche Dinge,
Dieses weiß ich voller Klarheit,
In dem Dache ist das Rauchloch,
Und der Herd steht an dem Ofen.“
„Lustig ist der Robbe Leben,
Herrlich sind des Seehund’s Tage,
Frißt die Lachse, die ihm nahen,
Schlingt die nachbarlichen Schnäpel.“
„Schnäpel haben flache Felder,
Und die Lachse ebne Stätten;
Hechte laichen in der Kälte
Bange schwimmt der Barsch zur Herbstzeit
Krummen Nackens in den Tiefen,
Sommers laichet er im Trocknen,
Raschelt dann am Meeresufer.“
„Sollte das genug nicht scheinen,
Weiß ich noch so manche Dinge,
Kann so manche Sache sagen:
Nordland pflügte mit dem Rennthier,
Südland mit dem Mutterpferde,
Kenn’ die Bäum’ des Pisaberges,
Auf dem Hornafels die Föhren,
Schlank sind auf dem Berg die Bäume,
Auf dem Hornafels die Föhren.“
„Drei nur giebt es Wasserfälle,
Ebensoviel schöne Seeen,
Ebensoviel hohe Berge
Unter diesem Himmelsbogen:
Bei den Jaemen Hälläpyörä,
Nicht bestritten wird der Wuoksen,
Übertroffen der Imatra.“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Kinderklugheit, Weiberweisheit
Ziemet nicht dem bärt’gen Braven,
Nicht dem Manne, der beweibet;
Sage mir der Dinge Ursprung
Und erzähle mir ihr Wesen.“
Sprach der junge Joukahainen,
„Kenne wohl der Meise Ursprung,
Weiß gar wohl, daß sie ein Vogel,
Daß die grüne Natter Schlange,
Fisch im Wasser sei der Kaulbarsch,
Daß das Eisen schwächer werde,
Sauer werde schwarze Erde,
Schlimmer auch das heiße Wasser,
Und des Feuers Hitz’ gefährlich.“
„Wasser ist der Mittel ält’stes,
Von den Ärzten ist der Schöpfer,
Von den Helfern Gott der erste.“
„Aus dem Berge kam das Wasser,
Hoch vom Himmel fiel das Feuer,
Aus dem Rost entstand das Eisen
Und das Kupfer kam aus Felsen.“
„Ält’stes Land sind feuchte Bühle,
Wie die Weid’ der Bäume erster,
Tannen sind die ersten Häuser,
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Redet selber diese Worte:
„Weißt du weiter was zu sagen,
Oder ist der Unsinn alle?“
Sprach der junge Joukahainen:
„Werd’ wohl noch ein wenig wissen,
Wissen von der grauen Vorzeit,
Als ich ackerte die Meere
Und des Meeres Hügel hackte,
Dort die Tiefen senken mußte,
Als die Seen ich ließ erstehen,
Berge aus dem Boden steigen,
Felsen sich zusammenhäufen.“
„Ferner habe ich als sechster,
Ich als siebenter der Helden
Diese Erde hier erschaffen,
Hab’ den Luftraum ich gegründet,
Fest die Pfeiler in den Lüften,
Auf den Weg den Mond gewiesen,
Aufgestellt die liebe Sonne,
Bracht’ den Bär an seine Stelle,
Streute Sterne aus am Himmel.“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Bist ein überfrecher Lügner;
Nimmer warst du da zugegen,
Als geackert sind die Meere,
Als gehackt des Meeres Hügel,
Als die Tiefen man gesenket,
Als die See’n man ausgestreuet,
Als die Berge sich erhoben,
Als die Felsen sich gethürmet.“
„Nimmer hat man dich gesehen,
Nicht gesehen, nicht gehöret,
Als die Erde ward erschaffen,
Als der Luftraum ausgebreitet,
Als die Pfeiler in den Lüften
Als dem Mond der Weg gewiesen
Und die Sonne aufgestellet,
Als der Bär zum Ort geführet,
Ausgestreut die Sterne wurden.“
Doch der junge Joukahainen
Gab zur Antwort solche Worte:
„Soll ich selbst Verstand nicht haben,
Werd’ ich ihn vom Schwerte fragen,
Nun du alter Wäinämöinen,
Laß du uns die Schwerter messen,
Laß die Klingen uns beschauen!“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Nimmer fällt’s mir ein zu fürchten
Deine Schwerter, deine Weisheit,
Deine Klugheit, deinen Scharfsinn,
Doch dem sei nun, wie ihm wolle,
Mit dir, der du so erbärmlich,
Werd’ das Schwert ich nimmer messen,
Doch der junge Joukahainen
Zieht gar schief den Mund und schüttelt
Sammt dem Haupt die schwarzen Haare,
Selber sprach er diese Worte:
„Wer sich scheut das Schwert zu messen,
Und die Klinge zu beschauen,
Den werd’ ich zum Schweine singen,
Ihn zum Rüsselträger zaubern,
Stecke Helden solchen Schlages
Drück’ ihn in den Düngerhaufen,
Stoß’ ihn in die Eck’ des Viehstalls.“
Unwirsch ward da Wäinämöinen,
Unwirsch ward er und ergrimmte,
Fing dann selber an zu singen,
Hob so selber an zu sprechen;
Keine Kinderlieder sang er,
Kinderkram und Weiberwitze,
Sondern Sang des bärt’gen Helden,
Auch die Knaben kaum zur Hälfte,
Freiersleute fast ein Drittel
Jetzt in diesen schlimmen Zeiten,
Bei dem Sinken der Geschlechter.
Wäinämöinen sang drauf wacker,
Seeen schwankten, Länder bebten,
Kupferberge selbst erdröhnten,
Starre Steine selbst erschraken,
Felsen flogen von einander,
Wandelte so Joukahainen’s
Krummholz um in junge Zweige
Und in schlechtes Stroh das Kummet,
Singet Ruthen an die Riemen,
Singt den schöngeschmückten Schlitten
In den See als schlechtes Strauchwerk,
Bannt die perlenreiche Peitsche
An den Meeresstrand als Schilfrohr.
Singt das Roß mit weißer Stirne
Sang das Schwert mit goldnem Schafte
Dann als Blitzstrahl an den Himmel,
Bannt des Bogens bunte Wölbung
Singend auf des Wassers Fluthen,
Wandelte die flücht’gen Pfeile
Um zu Habichten, die kreischen,
Dann den Hund mit krummer Schnauze
Um zum Felsblock auf dem Boden.
Sang dem Mann die Mütz’ vom Kopfe,
Singt die Handschuh von den Händen
In den See als Wasserblumen,
Läßt das blaue wollne Wämmschen
Lämmerwolken an dem Himmel,
Läßt den weichen Gurt vom Gürtel
Dort zu Sternenschaaren werden.
Sang den Joukahainen selber
Bis zum Gurt in tiefe Sümpfe,
Bis zur Hüft’ in Wasserwiesen,
Jetzt wohl mußte Joukahainen,
Mußt’ er merken und begreifen,
Daß er diesen Weg gekommen,
Diese Fahrt er unternommen,
Um zu streiten und zu singen
Mit dem alten Wäinämöinen.
Wollte seine Füße rühren,
Konnte seinen Fuß nicht heben,
Wollt’ den andern darauf wenden,
Schon geräth jetzt Joukahainen
In gar große Angst und Sorge
Und versank in starken Jammer;
Redet Worte solcher Weise:
„O du weiser Wäinämöinen,
Einzig ew’ger Zaubersprecher,
Wende deine Zauberworte,
Nimm den Zauberspruch zurücke,
Laß mich aus dem Schreckensloche,
Zolle dir gar gute Zahlung
Und gelob’ ein kräftig Lösgeld!“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Was denn wirst du mir wohl geben,
Wenn den Zauberspruch ich wende,
Und zurück den Zauber nehme,
Aus dem Schreckensloch dich lasse,
Aus der unbequemen Enge?“
Sprach der junge Joukahainen:
Wohl ein Paar gar prächt’ger Bogen,
Schnell kann man den einen spannen,
Scharf zum Ziele schießt der andre;
Welcher dir gefällt, den wähle.“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Nicht begehr’ ich deine Bogen,
Nicht, o Narr, sind sie mir nütze,
Habe deren selber welche,
Alle Wände sind behangen,
Geh’n von selbst stets in die Waldung,
Ohne Helden zu dem Jagdwerk.“
Sang den jungen Joukahainen
In den Sumpf sofort noch tiefer.
Sprach der junge Joukahainen:
„Hab’ zu Haus’ zwei schöne Böte,
Wohl ein Paar gar prächt’ger Böte,
Läuft das eine leicht im Meere,
Trägt das andre schwere Lasten,
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Nicht begehr’ ich deine Böte,
Fühl’ nach ihnen kein Verlangen,
Habe deren selber welche,
Schon besetzt sind alle Walzen,
Alle Buchten voll von Böten,
Manche ziehen mit dem Winde,
Andre gehen ihm entgegen.“
Sang den jungen Joukahainen
Sprach der junge Joukahainen:
„Hab’ zu Haus’ zwei hübsche Hengste;
Wohl ein Paar gar prächt’ger Pferde,
Läuft das eine leichten Hufes,
Zieht das andre rasch in Riemen,
Welches dir gefällt, das wähle.“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Nicht begehr’ ich deine Hengste,
Brauche nicht die buntgefleckten,
Stehen mir an jeder Krippe,
Stehen mir in jedem Stalle,
Wasser regt sich auf dem Rücken
Und ein Teichlein trägt das Kreuzblatt.“
Sang den jungen Joukahainen
In den Sumpf sofort noch tiefer.
Sprach der junge Joukahainen:
„O du alter Wäinämöinen,
Wende deine Zauberworte,
Geb’ dir eine Mütz’ voll Goldes,
Schenk’ dir einen Hut voll Silber,
Aus dem Kriege bracht’s mein Vater,
Holt’ es aus dem harten Kampfe.“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Sehn’ mich nicht nach deinem Silber,
Frage nicht nach deinem Golde,
Hab’ genug davon wohl selber,
Jede Kammer voll gekramet,
Gold mit ew’gem Mondesglanze,
Silber mit dem Sonnenschimmer.“
Sang den jungen Joukahainen
In den Sumpf sofort noch tiefer.
Sprach der junge Joukahainen:
„O du alter Wäinämöinen,
Laß mich aus dem Schreckensloche,
Aus der unbequemen Enge,
Gebe dir Getreidehaufen,
Um mein Leben auszulösen,
Um mich selber zu befreien!“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Geh mit den Getreidehaufen,
Fort mit deinen fetten Feldern,
Habe deren selber welche,
Felder fast an jeder Ecke,
Hab Getreid’ auf jedem Grunde,
Eigne Felder sind die besten,
Sang den jungen Joukahainen
In den Sumpf nur immer tiefer.
Ward dem jungen Joukahainen
Endlich gar zu angst und bange,
Steckte bis zum Knie im Sumpfe,
Mit dem Barte in dem Boden,
Hat den Mund voll Moos und Erde,
Streift die Sträucher mit den Zähnen.
Sprach der junge Joukahainen:
Einzig ew’ger Zaubersprecher,
Nimm den Zaubersang zurücke,
Laß mir noch mein liebes Leben,
Laß mich aus dem Loche kommen,
Fort schon zieht der Fluß die Füße
Und vom Sande schmerzt das Auge.“
„Wendest du die Zauberworte,
Nimmst du ab den bösen Bannspruch,
Geb’ ich Aino, meine Schwester,
Daß sie dir die Stube kehre,
Rein den Raum dir immer halte,
Blank die Bütten spül’ und scheure,
Deines Bettes Tücher breite,
Goldne Decken wirk’ und webe,
Honigbrod dir immer backe.“
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Wurde nun gar froh und munter,
Daß er Joukahainen’s Schwester
Setzt sich auf den Freudefelsen,
Stellt sich auf den Stein des Sanges,
Singt ein Weilchen, singt von neuem,
Singt dann noch zum dritten Male.
Wendet so die Zauberworte,
Nimmt den Zauberspruch zurücke.
Kam der junge Joukahainen
Aus dem Sumpfe mit den Knieen,
Mit dem Barte aus dem Boden,
Aus des Ufers Strauch sein Schlitten,
Aus dem Schilfrohr seine Peitsche.
Stellt in Ordnung seinen Schlitten,
Wirft sich selber in denselben,
Fährt davon mit trüber Laune,
Mit gar schlechter Herzensstimmung,
Hin zu seiner lieben Mutter,
Hin zu ihr, der greisen Alten.
Fuhr gar rauschend nach der Heimath,
Bricht den Schlitten an dem Dreschhaus,
Und die Deichsel an der Pforte.
An zu rathen fing die Mutter
Und der Vater sprach die Worte:
„Wohl zum Scherz hast du den Schlitten,
Hast die Deichsel du zerbrochen!
Weshalb kommst so wunderseltsam
Und betroffen du nach Hause?“
Mußt’ der junge Joukahainen
Tiefen Hauptes, trüben Sinnes,
Schief geschoben seine Mütze,
Ließ er breit herab die Lippen
Und zum Mund die Nase hängen.
Früher fragte ihn die Mutter,
Suchte sie ihn auszuforschen:
„Sag’, was weinest du, mein Söhnchen,
Murrest du, mein Erstgeborner,
Läss’st die Lippen also hängen,
Sprach der junge Joukahainen:
„Theure, die du mich getragen,
Wohl ist Grund ob des Gescheh’nen,
Ursach’ ob des Vorgefallnen,
Wohl ist Grund zum Weinen heute,
Hab’ ich Ursach’ heut’ zu murren,
Ewig werde ich nun weinen,
Trauernd nun mein Leben tragen,
Da ich Aino, meine Schwester,
Wäinämöinen hab’ versprochen,
Ihm, dem Sänger, eine Gattin,
Ihm, dem Schwachen, eine Stütze
Und ein Schutzdach an dem Hause.“
Munter schlug alsdann die Mutter
Hand an Hand mit Hast zusammen,
Redet Worte solcher Weise:
„Weine nicht, mein liebes Söhnchen,
Hast nicht Grund zum Weinen heute,
Immer hegt’ ich diese Hoffnung,
Hielt sie fest im Lauf der Jahre,
Wünschte mir den wackern Helden,
Ihn, den starken Wäinämöinen,
Mir zu meinem Schwiegersohne,
Mir zum Tochtermann den Sänger.“
Doch die Schwester Joukahainen’s
Weinte selbst gar bittre Thränen,
Weinte einen Tag, den zweiten,
Weinte ob des großen Kummers,
Ob des bittern Grams im Herzen.
Hob die Mutter an zu sprechen:
„Warum weinst du, liebe Aino,
Hast ja einen großen Freier,
Kommst ins hohe Haus des Mannes,
Um am Fenster dort zu sitzen,
Um die Bänke blank zu halten?“
Doch die Tochter sprach die Worte:
Wohl kann ich, o Liebe, weinen,
Weinen ob der schönen Flechte,
Ob des jungen Schmucks des Hauptes
Ob der Weichheit meiner Haare,
Daß sie ganz und gar verborgen
Und bedeckt nun wachsen werden.“
„Weine nun mein junges Leben
Ob der lieben Sonne Liebe,
Ob des schönen Mondscheins Milde,
Da als Mädchen ich gelassen
Und als Kind vergessen wurde
Auf dem Schnitzplatz meines Bruders
Unter meines Vaters Fenster.“
Sprach die Mutter zu der Tochter,
So die Alte zu der Jungen:
„Geh, o Thörin, mit dem Grame,
Mit den Thränen, Mißgerathne,
Keinen Grund hast du zum Grame,
Scheint doch Gottes schöne Sonne
Wohl auch anderswo auf Erden,
Nicht bloß in des Vaters Fenster,
Nicht bloß auf des Bruders Schnitzbank,
Beeren giebt es auf den Bergen,
Auf den Fluren viele Erdbeer’n,
Kannst sie dort, o Kummervolle,
Fort und fort dir selber pflücken,
Nicht stets auf des Vaters Feldern,