Kalewala, das National-Epos der Finnen/Achtunddreißigste Rune
Darauf ließ Schmied Ilmarinen,
Dieser ew’ge Schmiedekünstler,
Bald in Stich das Goldgebilde,
Seine Braut aus blankem Silber;
Spannt das Roß in die Geschirre,
Spannt es vor den braunen Schlitten,
Setzt sich selber in den Schlitten,
Hebt sich auf dem Sitz des Schlittens,
Und gelobt nun fortzuziehen,
Nun in Pohjola zu freien
Um des Nordlands zweite Tochter.
Fuhr nun eine Tagereise,
Wandert vorwärts auch die zweite,
An dem dritten Tage endlich
Kommt er zu dem Hof Pohjola’s.
Louhi, sie, des Nordlands Wirthin,
Stand grad’ selber in dem Hofe,
Fing da also an zu sprechen,
Wie ihr Kind sich wohl befände,
Wie die liebe Tochter weilte
Bei dem Mann als Schwiegertochter,
Bei der Schwäherin als Hausfrau.
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Schiefen Hauptes, schlechter Stimmung,
Schiefgeschoben seine Mütze,
Redet Worte solcher Weise:
„Wolle nicht, o Schwiegermutter,
Wie die Tochter sich befindet,
Wie die Theure jetzo lebet!
Schon hat sie der Tod erfasset,
Jähes Ende sie ereilet;
In der Erde liegt die Beere,
In der Heide meine Schöne,
Unter Stroh die Schwarzgelockte,
Unter Gras die Silberschöne;
Kam nun nach der zweiten Tochter,
Gieb sie mir, o Schwiegermutter,
Gieb mir deine zweite Tochter
In des frühern Weibes Wohnung,
Nach dem Sitze ihrer Schwester!“
Louhi, sie, des Nordlands Wirthin,
Redet Worte solcher Weise:
„Schlecht hab’, Arme, ich gehandelt,
Schlimm gewiß ich Unglücksel’ge,
Daß mein Kind ich dir versprochen,
In der Jugend so zu sterben,
Voller Frische hinzusinken,
Gleich als in des Wolfes Rachen,
In den Schlund des brumm’gen Bären.“
„Werd’ dir nicht die zweite geben,
Meine Tochter dir nicht geben,
Daß den Ruß sie ab dir wasche,
Daß sie dich von Schlacken rein’ge;
Eher gäb’ ich meine Tochter,
In den Wasserfall voll Brausen,
In den wallungsreichen Strudel,
In den Schlund von Mana’s Quappe,
In des Tuonihechtes Zähne.“
Schief zog nun Schmied Ilmarinen
Seinen Mund sammt seinem Haupte,
Schief schob er die schwarzen Haare,
Dreht den Kopf mit krausen Locken,
Dringet selber in die Stube,
Redet Worte solcher Weise:
„Komm zu mir, o liebes Mädchen,
Zu dem Sitze deiner Schwester,
In des frühern Weibes Wohnung,
Daß du Honigbrot mir backest,
Daß du schönes Bier mir brauest!“
Sang ein Kindlein von dem Boden,
Sang und ließ sich also hören:
„Überflüss’ger, weich vom Schlosse,
Hast der Burg zuvor geschadet,
Hast die Burg schon sonst gekränket,
Als das erste Mal du kamest,
An der Thüre hier erschienest.“
„Mädchen, du, o liebe Schwester,
Freu’ dich nicht ob dieses Freiers,
Nicht ob seines Munds Gestaltung,
Nicht ob seiner edlen Füße!
Hat das Zahnfleisch eines Wolfes,
Bärenkrallen an den Armen,
Blutbegierig ist das Messer,
Womit er die Köpfe ritzet,
Rücken aufzuschlitzen pfleget.“
Selber sprach das Mädchen also
Zu dem Schmiede Ilmarinen:
„Werde dir gewiß nicht folgen,
Nicht beacht’ ich solche Wichte;
Hast dein frühres Weib erschlagen,
Möchtest ferner mich noch tödten,
Selber mich um’s Leben bringen;
Wohl verdienet dieses Mädchen
Einen Mann von besserm Werthe,
Einen Leib von schönerm Wuchse,
Daß sie fahr’ in hübscherm Schlitten
Hin zu einem bessern Sitze,
Hin zu einer größern Wohnung,
Nicht zur Kohlenstätt’ des Schmiedes,
Schief zog nun Schmied Ilmarinen,
Dieser ew’ge Schmiedekünstler,
Seinen Mund sammt seinem Kopfe,
Wirft gar schief die schwarzen Haare,
Schreitet rasch, erreicht das Mädchen,
Fasset sie mit seinen Fäusten,
Gehet stürmend aus der Stube,
Stürzet eilends zu dem Schlitten,
Setzt die Jungfrau in den Schlitten,
Macht sich auf davon zu fahren,
Schickt sich an davon zu reisen,
Eine Hand hat er am Leitseil,
An der Mädchens Brust die andre.
Weinen mußt’ das arme Mädchen,
Redet Worte solcher Weise:
„Kam nun zu des Sumpfes Beeren,
Zu des Wasserrandes Kräutern,
Werde, Hühnchen, dort verkommen,
„Höre, Schmieder Ilmarinen!
Wirst du mich nicht gehen lassen,
So zerschlag’ ich deinen Schlitten
Und zerstrümmre ihn in Stücke,
Schlag ihn durch mit meinen Knieen,
Und durchstoß’ ihn mit den Beinen.“
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Redet Worte solcher Weise:
„Sind an dieses Schmiedes Schlitten
Daß das Stoßen er vertrage
Und der schönen Jungfrau Toben.“
Jammern mußt’ das arme Mädchen,
Klagen die mit Erz Geschmückte,
Ringt die Finger sich zu Schanden
Und zerarbeitet die Hände,
Redet Worte solcher Weise:
„Wirst du mich nicht gehen lassen,
Werd’ ich mich zum Fisch verwandeln,
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Redet Worte solcher Weise:
„Wirst auch so mir nicht entkommen,
Werd’ als Hecht dir dorten folgen.“
Jammern mußt’ das arme Mädchen,
Klagen die mit Erz Geschmückte,
Ringt die Finger sich zu Schanden
Und zerarbeitet die Hände,
Redet Worte solcher Weise:
Werd’ ich zu dem Walde ziehen
Als ein Hermelin in Felsen.“
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Redet Worte solcher Weise:
„Wirst auch so mir nicht entkommen,
Werd’ als Otter dich verfolgen.“
Jammern mußt’ das arme Mädchen,
Klagen die mit Erz Geschmückte,
Ringt die Finger sich zu Schanden
Redet Worte solcher Weise:
„Wirst du mich nicht gehen lassen,
Werd’ als Lerch’ ich zwitschernd fliegen,
Mich in dem Gewölk verbergen.“
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Redet’ Worte solcher Weise:
„Wirst auch so mir nicht entkommen,
Werde dir als Adler folgen.“
War ein wenig nur gereiset,
Da beginnt das Pferd zu schnaufen,
Fängt das Schlappohr an zu stutzen.
Ihren Kopf erhebt die Jungfrau,
Sieht im Schnee dort frische Spuren,
Fragend spricht sie diese Worte:
„Wer ist hier vorbeigelaufen?“
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Ist ein Hase hier gelaufen.“
Seufzen that das arme Mädchen,
Redet’ Worte solcher Weise:
„Wehe mir, dem ärmsten Mädchen!
Besser wäre es gewesen,
Würde besser mich befinden,
Könnte ich dem Hasen folgen,
Laufen in des Krummbein’s Spuren,
Als im Schlitten dieses Freiers,
Auf des Runzelreichen Decke;
Schöner sind des Hasen Haare,
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Biß die Lippen, schiefen Hauptes,
Fuhr gar rauschend fort des Weges;
War ein wenig nur gefahren,
Laut beginnt das Roß zu schnaufen,
Fängt das Schlappohr an zu stutzen.
Ihren Kopf erhebt die Jungfrau,
Sieht im Schnee noch frische Spuren,
Fragend spricht sie diese Worte:
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Ist ein Füchslein hier gelaufen.“
Seufzen that das arme Mädchen,
Seufzete und schluchzte reichlich,
Redet’ Worte solcher Weise:
„Wehe mir, dem ärmsten Mädchen!
Besser wäre wohl mein Leben,
Besser würd’ ich mich befinden
In des lauten Füchsleins Schlitten,
Als im Schlitten dieses Freiers,
Auf des Runzelreichen Decke;
Schöner sind des Fuchses Haare,
Hübscher seines Mundes Öffnung.“
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Biß die Lippen, schiefen Hauptes,
Fuhr gar rauschend fort des Weges;
War ein wenig nur gefahren,
Laut beginnt das Roß zu schnaufen,
Ihren Kopf erhebt die Jungfrau,
Sieht im Schnee noch frische Spuren,
Fragend spricht sie diese Worte:
„Wer ist hier vorbeigelaufen?“
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Ist ein Wolf, der hier gelaufen.“
Seufzen that das arme Mädchen,
Seufzete und schluchzte reichlich,
Redet’ Worte solcher Weise:
Besser wäre wohl mein Leben,
Besser würd’ ich mich befinden,
Folgte ich des Wolfes Spuren,
Ihm, der seinen Kopf stets senket,
Als im Schlitten dieses Freiers,
Auf des Runzelreichen Decke;
Schöner sind des Wolfes Haare,
Seines Mundes Öffnung schöner.“
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Fuhr gar rauschend fort die Straße
Über Nacht zum neuen Dorfe.
Von dem Wege gar ermüdet
Schlummerte der Schmied gar kräftig,
Lachen macht das Weib ein andrer
Ob des Mannes, der verschlafen.
Als der Schmieder Ilmarinen
An dem Morgen drauf erwachte,
Schief den Mund und Kopf gewendet,
Spricht der Schmieder Ilmarinen
Selber Worte solcher Weise:
„Soll ich mich an’s Singen machen,
Soll ich meine Braut nun bannen
Als ein Waldthier hin zum Walde,
Als ein Wasserthier zum Wasser?“
„Werd’ sie nicht zum Waldthier singen,
Würde sich der Wald entsetzen;
Werd’ sie nicht in’s Wasser bannen,
Lieber will mit meiner Klinge,
Mit dem Schwerte ich sie tödten.“
Seine Absicht ahnt die Klinge,
Deutlich wird sein Sinn dem Schwerte,
Dieses redet solche Worte:
„Bin wohl nicht dazu geschaffen,
Daß ich Weiber tödten sollte,
Schwache um ihr Leben bringen.“
Nun beginnt Schmied Ilmarinen
Fängt voll Zorn er an zu sprechen;
Wandelte sein Weib zur Möve,
Daß sie auf den Klippen schrille,
Auf den Wasserfelsen kreische,
Auf des Ufers Spitzen kreise,
In dem Gegenwinde schwebe.
Darauf setzt Schmied Ilmarinen
Wiederum sich in den Schlitten,
Eilet rauschend fort des Weges,
Reist er wieder nach der Heimath,
Kommt er nach bekanntem Lande.
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Kommt ihm auf dem Weg entgegen,
Redet Worte solcher Weise:
„Bruder, du Schmied Ilmarinen,
Weßhalb bist du trüber Stimmung,
Hast die Mütze schief geschoben
Bei der Rückkehr aus Pohjola?
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Wie sollt’ Pohjola nicht leben?
Dorten mahlt der Sampo fleißig,
Lärmet stets der bunte Deckel,
Mahlet einen Tag zum Essen,
Mahlt den zweiten zum Verkaufen,
Mahlt den dritten guten Vorrath.“
„Also sage ich mit Wahrheit,
Wiederhole ich die Worte:
Wenn der Sampo in Pohjola!
Dort ist Pflügen, dort ist Säen,
Dort ist Wachsthum jeder Weise,
Dorten wechsellose Wohlfahrt.“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Bruder, du Schmied Ilmarinen!
Wo hast du dein Weib gelassen,
Wo die weitberühmte Jungfrau,
Daß du also leer erschienen,
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Redet Worte dieser Weise:
„Hab’ das garst’ge Weib verwandelt
Auf dem Meer zu einer Möve;
Jetzo wimmert sie als Möve,
Kreischt sie dorten voller Stöhnen,
Lärmt sie auf des Wassers Klippen,
Schreit sie auf des Meeres Felsen.“