Kaiserswerth
[450] Kaiserswerth. (Mit Abbildung S. 451.) Das „Amen des Rheins“ hat man das Siebengebirge schon genannt. Es ist gleichsam der großartige Schlußaccord eines feierlichen Hymnus, in welchem der Komponist noch einmal alle Kraft zusammennimmt und die ganze Tiefe seiner Empfindung ausströmt. Wer dann über Bonn hinaus den Rhein zu Thal fährt, muß sich [451] mit bescheideneren einförmigeren Reizen begnügen. Und doch fehlt es auch hier nicht an Stätten, die des Beschauens und Bewunderns werth sind. Menschenkunst und Menschengeschichte haben sie bedeutsam gemacht, und der gewaltige Strom verleiht auch ihrem Bilde immer einen Zug des Machtvollen und Großartigen. Da tauchen uber die endlose Ebene die Riesenthürme des Kölner Domes empor und bald begrüßen wir sie selbst, die volkreiche, geschäftige Stadt mit ihrer eindrucksvollen Silhouette. Am freundlichen Düsseldorf geht es vorüber, und jetzt stoßen wir auch auf das liebliche Bildchen, das unser Künstler festgehalten hat.
Es ist Kaiserswerth, die uralte Siedlung, deren Geschichte auf beinahe zwölfhundert Jahre zurückreicht. Einst lag dort eine Insel im Strome. Der heilige Suitbert kam ins Land, das Christenthum zu predigen, und um das Jahr 710 soll er auf der Insel ein Kloster gegründet haben, bei dem sich bald eine Stadt entwickelte. Eine kaiserliche Pfalz kam hinzu, der jene gewaltthätige Entführung des jungen Königs Heinrich IV. durch die Mannen des Erzbischofs Anno von Köln in den Maitagen des Jahres 1062 eine abenteuerliche Berühmtheit verliehen hat. Kaiser Rothbart errichtete später auf der Stelle des alten Palastes einen Neubau; aber auch er ist dem Sturme der Zeiten zum Opfer gefallen, kümmerliche Reste nur erinnern noch an den uralten Kaisersitz. Noch heute aber überragen ihn die Thürme der uralten Stiftskirche, eines schönen Bauwerks aus dem Ende des 12. Jahrhunderts, eines jener vorzüglichen Denkmale des romanischen Stils, deren es den Rhein entlang so viele giebt.
Kaiserswerth ist heute keine Insel mehr. Bei einer Belagerung durch den Grafen Adolf V. von Berg im Jahre 1214 wurde der Rheinarm, welcher die Stadt von dem Festland trennte, durch einen Damm abgeschnitten, und seitdem ist die „Insel des heiligen Suitbert“ trockenen Fußes zu erreichen.