Kaiser Wilhelm in seinem Hühnerhof

Textdaten
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Titel: Kaiser Wilhelm in seinem Hühnerhof
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aus: Die Gartenlaube, Heft 43, S. 703, 705
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[703]

Kaiser Wilhelm in seinem Hühnerhofe.
Originalzeichnung von Paul Bürde in Berlin.

[705] Kaiser Wilhelm in seinem Hühnerhof. (Mit Abbildung, S. 703.) Wer zu früher Morgenstunde in die Vorhalle des Schlosses Babelsberg tritt, kann Zeuge einer Scene sein, welche ihm den hohen Schloßherrn, den die Welt als einen der Mächtigen Europas kennt, von der rein menschlichen Seite und als schlichten, einfachen Privatmann zeigt: Kaiser Wilhelm in seinem Hühnerhofe. Wie sollte er, der bekanntlich auch für die kleine Welt ein warmes Herz hat, beim Baue seines Landhauses den Hühnerhof, diesen Repräsentanten deutscher Gemüthlichkeit, vergessen haben! Und der Kaiser ist ein treuer Pfleger, ein freundlicher Ernährer seiner geflügelten Schutzbefohlenen.

Jeden Morgen, wenn er seinen Kaffee eingenommen hat, pflegt er von dem Reste des ihm servirten Brodes ein Klüpfel zu nehmen und auf den überwölbten offenen Gang hinauszutreten, der unmittelbar aus seinem Zimmer in den Garten führt. Von hier aus hat er einen herrlichen freien Blick über den Park, die Glienecker Brücke, den ganzen Heiligen See, bis zu den fernen bewaldeten Ufern desselben. Wendet er sich um, so liegt unter ihm der Hühnerhof. Dort herrscht schon eine große Aufregung: die gackelnde Bevölkerung desselben hat ihren Gebieter, ihren Wohlthäter bereits erblickt, und eilig kommt sie aus allen Ecken und Enden des Hofes herbeigelaufen, um aus seiner Hand den begierig erwarteten Morgenimbiß zu empfangen.

Dies ist der Moment, den unser Künstler, Paul Bürde, der oft Gelegenheit hatte, den Kaiser bei der Fütterung seiner befiederten Lieblinge zu belauschen, den Lesern der Gartenlaube treu nach dem Leben dargestellt hat. Wir senden das anspruchslose Blatt in die Welt hinaus, als einen Beweis dafür, daß sich echte Herrscherwürde mit schlichter Bürgerlichkeit auch in der Person eines Kaisers vereinigen kann. Möge das Blatt zugleich überall, wohin es kommt, als das aufgenommen werden, was es wirklich ist, als die bildliche Darstellung einer Scene, welche so recht eine deutsch-gemüthliche genannt werden muß!