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Titel: Josephine Wessely †
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 611
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[611] Josephine Wessely †. Mit Wehmuth erfüllt uns das Hinscheiden verheißungsvoller Talente, ehe sie auf ihrer Laufbahn das Höchste erreicht, das ihnen erreichbar schien nach der Meinung der Kundigen. So schmerzlich berührt uns jetzt die Trauerkunde vom Tode der Josephine Wessely: mir haben dieser Künstlerin in unserer Zeitschrift, als ihr Stern in Leipzig so glänzend aufgegangen war, eine eingehende Würdigung zu Theil werden lassen („Gartenlaube“ Jahrg. 1877, S. 647); es knüpften sich die schönsten Hoffnungen an ein Talent, das den zündenden elektrischen Funken besaß, der für die Wirkungen der Tragödie unerläßlich ist; auch bei ihrem Berliner Gastspiel waren Kritik und Publikum einstimmig in der Anerkennung ihrer schönen Begabung. Nicht lange darauf wurde sie am Wiener Burgtheater engagirt. Sie war eine Wienerin, am 18. März 1860 in der Donaustadt geboren und hatte auch dort 1874 bis 1877 ihre Ausbildung in der Schauspielerschule des Konservatoriums erhalten. Dr. Förster brachte bei Uebernahme der Leipziger Direktion die junge Kunstnovize mit nach Leipzig, wo sie alsbald als Luise in „Kabale und Liebe“ einen vollen Erfolg davongetragen.

Ein Engagement am Wiener Burgtheater, wo sie auch 1884 zur k. k. Hofschauspielerin ernannt wurde, war bei ihrer Jugend ein nicht geringes Glück zu nennen. Gleichwohl war ihre Laufbahn dort eine dornenvolle: ein Theil der Kritik war ihr nicht hold, die Rivalität eines jungaufstrebenden Talents war den anerkannten Größen unbequem; Alles trug Anfangs dazu bei, eine freudige Entwicklung der strebsamen Künstlerin zu hemmen; gleichwohl brach sie sich Bahn beim Publikum. Die innere Geschichte des Burgtheaters ist ja für die Außenstehenden ein Buch mit sieben Siegeln: nur einzelne Mittheilungen dringen daraus ins Publikum, und so vernahm man auch später Mancherlei von Konflikten mit der Direktion, von langen Beurlaubungen, von einer Audienz beim Kaiser. Jedenfalls war ihre Stellung an der Burg eine schwierige. Hinzu kam eine Kränklichkeit, die sie oft genug entmuthigen mußte: mehrfach suchte sie Heilung in Karlsbad. Im letzten Sommer hielt sie sich eine Zeit lang in Ungarn auf, doch hat ihr dieser Aufenthalt, wie sie an eine Leipziger Freundin schreibt, nur geschadet und „sie hatte dann Mühe, in der guten harzigen Semmeringluft das Schlechte gut zu machen“. Leider sollte sich ihre Hoffnung, im nächsten September „mit neuer Kraft ihren Pflichten nachkommen zu können“, nicht erfüllen. In Karlsbad ereilte sie am 12. August der Tod; sie starb, bald nach ihrer Ankunft an diesem Badeort und ohne aus dem Schlummer der Erschöpfung, in den sie sogleich verfallen war, wieder zu erwachen, an einer Krankheit der Leber.

Das Leichenbegängniß des Fräulein Wessely fand unter großer Theilnahme des Wiener Publikums statt. Am Grabe widmete Sonnenthal der geschiedenen Kollegin einen Nachruf, dem wir die folgenden so bezeichnenden und ergreifenden Worte entnehmen: „Ein Wesen in der Blüthe der Jahre, der Schönheit, des vollen reifen Talents – dahin, unwiederbringlich dahin! Die weiche sympathische Stimme, die so oft zu unseren Herzen drang, für ewig verstummt, das schöne sprechende Auge für ewig erloschen, für immer gebrochen! Arme Josephine, wohl trugst Du den Todeskeim schon seit Jahren in Dir, allein Du wehrtest Dich muthig und tapfer gegen den grausamen Feind, und wunderbar, je mehr er Deinen zarten Körper zu zerstören drohte, desto mehr erstarkte Deine Seele, Dein Geist, und gerade in den letzten Jahren Deiner Leiden wurden Deine künstlerischen Schöpfungen geklärter, reifer, vollendeter, und gerade das allerletzte Gebilde, das Du schufst – schon mit der Todeswunde im Herzen – war vielleicht die weiblich zarteste, die künstlerisch vollendetste Deiner Schöpfungen.“ Sonnenthal meint damit die Rolle der „Denise" in dem Stücke des jungen Alexander Dumas.

Josephine Wessely betrat mit 16 Jahren zuerst erfolgreich die Bühne und ist im Alter von 27 Jahren gestorben. Es heißt ja, daß die Götter ihre Lieblinge früh abberufen, man hat das besonders mit Bezug auf die Dichter ausgesprochen und Poeten wie Theodor Körner und Novalis erinnern an den ewig jungen Gott des Gesanges, Phöbus Apollo. Doch auch manchen der Künstlerinnen hat es die Gunst des Schicksals erspart, vor dem Publikum zu altern, mit fraglicher Berechtigung junge Heroinen zu spielen und zuletzt als tragische Alte in ein lebensmüdes Fach überzugehen. Josephine Wessely, als Gretchen, Klärchen, Luise, Desdemona, wird mit ihrer reizvollen Jugendlichkeit in den Erinnerungen der Zeitgenossen und den Annalen der deutschen Theatergeschichte unverkümmert fortleben. †      

Josephine Wessely als Gretchen in „Faust“.