Japanisches Nationalfest mit Theaterlöwen

Textdaten
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Autor: Wilhelm Heine / Red.
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Titel: Japanisches Nationalfest mit Theaterlöwen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 222–224
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Japanisches Nationalfest mit Theaterlöwen.


Während Gesandtschaften und oberste Größen aus dem japanesischen Inselreiche, dessen Jahrtausende verschlossen gewesene Thore durch die unwiderstehliche Macht des rastlosen europäisch-nordamerikanischen Culturgeistes aus den Angeln gehoben worden sind, im alten Europa vor Allem die neue deutsche Kaiserstadt bewundern, erfreuen wir uns am Anschauen der wunderlichen Sitten, Gebräuche und Feste jenes Landes, an denen wir wenigstens die ungeheuere Dauerhaftigkeit bewundern müssen, denn auch sie sind so alt wie das Reich, das in seinen Zeitrechnungen mit Millionen von Jahren spielend um sich wirft. Die Urreligion der Japanesen ist nämlich mit Mythen der Urgeschichte von Japan verwebt; in diesen stehen die Kami’s als

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Das Fest des japanischen Kriegsgottes Hat-si-man in Simoda.
Nach der Natur aufgenommen von General W. Heine.

[224] göttliche Urwesen obenan, von denen keine Generation unter hundert bis zweihundert Millionen Jahre Himmel und Erde zu beherrschen geruhte. Obschon jetzt nicht mehr der herrschende Cultus, ist der Glaube an diese göttlichen Ahnen noch immer vom Staate geschützt, von den Regenten geheiligt und beim Volke beliebt.

In den Sitzen der Kami’s, sowohl denen der Tempel, als den kleinen, oft nur einen Fuß messenden Capellen oder Mias der Privatwohnungen, herrscht eine auffallende Einfachheit. Unter den zehn großen Festen des Kamidienstes ist das des Kriegsgottes Hat-si-man von großer Bedeutung, denn es ist zum Andenken der Manen der im Kriege Erschlagenen eingesetzt. In allen Theilen des Landes sind dem Hat-si-man Tempel und Hallen errichtet, unter denen der zu Usa in der Landschaft Bazen errichtete der vornehmste ist, weil dort der ursprüngliche Sitz des Gottes war. Der in der Abbildung gegebene steht in Simoda, einer der japanesischen Residenz Yeddo zunächst gelegenen Hafenstadt in der Provinz Idzu.

Am Tage des Festes versammelt sich eine zahlreiche Volksmenge, und jede Familie bringt einen Sarg mit, der dem Andenken ihrer in Schlachten gebliebenen Glieder geweiht ist. Nach einigen Gebeten beginnt die Aufstellung des Zuges, den mehrere Polizeibeamte zu Fuß und zu Pferd eröffnen, in deren Mitte zum Andenken an die in Korea geführten Kriege der koreanische Löwe dargestellt ist, indem ein Mann eine Löwenmaske über den Kopf stülpt und seine Füße die Vorderfüße des Löwen darstellen; ein zweiter folgt unter den über das Ungeheuer gedeckten Tüchern in gebückter Stellung, Rücken und Hintertheil darstellend, wie in Europa dies der Theaterliebhaber in der Zauberflöte sehen kann. Diese Theaterlöwen haben jedoch im Vorrecht der Erfindung dem koreanischen Löwen den Vortritt zu gestatten. Ihnen folgen Musiker mit Flöten, Pauken, Becken etc., die einen gewaltigen Lärm erheben, und nach diesen wird der Sarg von den Dienern getragen, umgeben von Priestern, begleitet von den Mitgliedern der Familie, von denen manche in kriegerischer Rüstung sind. In ihrem Gefolge befinden sich Diener, welche alles zu einem Gastmahl Erforderliche mit sich führen, denn ist die Procession beendet, so verfügen sich die verschiedenen Familien nach den Grabstätten ihrer Vorfahren und endigen dort das Fest in fröhlicher Schmauserei, wobei ein für die Todten bestimmter Antheil bei Seite gestellt wird. Nach Sonnenuntergang werden diese Gaben nebst einigen Münzen in kleine, aus Stroh geflochtene Boote gelegt und auf das Wasser gesetzt, um von Wind und Fluthen hinaus auf’s Meer getrieben zu werden.

Vorstehende Schilderung und Abbildung ist einem Werke entnommen, welches General Heine in Dresden in Heften mit photographischen Illustrationen und glänzender Ausstattung veröffentlicht, um seine zahlreichen Schriften über Japan damit rund abzuschließen. Offenbar ist diesem Unternehmen das jetzt so überraschend vor unseren Augen vor sich gehende förmliche Aufbrechen des durch Landes- und Volks-Eigenthümlichkeiten so ausgezeichneten Japanenreichs ganz besonders förderlich, und es freut uns, durch die vorliegende Mittheilung auf dasselbe hindeuten zu können.