In der königlichen Münze zu Berlin

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Titel: In der königlichen Münze zu Berlin
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aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 70–72
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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In der königlichen Münze zu Berlin.

Wer in Berlin vom Brandenburger Thore aus auf das weithin sichtbare königliche Palais zuwandert und, vor der Schloßbrücke rechts abbiegend, an dem verhältnißmäßig menschenleeren Spree-Ufer entlang geht, wird einen prächtigen Ziegelrohbau bemerken, dessen ernste Facade durch einen breiten Reliefgurt geschmückt wird. Lebensvoll treten aus dem großen Sandsteinbande plastische Gestalten hervor, zu anmuthigen Gruppen an einander gereiht, stellen sie Arbeiter dar, welche Metalle zu Münzen schlagen. In der stummen Sprache bildender Kunst verkündet Meister Schadow, daß hinter diesen Mauern das eigentliche Herz wirthschaftlichen Lebens schlägt, von dem blinkendes, klingendes Geld in die Adern des Verkehrs strömt und zu dem es glanzlos, stumpf, abgegriffen zurückfließt, um in neuem Gewande den allen Weg zu wandern. Wen hat nicht schon der Wunsch beschlichen, einen Blick an diese geheimnisvollen Räume zu werfen und ihre Schätze zu betrachten! Aber der Eingang ist gewissenhaft bewacht, zwar nicht von einem Cerberus, sondern von dem freundlichen Portier. So ein Portier in seiner dem Eingang beherrschenden Loge gleicht dem Leonidas in den Thermopylen, hundertfache Uebermacht schlägt er leicht zurück.

Da es nun bei dem erschwerten Zugange so schwierig ist, mit leiblichen Augen Umschau zu halten in dieser interessanten Werkstätte des Mammons, so laden wir Jedweden hiermit ein, im Geiste mit uns eine Wanderung durch die königliche Münze anzutreten.

Die eichene Thür thut sich schwerfällig auf. Auf unsere Frage nach dem Director werden wir vom Portier die breite, mit Teppichen belegte Treppe hinaufgewiesen, worauf ein anderer freundlicher Geist uns in das Zimmer des ersten Beamten geleitet. Nachdem wir uns vorgestellt und gehörig legitimirt haben, schreibt Herr Conrad in liebenswürdiger Weise einige Zeilen, die, obwohl sie in Prosa abgefaßt sind und nicht etwa eine schreckhafte Zauberformel enthalten, uns die Pforten der sonst so ungastlichen Räume öffnen werden. Mit diesem Erlaubnißschein begeben wir uns in das Münz-Comptoir und präsentiren ihn einem älteren Herrn. Wir haben einen Augenblick Muße, uns in dem großen Zimmer umzusehen, das von einem kaufmännischen Comptoir kaum zu unterscheiden ist.

An der gegenüberstehenden Wand, deren hohe Fenster einen Ausblick auf das Hintergebäude gestatten, arbeiten verschiedene Beamte eifrig an ihren Pulten. Zwischen der Thür und den Fenstern befindet sich ein langer Tisch mit Wagen, sowie großen und kleinen Gewichten. „Da fängt das Mysterium an,“ denken wir und legen uns die Frage nach dem Zwecke der mit peinlichster Sorgfalt neben einander ausgestellten Wäginstrumente vor. Aber schon werden wir in unseren Reflexionen angenehm durch einen jüngeren Beamten unterbrochen, der sich als Cicerone durch die Münze anbietet und mit uns das Zimmer verläßt. Von ihm erfahren wir, indem wir über einen Hof schreiten, daß das Münz-Comptoir sowohl das auswärtige Amt, wie das Ministerium des Innern repräsentirt und besagter Tisch ein Hauptorgan seiner Functionen bildet. Hier werden von der Reichsbank altes und fremdes Geld, Gold und Silber in Barren, sowie ausgediente Schmucksachen abgeliefert, sodann vom Münzwardein mit den feinsten Wagen gemessen und schließlich auf ihren Gehalt an Edelmetall untersucht, da bekanntlich fast alle Gold- und Silbersachen einen Kupferzusatz enthalten. Für jedes Pfund seines Gold z. B. erhält die Reichsbank 1392 Mark geprägtes Geld ausgezahlt. Die Münze schlägt aus einem Pfunde fein 1395 Mark, gewinnt also 3 Mark, und diese zur Deckung der Herstellungskosten bestimmte Differenz wird Schlag- oder Prägschatz genannt. Der Staat profitirt folglich Nichts bei dem Geschäfte. Anders in früheren Zeiten, wo Fürsten zuweilen geringwertiges Geld zu einem hohen Nennwerte ausgaben, um sich einen augenblicklichen Vorteil zu verschaffen.

In seiner Eigenschaft als Ministerium des Innern befördert das Münzcomptoir die wohl abgewogenen Metalle in die Münze, wo sie geschmolzen werden. Da die Edelmetalle verhältnißmäßig weich sind, giebt man ein Zehntel Kupfer zu, welches mit dem Golde oder Silber zusammengeschmolzen wird und der Legirung eine größere Härte verleiht.

Während der Unterhaltung sind wir in einen hohen Raum eingetreten, der eine frappante Aehnlichkeit mit einer Schmiede hat. An den Wänden stehen etwa ein Dutzend – sagen wir – Pulte. Denn der Durchschnitt der räthselhaften Gegenstände zeigt eine senkrecht auf dem Boden stehende Linie und eine in stumpfem Winkel von ihr ausgehende, welche in spitzem Winkel die Wand trifft. Der Deckel der Pultes hat eine kreisförmige Oeffnung, und wir hören erstaunt, daß wir Schmelzöfen vor uns haben. – In der ersten Halle ist es ziemlich still. Die Münze befindet sich in der todten Jahreszeit, richtiger in den todten Jahren. Statt der Hunderte von Arbeitern, welche sie vor einigen Sommern bei der Durchführung der Münzreform beschäftigte, sind nur noch 59 Mann in Thätigkeit, doch, wie wir jetzt um eine Ecke biegen, sehen wir aus einem der Oefen eine helle Flamme aufschlagen, und über der Oeffnung leuchtet uns der Kopf eines großen, glühenden Tiegels entgegen. Eben schüttet ein bärtiger Schmelzer Kohlen [71] auf das Gefäß, in welchem Gold und Kupfer zu einer flüssigen, glühenden Masse zusammenbrodeln. Wenn der Proceß vollendet ist, gießt der Schmelzer den leuchtenden Metallstrom in eiserne Formen. Ein keckeres Gemüth mögen sie an das mütterliche Waffeleisen erinnern, welches an Sonntag-Nachmittagen und auch zuweilen in der Woche, angenehme Düfte verbreitend, über dem Feuer um- und umgedreht wird. Aber die Waffeln, welche hier gebacken werden, sind für den besten Magen unverdaulich, und selbst die Löwen der Wüste würden sich bei diesem Knuspern ihre trefflichen Zähne verderben. Dann, sobald das Metall erkaltet ist und die Formen im Bewußtsein eines guten Gewissens uns furchtlos in ihr Inneres blicken lassen, schälen sich harte, lange Stäbe, welche „Zaine“ genannt werden, heraus. Böte man sie einem Laien als Gold zum Kaufe an, so würde er im Gefühle eigener Klugheit den verlangten Preis nicht zahlen, die Verkäufer aber für Bauernfänger halten; denn der Kupferzusatz hat den „Zainen“ eine rothbraune Farbe verliehen, welche das edle Metall so unkenntlich macht, daß es für ungeübte Augen vom Kupfer nicht zu unterscheiden ist.

Nur wenige Schritte von dem Ofen entfernt feilen Arbeiter in langen Schurzfellen die Unebenheiten auf der Oberfläche der Stäbe ab. Weshalb sie diese Operation vornehmen, erfahren wir im anstoßenden Säle. Hier geht’s lauter und lebendiger zu. Es werden nämlich von einer unsichtbaren Dampfmaschine, welche sich im Centrum der Münze befindet und mit allen Sälen in Verbindung steht, kleine Walzwerke getrieben, und zwischen ihren polirten Cylindern winden sich allenthalben Bänder und Streifen heraus. Genannte Bänder und Streifen, welche kupfernen Faßreifen zum Verwechseln ähnlich sehen, sind unsere alten Bekannten, die ehemals so stattlichen und jetzt bis zur Unkenntlichkeit gereckten und gestreckten „Zaine“. Kaum sind sie nämlich von der ersten Station hier angekommen, so wird ihnen, ungeachtet ihres behäbigen Leibesumfangs, auch schon zugemuthet, sich durch zwei eng über einander stehende Walzen zu pressen. Das ist nicht leicht und sehr bitter, aber ein frischgebackener „Zain“ hat trotz seiner großen Jugend das Princip des Gänsemarsches voll und sicher erfaßt. „Wo sechs Mann nicht neben einander wandeln können,“ sagt er sich, „da gehen sie bequem hinter einander her.“ Auf seine Lage angewandt, heißt das: Wenn er an Länge zunimmt, so wird er an Dicke abnehmen und ohne allzu große Schmerzen durchschlüpfen.

Die Arbeiter nun speculiren auf die Lebensklugheit des „Zaines“ und lassen ihn so lange durch die Walzwerke gehen, bis er die Dicke der Münze erreicht hat, welche man prägen will, wobei er sich zu einer schier unendlichen Länge ausdehnt. Zuweilen ereignet es sich jedoch, daß einer bei der schlechten Behandlung seine gutmüthige Weichheit verliert und recht hart und widerborstig wird. Dann wird ihm eine Nachcur in Glüh- und Feueröfen verordnet, aus welcher er natürlich nicht so unversehrt wie die drei biblischen Jünglinge, sondern willenlos und gehorsam hervorgeht.

Wenn die Walzwerke einigermaßen an die in Telegraphenbureaux befindlichen Räder mit ihren endlosen Papierstreifen erinnern, so ähnelt ein in der Nähe eifrig arbeitender Apparat, der den Namen Durchstoß führt, einer Nähmaschine. Die, in kleinere Stücke gebrochenen und geschnittenen Bänder werden hier in horizontaler Lage von einem Arbeiter über einen aufrecht stehenden Cylinder geführt. Von oben fällt ein sich rasch auf und nieder bewegender Stempel auf den Streifen und stößt Stücke von der Größe der zu prägenden Münze heraus. Wenn nun das Metallband den Durchstoß passirt hat, weist es ein rundes Loch neben dem andern auf, und aus der Größe derselben und der Dicke der Streifen ist ersichtlich, daß man just mit der Herstellung von Zehnmarkstücken beschäftigt ist. Die durchlöcherten Bänder werden in/ Netze gepackt und wieder der ersten Station zum Schmelzen überwiesen.

Man sollte glauben, daß die Plättchen gleich schwer wären, da sie durch dieselbe Walze und denselben Durchstoß gegangen sind, aber das ist selten der Fall; sehr viele sind vielmehr entweder schwerer oder leichter, als der Münzfuß bestimmt, und deshalb muß jedes Stück justirt werden. Diese Operation findet im ersten Stock statt. In einem großen, einem Zeichen- oder Händarbeitssaale nicht unähnlichen Raume stehen zu beiden Seiten eines Ganges lange, flache Bänke, von denen jede etwa ein halbes Dutzend der empfindlichsten und genauesten Wagen trägt. Vor jeder Wage steht ein Stuhl, und auf einigen Stühlen sitzen Männer, neben denen ein Haufen Metallplättchen liegt; rasch bringen sie dieselben auf die Wagschale, bestimmen ihr Gewicht und werfen sie in ein vor ihnen stehendes Kästchen, welches drei Fächer enthält. Eines ist für die vollwichtigen Münzen bestimmt, und ein anderes nimmt die zu leichten auf; diese müssen wieder eingeschmolzen werden. Von denjenigen aber, welche schwerer sind, als verlangt wird, schaben die auf ihren Stühlen wie unerbittliche Richter sitzenden Männer, als abgesagte Feinde aller berechtigten Eigenthümlichkeiten und individuellen Verdienste, so viel ab, als zur Erlangung des normalen Gewichtes erforderlich ist. Also herrscht im Justirsaale die vollkommenste Gleichheit und Gleichmacherei, welche auf dieser unvollkommenen Welt denkbar und möglich ist.

Die Schnelligkeit und Sicherheit der Justirer ist bemerkenswerth. Dennoch ist die Handarbeit so zeitraubend, daß der Erfindungsgeist sich lange vergeblich mit dem Problem einer Justirmaschine beschäftigt, bis er die Aufgabe endlich gelöst hat. Eine derartige Maschine muß, wie aus dem Vorhergehenden ersichtlich ist, zwei Funktionen übernehmen: sie hat erstens die Plättchen zu wägen und zweitens das Uebergewicht der allzu schweren Stücke abzuschaben. Derartige, von Seiß erfundene Maschinen sind in der königlichen Münze neben den Justirern in Thätigkeit. Der Arbeiter, welcher sie bedient, hat nichts weiter zu besorgen, als von Zeit zu Zeit die Plättchen durch eine oben angebrachte Oeffnung in das Werk gelangen zu lassen. Die Maschinen arbeiten fast unsichtbar, sodaß sie beim ersten Anblicke sanft eingenickt zu sein und sich eines wohlthätigen Schlummers zu erfreuen scheinen, aber das periodische Klingen rollenden und niederfallenden Metalls erhebt ihre stille Thätigkeit über allen Verdacht, indem es gleichzeitig unsere Blicke auf den Boden lenkt. Dort, am Fuße der Maschine, steht ein in sechs Fächer eingetheiltes Kästchen, in welches die Plättchen, nach ihrem Gewicht sortirt, fallen. Die zu leichten und vollwichtigen rollen in die drei ersten Classen, die zu schweren aber füllen allein drei Classen aus. Es ist leicht verständlich, weshalb der Erfinder den „schweren Elementen“ die Hälfte aller Fächer eingeräumt hat; sein Verfahren ist weder auf Ungerechtigkeit gegen die minder schweren Classen zurückzuführen, noch haben ihn socialpolitische Erwägungen geleitet; auch schwebte ihm nicht das System der Stadtverordneten- oder Landtagswahlen bei der Construction seiner Maschine vor. Er hat die Einrichtung vielmehr lediglich deshalb getroffen, um die Abschabung durch eine automatische Maschine möglich zu machen. Eine Maschine, welche nicht in jedem einzelnen Falle entsprechend gestellt wird, kann immer nur ein gleiches Quantum Mehrgewicht entfernen; die Plättchen dagegen weisen, wenn auch minimale, so doch bei dem Werthe des Stoffes gewichtige Verschiedenheiten auf. Werden die Stücke nun aber nach Gruppen sortirt, welche ungefähr eine gleiche Schwere haben, so kann man eine Maschine herstellen, welche, den drei Gewichtsclassen entsprechend, stets genau das bezügliche Uebergewicht entfernt.

Jetzt scheint die niedere Arbeit beendet und der letzte Act im Gebiete des Aesthetischen zu spielen; denn die Plättchen werden eben an die Rändelmaschine abgeliefert. Wer in einer müßigen Stunde dem Rande unserer Münzen einige Aufmerksamkeit schenkt, wird bemerken, daß sie mit Ausnahme der Kupfer- und Nickelmünzen einen verzierten Rand haben, weshalb ein etwaiges Befeilen auf ihnen leichter sichtbar wird. Die Silbermünzen bis zu zwei Mark sind gerippt; die Zehnmarkstücke zeigen eine Rankenverzierung, die silbernen Fünf- und die Zwanzigmarkstücke eine Inschrift, der Rand aller Münzen aber steht auf der Vorder- und Rückseite ein wenig vor. Der gekerbte Rand wird im Prägring hergestellt, während die Rändelmaschine das Aufstauchen und Verzieren besorgt. Zu diesem Zwecke enthält sie zwei stählerne parallele Schienen, deren Abstand kleiner als der Durchmesser des Plättchens ist und auf welchen je die Hälfte der einzuwalzenden Verzierung erhaben vorhanden ist. Die eine ist unbeweglich, die andere verschiebbar, und diese letztere wird von der Dampfmaschine in sehr raschem Tempo nach links und rechts bewegt. Wenn nun das Plättchen in die Rändelmaschine gelangt, so wird es von der beweglichen Schiene in eine drehende Bewegung versetzt und vorwärts geschoben, indeß sich der Rand aufstaucht und die erhabenen Stellen in das weichere Edelmetall eingraben. Die Rändelmaschine wird von zwei Zubringerohren gespeist, und in der Mitte der Schienenbahn befindet sich eine runde Oeffnung, durch welche die gerändelten Plättchen von links und rechts in einen Kasten fallen.

Irren ist nach dem übereinstimmenden Zeugnisse aller Zeiten [72] menschlich, und so täuschten wir uns auch, als wir glaubten daß alle folgenden Processe zur Herstellung unserer Münzen uns in das Gebiet des Schönen fuhren würden. Dem gerändelten Plättchen wird auf einmal das stärkste Mißtrauensvotum erteilt, indem man ihm vor Anlegung des Festgewandes sich reinzuwaschen empfiehlt. Das ist hart, aber, objectiv betrachtet, eine berechtigte ästhetische und gesundheitspolizeiliche Forderung, denn die Stücke tragen von der Schmelzstation her noch immer eine rothbraune, schmutzige Farbe an sich. Symbolisch wird die Erniedrigung dadurch angedeutet, daß wir aus dem ersten Stocke wieder in das Erdgeschoß wandern müssen. Und welche Reinigung lassen ihnen die beiden Männer dort angedeihen! Hier wird keine Mandel- oder Veilchenseife verwandt, sondern man geht ihnen mit verdünnter Schwefelsäure zu Leibe. Nachdem die Säure das Kupfer aus der Oberfläche gebeizt hat, erscheinen. die Plättchen hellgelb und glänzend. Nun wird die an ihnen haftende Säure in einer mit Weinstein gefüllten rottenden Trommel entfernt, welche sie tüchtig durch einander rüttelt und schüttelt. Alsdann bringt sie ein Arbeiter in flache kupferne Kessel und reibt und trocknet sie mit wollenen Lappen zuerst kalt, dann warm ab.

Der Erniedrigung folgt endlich der gerechte Triumph. Gerändelt und gereinigt, läßt man die Plättchen in das Zubringerohr der fieberhaft arbeitenden Prägmaschine gleiten, welche sie einzeln nach der Anciennetät zwischen zwei mit gewaltiger Kraft gegen einander strebende Stahlstempel führt, die sie mit inbrünstigem Liebesarme umfassen, daß sich das Edelmetall oben und unten in die Vertiefungen der Stempel preßt, was man „Prägen“ nennt.

Da rollen die zur Würde von Münzen erhobenen Goldstücke aus der Maschine heraus und betten sich in ihrer jungen Größe verführerisch neben einander. Wer ihnen etwas an ihrer Würde oder Ehre „abschneiden“ wollte, würde mit den Gesetzen in Conflict gerathen. Der Münzbuchstabe A, Zeichen der Münzstätte Berlin, der aus dem Avers so bescheiden unter dem Bilde des Kaisers hervorblickt und nur auf einigen Scheidemünzen die Keckheit hat, sich zweimal zu zeigen, macht es dem Zehnmarkstücke unmöglich, seine Vaterstadt Berlin zu verleugnen, was übrigens allen Berliner Kindern bekanntlich sehr schwer wird.

In großen Behältern, welche Fleischerschüsseln ähnlich sehen, werden die glitzernden Goldstücke nun in das Münzcomptoir gebracht, wo sie gezählt und aufbewahrt werden. Bald wird sie die Reichsbank in ihre Cassen und Keller überführen und nach und nach in den Verkehr bringen. Dann wandern sie durch ehrliche und unehrliche Finger, aus den Geldschränken der Banquiers in die Strümpfe alter Frauen, von der schwieligen Hand des Arbeiters in das wohlgepflegte Händchen vornehmer Damen. Lange Jahre liegen sie ruhig in den Kisten zinsenverschmähender Geizhälse, bis sie dann plötzlich verurtheilt werden, ein unruhiges Dasein in der Börse des verschwenderischen Erben zu führen. Sie dienen allen Menschen, allen Ständen, allen Neigungen, allen Wünschen und Bestrebungen mit gleicher Liebe. Sie enthalten in der That das von den Chemikern bisher vergeblich gesuchte eine Element, aus welches sich alle anderen zurückführen lassen und welches in alle anderen verwandelt werden kann. Ja, wenn uns eines dieser Goldstücke seine Geschichte erzählen könnte! Vor mehreren tausend Jahren wurde vielleicht sein Stoff im Pactolus gewonnen, in der persischen Reichsmünze verarbeitet und mit dem Bilde des Königs geschmückt. Jahrhunderte später aber prangte auf dem umgeschmolzenen Metallstücke das Haupt Julius Cäsar's, und wieder nach Hunderten von Jahren ließ es eine fromme Frau mit anderen Werthsachen einschmelzen, um der neuerbauten romanischen Kathedrale eine kostbare Monstranz zu verehren. Abermals nach manchem Jahrhundert bildete es ein Glied der langen Kette, welche sich um den Hals eines Fürsten wand, und jetzt liegt es, ein moderner Phönix, zurückblickend auf stolze und ruhmreiche Schicksale, ruhig neben den Emporkömmlingen, deren Stoff erst vor wenigen Jahren in den Bergwerken Californiens gewonnen wurde.