In den Zeiten des Fehderechts

Textdaten
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Autor: Friedrich Helbig
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Titel: In den Zeiten des Fehderechts
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 47, S. 776–777, 780
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[776–777]

Raubritter Schüttensamen wird gefangen nach Nürnberg gebracht.
Nach dem Oelgemälde von Konrad Weigand.

[780]

In Zeiten des Fehderechts.

(Mit Illustration Seite 776 und 777.)

 „Heraus soll man sie klauben
 Aus ihren fuchsenen Schauben
 Mit Brennen und mit Rauben
 Dieselben Kaufleut’ gut
 Um ihren Uebermuth.“

In dieser Strophe eines alten Reiterliedes aus dem 15. Jahrhundert spiegelt sich der Haß wieder, welcher zwischen dem burgsässigen Adel und den Reichsstädten loderte und zu jenen zahllosen Fehden führte, von denen die Geschichte des Mittelalters so viel zu berichten weiß.

Zu den am meisten befehdeten Städten zählten Augsburg und Nürnberg. Waren sie doch die Hauptstapelplätze der ostindischen Waaren, welche sie von den Venetianern bezogen und auf vielästigen Handelsstraßen zu den großen Messen in Franfurt am Main, Naumburg, Braunschweig und Leipzig weiter gen Norden führten. „Nürnberger Hand,“ sagte damals das Sprichwort, „geht durchs ganze Land.“ Die großen Waarenzüge Nürnbergs bildeten verlockende Greifobjekte für die Lüsternheit der Raubritter, und es waren oft Träger der edelsten Namen, welche dieser Lockung verfielen.

Die Nürnberger erwarben zwar für ihre Bürger von den Territorialherren der wichtigern Handelsstraßen, wie zwischen Nürnberg und Frankfurt, mit schweren Opfern ein sogenanntes Geleit. Allein dieses Geleitsrecht wurde nur wenig respektirt. Im Jahre 1437 hoben die Geleitsfürsten das versprochene Geleit sogar wieder auf, weil die „Räuberei und Plackerei“ auf der Straße von Nürnberg nach Frankfurt so stark wäre, daß sie deren nicht Herr werden könnten. So sahen sich die Nürnberger auf Selbsthilfe angewiesen, und es entspann sich eine Reihe von blutigen Fehden, die mit der größten Erbitterung geführt wurden. Eine der bedeutendsten und durch ihren tragischen Abschluß interessantesten war die gegen den Raubritter Hans Schüttensamen in den Jahren 1465 bis 1474. Sie erlangte ihrer Zeit eine solche Berühmtheit, daß sich sogar die Dichtkunst mit ihr beschäftigte. Ein als fliegendes Blatt gedrucktes Volkslied feierte in fünfundzwanzig gereimten Strophen den Verrath, die Gefangennahme und den Tod des Raubritters und wurde im „Tone wie man singt vom König Paris“ auf Herberg und Landstraße viel gesungen. Es gab also auch schon damals eine Romantik des Räuberthums!

Hans Schüttensamen der Jüngere, so berichten die Nürnberger Annalen, hatte sich eine Forderung gegen Hans Reinhold, Losungsschreiber zu Nürnberg, an Hans Wolf und Sebald Frever angemaßt, welche ihm diese nicht zugestanden. Der Rath verwies ihn daher zum rechtlichen Austrage. Der beutelüsterne Hans sagte statt dessen dem Rathe die jedenfalls von vornherein beabsichtigte Fehde an, und zwar scheint es nicht seine erste gewesen zu sein. Nürnberg bot angesehene Herren, Fürsten und Bischöfe zu Schiedsrichtern an. Hans Schüttensamen ging auch zum Scheine darauf ein, indem er seinerseits den Markgrafen Albrecht von Brandenburg als Schiedsmann nannte. Inzwischen aber begann er bereits lustig zu rauben und zu brennen. Den Bürger Gabriel Tetzel überfiel er auf der Jagd und erpreßte von dem Gefangenen ein Lösegeld von tausend Gulden. Dem Wilhelm Löffelholz brannte er sein Herrenhaus unter der Altenburg bei Bamberg und dem Hans Löffelholz sein Gut Seehof nieder. Beide waren angesehene Nürnberger Patricier. Einen Nürnberger Bauer, der sich nicht gefangen nehmen lassen wollte, erstach er und verbrannte sein Haus und Stadel. Zuletzt brannte er ganze Dörfer aus, darunter ein dem Nürnberger Schultheißen Sigmund von Egloffstein gehöriges. In Folge dieser Gräuel erließ der Nürnberger Rath einen öffentlichen Aufruf, daß, wer den Schüttensamen in Haft bringen würde, achthundert Gulden, aber wer ihn ums Leben brächte, vierhundert Gulden erhalten solle.

Die Belohnung verlockte einen von Schüttensamen’s Knechten zum Treubruch. Er verrieth seinen Herrn, indem er ihm vorredete, er wolle ihm einen reichen Bauern als Gefangenen zuführen. Während nun der Ritter in einer Herberge des Nürnberger Stadtwalds auf die willkommene Beute lauerte, sandte der Knecht heimlich eine ihm befreundete Nürnberger Dirne zum Magistrate, und dieser entbot rasch ein Fähnlein Söldner, das den eines solchen Ueberfalls nicht gewärtigen Ritter sammt „zween seiner Knechte“ überrumpelte und gefangen nahm. „Ihr kommt wohl her in des Teufels Namen!“ höhnte ihm Hans Löffelholz entgegen, als man den Ritter in Nürnberg einbrachte. Diesen Augenblick illustrirt unser Holzschnitt auf Seite 776 und 777 in trefflicher Weise. Hinter dem Ritter und seinen Knappen schreitet der Verräther neben seiner Gehilfin. Fluchend und drohend umringen die Nürnberger den seltsamen Zug.

Die Folter erpreßte Hans Schüttensamen das Geständniß seiner mannigfachen Uebelthaten. Das Urtheil des Rathes lautete gegen den Ritter auf Tod durch Feuer, bei den Knechten auf Tod am Galgen. „Beim Anhören dieses Urtheils,“ heißt’s im Volksliede, „war ihm das Lachen theuer.“ Vergebens berief sich der Verurtheilte auf das ritterliche Recht, durchs Schwert gerichtet zu werden. Der Groll wider den Mörder und Räuber saß bei den Nürnbergern zu tief. „Er ward in einem Feuer verbrannt.“ Nur die beiden Knechte begnadigte man vom Galgen zum Schwerte. „Darum,“ lautet die Schlußmoral des Volksdichters, „ist das mein treuer Rath, daß Niemand soll unrecht thun.“

Trotz dieser abschreckenden Sühne war die Schüttensamen’sche Fehde noch lange nicht die letzte, welche die Nürnberger zu bestehen hatten. Wissen wir doch aus dem Goethe’schen Drama, daß ihnen unter Anderen Götz von Berlichingen noch viel zu schaffen machte. Aber an ihm hatte sich bereits das Wort erfüllt, das der große Dichter in den Mund des Sterbenden gelegt hat:

„Stirb, Götz, Du hast Dich selbst überlebt, die Edlen überlebt.“

Eine neue Welt zog herauf, eine Welt, in welcher nicht mehr die blinde Kraft der Faust, sondern die lichte Kraft des Geistes die Herrschaft führte und ein geläutertes Humanitätsgefühl die Grausamkeiten des menschlichen Egoismus milderte und bändigte. Fr. Helbig.