Textdaten
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Autor: Friedrich Hölderlin
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Titel: Hyperion – Hyperion an Bellarmin XXXI
Untertitel: oder der Eremit in Griechenland – Zweiter Band
aus: Hyperion oder der Eremit in Griechenland von Friedrich Hölderlin. Erster Band. Tübingen 1799; S. 3–5
Herausgeber:
Auflage: 1
Entstehungsdatum: o. A.
Erscheinungsdatum: 1799
Verlag: J. G. Cotta'sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Tübingen
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Quelle: www.hoelderlin.de
Kurzbeschreibung:
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HYPERION AN BELLARMIN.


      Wir lebten in den lezten schönen Momenten des Jahrs, nach unserer Rükkunft aus dem Attischen Lande.

     Ein Bruder des Frühlings war uns der Herbst, voll milden Feuers, eine Festzeit für die Erinnerung an Leiden und vergangne Freuden der Liebe. Die welkenden Blätter trugen die Farbe des Abendroths, nur die Fichte und der Lorbeer stand in ewigem Grün. In den heitern Lüften zögerten wandernde Vögel, andere schwärmten im Weinberg, und im Garten und erndteten fröhlich, was die Menschen übrig gelassen. Und das himmlische Licht rann lauter vom offenen Himmel, durch alle Zweige lächelte die heilige Sonne, die gütige, die ich niemals nenne ohne Freude und Dank, die oft in tiefem Laide mit einem Blike mich geheilt, und von dem Unmuth und den Sorgen meine Seele gereinigt.

     [4-5] Wir besuchten noch all’ unsere liebsten Pfade, Diotima und ich, entschwundne seelige Stunden begegneten uns überall.

     Wir erinnerten uns des vergangenen Mais, wir hätten die Erde noch nie so gesehen, wie damals, meinten wir, sie wäre verwandelt gewesen, eine silberne Wolke von Blüthen, eine freudige Lebensflamme, entledigt alles gröberen Stoffs.

     Ach! es war alles so voll Lust und Hoffnung, rief Diotima, so voll unaufhörlichen Wachstums und doch auch so mühelos, so seeligruhig, wie ein Kind, das vor sich hin spielt, und nicht weiter denkt.

     Daran, rief ich, erkenn’ ich sie, die Seele der Natur, an diesem stillen Feuer, an diesem Zögern in ihrer mächtigen Eile.

     Und es ist den Glüklichen so lieb, diess Zögern, rief Diotima; weist du? wir standen einmal des Abends zusammen auf der Brüke, nach starkem Gewitter, und das rothe Berggewässer schoss, wie ein Pfeil, unter uns weg, aber daneben grünt’ in Ruhe der Wald, und die hellen Buchenblätter regten sich kaum. Da that es uns so wohl, dass uns das seelenvolle Grün nicht auch so wegflog, wie der Bach, und der schöne Frühling uns so still hielt, wie ein zahmer Vogel, aber nun ist er dennoch über die Berge.

     Wir lächelten über dem Worte, wiewol das Trauern uns näher war.

     So sollt’ auch unsre eigne Seeligkeit dahingehn, und wir sahen’s voraus.

     O Bellarmin! wer darf denn sagen, er stehe vest, wenn auch das Schöne seinem Schiksaal so entgegenreift, wenn auch das Göttliche sich demüthigen muss, und die Sterblichkeit mit allem Sterblichen theilen!