Textdaten
<<< >>>
Autor: Friedrich Hölderlin
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Hyperion – Hyperion an Bellarmin XX
Untertitel: oder der Eremit in Griechenland – Erster Band
aus: Hyperion oder der Eremit in Griechenland von Friedrich Hölderlin. Erster Band. Tübingen 1797; S. 101 – 103
Herausgeber:
Auflage: 1
Entstehungsdatum: o. A.
Erscheinungsdatum: 1797
Verlag: J. G. Cotta'sche Buchhandlung
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Tübingen
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: www.hoelderlin.de
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]
[101]
HYPERION AN BELLARMIN.


Was ist alles künstliche Wissen in der Welt, was ist die ganze stolze Mündigkeit der menschlichen Gedanken gegen die ungesuchten Töne dieses Geistes, der nicht wusste, was er wusste, was er war?

     Wer will die Traube nicht lieber voll und frisch, so wie sie aus der Wurzel quoll, als die getrokneten gepflükten Beere, die der Kaufmann in die Kiste presst und in die Welt schikt? Was ist die Weisheit eines Buchs gegen die Weisheit eines Engels?

     Sie schien immer so wenig zu sagen, und sagte so viel.

     Ich geleitete sie einst in später Dämmerung nach Hause; wie Träume, beschlichen thauende Wölkchen die Wiese, wie lauschende Genien, sahn die seeligen Sterne durch die Zweige.

     Man hörte selten ein »wie schön!« aus ihrem Munde, wenn schon das fromme Herz kein lispelnd Blatt, kein Rieseln einer Quelle unbehorcht liess.

     Diessmal sprach sie es denn doch mir aus - wie schön!

     [102-103] Es ist wohl uns zuliebe so! sagt' ich, ungefähr, wie Kinder etwas sagen, weder im Scherze noch im Ernste.

     Ich kann mir denken, was Du sagst, erwiederte sie; ich denke mir die Welt am liebsten, wie ein häuslich Leben, wo jedes, ohne gerade dran zu denken, sich in's andre schikt, und wo man sich einander zum Gefallen und zur Freude lebt, weil es eben so vom Herzen kömmt.

     Froher erhabner Glaube! rief ich.

     Sie schwieg eine Weile.

     Auch wir sind also Kinder des Hauses, begann ich endlich wieder, »sind es und werden es seyn«.

     Werden ewig es seyn, erwiederte sie.

     Werden wir das? fragt' ich.

     Ich vertraue, fuhr sie fort, hierinnen der Natur, so wie ich täglich ihr vertraue.

     O ich hätte mögen Diotima seyn, da sie diess sagte! Aber du weisst nicht, was sie sagte, mein Bellarmin! Du hast es nicht gesehn und nicht gehört.

     Du hast Recht, rief ich ihr zu; die ewige Schönheit, die Natur leidet keinen Verlust in sich, so wie sie keinen Zusaz leidet. Ihr Schmuk ist morgen anders, als er heute war; aber unser Bestes, uns, uns kann sie nicht entbehren und Dich am wenigsten. Wir glauben, dass wir ewig sind, denn unsere Seele fühlt die Schönheit der Natur. Sie ist ein Stükwerk, ist die Göttliche, die Vollendete nicht, wenn jemals du in ihr vermisst wirst. Sie verdient dein Herz nicht, wenn sie erröthen muss vor Deinen Hoffnungen.