Hyperion an Bellarmin I
[5] Erstes Buch.
[7] HYPERION AN BELLARMIN.
Der liebe Vaterlandsboden giebt mir wieder Freude und Leid. Ich bin jezt alle Morgen auf den Höhn des Korinthischen Isthmus, und, wie die Biene unter Blumen, fliegt meine Seele oft hin und her zwischen den Meeren, die zur Rechten und zur Linken meinen glühenden Bergen die Füsse kühlen. Besonders der Eine der beeden Meerbusen hätte mich freuen sollen, wär’ ich ein Jahrtausend früher hier gestanden. Wie ein siegender Halbgott, wallte da zwischen der herrlichen Wildniss des Helikon und Parnass, wo das Morgenroth um hundert überschneite Gipfel spielt, und zwischen der paradiesischen Ebene von Sycion der glänzende Meerbusen herein, gegen die Stadt der Freude, das jugendliche Korinth, und schüttete den erbeuteten Reichtum aller Zonen vor seiner Lieblingin aus. [8–9] Aber was soll mir das? Das Geschrei des Jakals, der unter den Steinhaufen des Altertums sein wildes Grablied singt, schrökt ja aus meinen Träumen mich auf. Wohl dem Manne, dem ein blühend Vaterland das Herz erfreut und stärkt! Mir ist, als würd’ ich in den Sumpf geworfen, als schlüge man den Sargdekel über mir zu, wenn einer an das meinige mich mahnt, und wenn mich einer einen Griechen nennt, so wird mir immer, als schnürt’ er mit dem Halsband eines Hundes mir die Kehle zu. Und siehe, mein Bellarmin! wenn manchmal mir so ein Wort entfuhr, wohl auch im Zorne mir eine Thräne in’s Auge trat, so kamen dann die weisen Herren, die unter euch Deutschen so gerne spuken, die Elenden, denen ein leidend Gemüth so gerade recht ist, ihre Sprüche anzubringen, die thaten dann sich gütlich, liessen sich beigehn, mir zu sagen: klage nicht, handle! O hätt’ ich doch nie gehandelt! um wie manche Hoffnung wär’ ich reicher! – Ja, vergiss nur, dass es Menschen giebt, darbendes, angefochtenes, tausendfach geärgertes Herz! und kehre wieder dahin, wo du ausgiengst, in die Arme der Natur, der wandellosen, stillen und schönen. |