Holländische Gasbrunnen
[67] Holländische Gasbrunnen. Eine neue Art der Beleuchtung hat sich seit kurzem auf vielen Bauernhöfen des nördlichen Hollands eingebürgert. Betritt man ein solches Bauernhaus, sei es in einem Dorfe, sei es weit entlegen von der nächsten menschlichen Wohnung, so ist man erstaunt, in dieser ländlichen Einsamkeit, wo man im Umkreis vieler Meilen mit Sicherheit auf die Abwesenheit jeder Gasanstalt schwören könnte, den Vorteil der Beleuchtung mit Gasglühlicht zu finden. Eine kleine Gaskrone von zwei bis drei Lampen im Wohnzimmer, eine Glühlampe in der Küche, auf der Diele, eine Gaslaterne vor dem Hause, ja eine Glühlampe im Kuhstall gehören in Nordholland auf den einsamsten Bauernhöfen keineswegs zur Seltenheit. Fragt man den Besitzer nach der Quelle dieses in solcher Umgebung höchst überraschenden [68] Lichtes, so wird er uns an den Brunnen auf seinem Hofe führen und auf den eisernen Behälter deuten, der wie ein umgekehrter Kessel mit der Oeffnung nach unten in den Wasserspiegel der Brunnenöffnung taucht und sich mittels Ketten und Rollen auf und nieder bewegen läßt. Die Quelle dieser ländlichen Luxusbeleuchtung ist sogenanntes Brunnengas, von dessen Brennbarkeit und Explosivität die Besitzer eines solchen Brunnens vor einigen Jahren auf unangenehme Weise überzeugt wurden. Daß aus dem Wasser der Gräben und der offenen, sogenannten Nortonbrunnen, durch welche im nördlichen Teil der Niederlande der Wasserbedarf auf dem Lande überwiegend gedeckt wird, häufig Sumpfgas entweicht, war den Anwohnern längst bekannt; man braucht z. B. im Winter auf solchen stehenden Gräben nur ein kleines Loch ins Eis zu schlagen, um das daraus entweichende Gas nach kurzer Zeit anzünden zu können. Durch Zufall lernte man auch die große Menge des Gases kennen, welches aus dem Wasser der offenen Norton- oder Abessynierbrunnen entweicht. Einige Knaben spielten am Rande eines solchen Brunnens mit Zündhölzern, das explosive Gemenge aus Luft und Sumpfgas, welches sich über dem Wasserspiegel in der Brunnenröhre gebildet hatte, wurde durch ein herabfallendes Streichholz entzündet, und einer der Knaben durch die emporschlagende Flamme schwerverletzt. Da das brackige, gelbe und salzhaltige Wasser der Nortonbrunnen als Trinkwasser höchstens für das Vieh gebraucht wird und von diesem ohne Schaden vertragen zu werden scheint, so verlor es auch nach der Entdeckung des Gasgehaltes nicht weiter an Wert. Dagegen kam ein Brunnenmacher aus Parmerend, Namens Lankema, auf den Gedanken, diese reichlichen Mengen von Brunnengas zur Beleuchtung zu benutzen. Zu diesem Zwecke werden in der oberen gemauerten Brunnenöffnung, in welcher sich das aufsteigende Wasser sammelt, die oben erwähnten Kessel oder Gasometer, deren Größe von einem bis zu mehreren Kubikmetern wechselt, an Ketten und Gegengewichten aufgehängt. In diesen Behältern hat das Gas, welches dem Brunnenwasser nur allmählich in kleinen Bläschen entweicht, am Tage und in der Nacht Zeit, sich zu sammeln, und beim Eintritt der Dunkelheit ist dann der dreiviertel oder ganz gefüllte Gasometer gebrauchsbereit. Ein Brunnen für 400 bis 1000 l stündlicher Wasserlieferung giebt in derselben Zeit 40 bis 200 l Gas ab, d. h. reichlich genug, um den Lichtbedarf eines Bauernhofes von 4 bis 5 Flammen und auch den Brennstoff für die meist noch daneben eingerichtete Gasküche zu liefern. Da das Sumpfgas an sich keine Leuchtkraft besitzt, sondern ähnlich wie ein Spiritusbrenner nur eine schwache blaue Flamme giebt, so bedient man sich zur Beleuchtung meistens der Glühstrümpfe, deren dünnes Gewebe auch durch lichtschwache Gase noch hinreichend in Glut versetzt wird. Das Kochen mit Gas dient neben seiner Bequemlichkeit und Sauberkeit und der Ersparnis an Brennmaterial dazu, den Gasbrunnen auch im Sommer, wenn es mit dem Lichtbedarf zu Ende ist, nicht unbenutzt zu lassen. Die Gasleitung vom Brunnen zum Hause besteht nur aus einem Hahn und einem darübergezogenen Gummischlauch, der den Bewegungen des Gasometers folgt und mit seinem anderen Ende auf ein dünnes zum Hause führendes Gasrohr gestreift ist.
In manchen Fällen wird das Gas, um seine Leuchtkraft zu verbessern, nach allen Regeln der Kunst karburiert, d. h. durch die Aufnahme lichtstarker Substanzen leuchtend gemacht, wie es auch in Gasanstalten häufig der Fall ist. Das geschieht einfach, indem man es vor der Benutzung durch einen Behälter streichen läßt, der zum Teil mit kleinen Stücken von Calciumkarbid oder mit Petroleumäther gefüllt ist.
Durch die Vergrößerung der Brunnenanlage läßt sich auch die Gaserzeugung stark vermehren, und da man die letztere umsonst hat, die Anlage von Nortonbrunnen aber sehr billig ist, so werden in vielen Fällen Brunnen gebohrt lediglich zu Beleuchtungszwecken. Der erwähnte Unternehmer hat in Wieringerwaard einen Hof mit einem Gasbrunnen für 14 Flammen ausgestattet, und eine andere demnächst zur Ausführung kommende Anlage ist sogar bestimmt, 60 Flammen zu speisen. Bw.