Herr Wendriner hat Gesellschaft

Textdaten
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Autor: Kurt Tucholsky
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Titel: Herr Wendriner hat Gesellschaft
Untertitel:
aus: Mit 5 PS Seite 43-46
Herausgeber:
Auflage: 10. – 14. Tausend
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1928
Verlag: Ernst Rowohlt
Drucker: Herrosé & Ziemsen
Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Aus dem Zyklus: EIN MANN AM WEGE: HERR WENDRINER
Erstdruck in: Weltbühne, 11. August 1925
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Bild
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Bearbeitungsstand
fertig
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[43]
Herr Wendriner hat Gesellschaft

„Auf Wiedersehn, Frau Doktor! Auf Wiedersehn, Herr Welsch! Kommen Sie gut nach Hause, guten Abend! Gunahmt …! Uff.

Wieviel Uhr ist es? Herrgott, viertel zwei! Mannheimers wollten um halb eins gehen, was hast du sie genötigt, noch zu bleiben …? Der Rotwein muß zugekorkt werden, der ist noch sehr gut. Hua – bin ich müde! Hast du die Korridortür zugeschlossen? Wer kommt da? Ach so, Marie. Na, Marie? Sind Se zufrieden, ja? Mach mal die Tür zu. Ich bin überzeugt, daß Gerolds nicht zwei Mark gegeben haben, die Frau [44] ist derartig knickrig … Vera sah heute abend sehr gut aus, fandst du nich? Bis auf die Pickel – daß das Mädchen gar nichts dafür tut! Den Schlüsselring? Hab ich nich gesehn. Immer verlegste den Schlüsselring! Sieh doch mal im Nachttisch nach oder im Herrenzimmer! Nein, ich hab ihn nicht! Wie oft soll ich noch … Halt deine Sachen zusammen! Übrigens: Tante Jenny lad ich zu so ’nem Abend nicht mehr ein. Was frißt diese Person! Das ist ja fürchterlich! Bitte, das ist deine Verwandtschaft. Meine Verwandtschaft frißt nicht, die macht bloß Pleite. Haste die Schlüssel? Na, Gott sei Dank. Paß doch bloß auf deine Sachen auf! Der Hasenbraten war ganz gut, findste nich? Das Eis war ein bißchen zerlaufen, das Mädchen muß besser aufpassen. Mit dem Likör hat mich der Marschall schön angeschmiert! Hat mir da erzählt, das wär eine Ausnahme und nur für mich – nicht zu trinken das Zeug. Nu ja – es muß ihnen doch geschmeckt haben, es ist fast gar nichts mehr drin in der Flasche. Schade. Wo ist denn mein Zigarrenetui? Hanne! Hanne! Haste mein Zigarrenetui nicht gesehn? Wo ist denn mein Zigarrenetui? Wahrscheinlich gestohlen. Natürlich, wo solls denn sonst sein – ich habs doch noch eben … mach mich nicht nervös! Such lieber. So ein gutes Etui! Vielleicht hats einer aus Versehen mitgenommen … ach, da ist es. Was packste denn noch so spät in der Nacht? Laß das das Mädchen morgen machen, nu komm zu Bett. Regierers scheinen übrigens die Geschichte mit Oskar doch zu wissen, ich hab gehört, wie sie über den Tisch zu Lotte gesagt hat: „Alte Möbel sind noch keine Mitgift!“ Frechheit. Hast du übrigens den Doktor Landmann gefragt, was du für die Bronchien tun sollst? Hätt ich ruhig getan – lächerlich. Für was ist der Mann Arzt? Jack lad ich nicht mehr ein – das sag ich dir – allen Leuten will er seine Versicherungspolicen andrehn. Bei mir [45] macht man keine Geschäfte, im Salon macht man keine Geschäfte. Ich hab übrigens vorhin mit Bräunling gesprochen: er sagt, Meyerhold will das Aktienpaket nicht nehmen, das, von dem ich dir erzählt habe. Nu hör doch schon mit dem Packen auf, es ist halb zwei. Haste das Tageblatt? Fritz sagt, der Artikel von T. W. wär heute so gut – ich wern mal lesen. Was sollen denn die ganzen Flaschen hier aufm Klosett? Laß doch mal die Flaschen rausnehmen … Nu is das Mädchen schon zu Bett! Die Flaschen hättste aber wirklich vorher rausnehmen lassen können – wo soll ich denn jetzt hier sitzen? Hanne! Wo ist der Kurszettel? Der Kurszettel liegt nicht dabei! Wie konntste übrigens zu Paul sagen, daß Meinicke uns Extrapreise macht! Du weißt doch, daß er morgen hinläuft, und mir macht Meinicke dann Vorwürfe! Nein, dir nicht! Mir. So –! Da stell die Flaschen nicht hierher! Nu heb schon mit auf – die ganze Badewanne ist grün, das geht nie wieder raus! Diese Gesellschaften! Es wird schon wieder rausgehn – stell dich nicht so an! Das hat alles in allem mindestens zweihundert Mark gekostet! Ich will gar nicht eingeladen werden – krieg ich dadurch mein teures Geld wieder? Außerdem revanchieren sich zum Beispiel Siegels nie – mal is ein Kind krank, mal haben sie kein Mädchen, so viel Ausreden möcht ich auch mal haben! Aber für die nächsten acht Wochen is nu Schluß mit Gesellschaft, das kann ich dir sagen! Nu mach, ich muß morgen früh aufstehen – komm schon, geh schon zu Bett. Ich komm gleich nach. Ich will bloß noch den Artikel lesen. Tritt da nicht rein. Ich bin froh, daß die Ferien kommen – ich kann sie schon alle gar nicht mehr sehn. Na – in Garmisch werden wir ja unsre Ruhe haben. Meyerholds kommen übrigens auch hin. Welschs auch, und der alte Regierer. Vielleicht bringt Lotte Greten mit. So ist man wenigstens nicht verraten [46] und verkauft, da unten. Hanne! Hanne! Es ist wieder kein Papier da …! Jetzt hat die Gesellschaft sogar das ganze Papier aufgebraucht! Na laß man – ich nehm die Zeitung …!“